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Grinsend vor Gericht: Ein Meißner testet die Geduld der Richterin

Ein 34-Jähriger ist emotional unreif aufgrund seines jahrelangen Drogenmissbrauchs. Nun hat er eine letzte Chance erhalten.

Von Martin Skurt
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Vor Gericht in Meißen offenbart sich ein tragischer Fall: das gescheiterte Leben eines 34-Jährigen nach jahrelangem Drogenmissbrauch.
Vor Gericht in Meißen offenbart sich ein tragischer Fall: das gescheiterte Leben eines 34-Jährigen nach jahrelangem Drogenmissbrauch. © Sven Ellger (Symbolbild)

Meißen. Ein 34-jähriger Mann aus Meißen stellt die Geduld der Richterin auf die Probe: Durch sein dauerhaftes Grinsen, Lachen und Reinreden musste sie ihn mehrmals ermahnen. Denn trotz Verständigung zwischen seinem Verteidiger, der Staatsanwältin und dem Gericht entscheide auch sein Verhalten während der Verhandlung, welche Strafe er erhält.

Der Angeklagte wurde zunächst wegen wiederholten Erwerbs und Besitzes von etwa 20 Gramm Crystal Meth angeklagt. Gegen ihn wurde ermittelt, da sein Freund und Drogendealer verurteilt wurde. Er führte ein Schuldenbuch, in dem der Name des Angeklagten mehrmals mit unterschiedlichen Geldbeträgen vorkam. Die Polizei durchsuchte daraufhin Ende September 2022 seine Wohnung auf Drogen, wurde aber nicht fündig. Sie fanden nur einen aufklappbaren Autoschlüssel-Rohling mit Anhaftungen von Crystal Meth und mehreren Bildern auf seinem Handy, die den Drogenkonsum dokumentierten.

"Er steckt emotional noch in der Pubertät"

Weiter musste sich der Meißner wegen einer Körperverletzung im Mai 2023 an einem 49-Jährigen verantworten. Laut Zeugenaussagen kam es an der Aral-Tankstelle auf der Großenhainer Straße in Meißen zu einem Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte auf den Geschädigten mindestens zweimal auf das Gesicht eingeschlagen und auch am Boden getreten haben soll. Das Opfer war selbst erheblich alkoholisiert und fühlt sich durch den Angeklagten provoziert. Dieser habe den Geschädigten als "Fotze" bezeichnet. Daraufhin meinte der 49-Jährige zum Angeklagten, dass sie das doch woanders klären können. Sie gingen ein Stück weiter weg und der Geschädigte wurde nach zwei Schlägen gegen den Kopf bewusstlos und erlitt Prellungen sowie eine Platzwunde.

Die unbeteiligte Verkäuferin bestätigte diese Aussage und bezeichnet die Tat als verstörend. Der Angeklagte hält das im Gerichtssaal kaum aus und verschließt schnaufend fest die Augen. Darauf reagiert die Richterin: "Was ist denn ihr Problem?" Der Angeklagte kommt ins Stocken und meint, er könne sich nicht vorstellen, so etwas zu tun. Sein ehemaliger Bewährungshelfer aus einer anderen Verurteilung klärt auf, woran das liegen könnte.

Der Angeklagte habe schon mit 12 Jahren begonnen, Cannabis und Crystal Meth zu nehmen. Dadurch habe er nie gelernt, sich zu entwickeln, sagt er. "Er steckt emotional noch in der Pubertät." Obwohl er schon seit diesem Jahr keine Drogen mehr genommen habe, sei seine Rückfallgefahr hoch. Sein Bruder litt an einem Hirntumor. Durch den Drogenkonsum kompensierte er den tragischen Fall. Im vergangenen Jahr ist der Bruder schließlich gestorben. Der Angeklagte litt nach eigenen Aussagen unter mehreren Rückfällen.

Erneute Bewährung nur aufgrund des Geständnisses

Er hat die neunte Klasse ohne Abschluss verlassen und zwei Ausbildungen begonnen. Er arbeitete schließlich als Bauhelfer. Sein Bewährungshelfer merkt an, dass er nie die angebotene Hilfe annahm und zunächst seine Suchtproblematik in den Griff bekommen muss, zum Beispiel durch eine Langzeittherapie. Zudem habe der Angeklagte nach eigenen Aussagen knapp 30.000 Euro Schulden angehäuft.

Der Angeklagte entschuldigte sich mehrfach für sein Verhalten und erklärte, dass er bereit sei, seine Probleme in den Griff zu bekommen. "Ich gehe zur Hypnose und würde auch zu einem Psychologen gehen", sagte er. In den vergangenen Jahren ist er mehrmals straffällig geworden, unter anderem wegen Betrug, Körperverletzung oder Drogen.

Am Ende verurteilt das Gericht den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 2 Monaten, die zur dreijährigen Bewährung ausgesetzt wurde. Innerhalb dieser Zeit muss der Angeklagte strenge Auflagen erfüllen: 200 Stunden gemeinnützige Arbeit, regelmäßige Drogentests und mehrere Termine bei der Sucht- und Schuldnerberatung. Die Richterin betonte in ihrer Urteilsbegründung, dass die erneute Entscheidung zugunsten einer Bewährungsstrafe nur aufgrund des Geständnisses und der Kooperationsbereitschaft des Angeklagten getroffen wurde.