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Krumme gegen lange Beine

Beim Stück „Hase und Igel“ siegen die vermeintlich Schwächeren mit List über den Stärkeren.

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© André Braun

Von Jens Hoyer

Döbeln. Die Geschichte vom Hasen und dem Igel kennt man, seit die Gebrüder Grimm sie in ihre Sammlung deutscher Märchen aufgenommen haben. Die Schwächeren triumphieren durch Klugheit über den Stärkeren. Peter Ensikat hat daraus eine Schelmengeschichte für Kinder gemacht und Ekkehardt Emig hat diese fürs Mittelsächsische Theater inszeniert. Am Freitag war in Döbeln auf der kleinen Bühne im TiB Premiere.

Der Igel (Susanna Voß) ist, mit Verlaub, ein fauler Sack, und das passt seiner Frau (Almut Buchwald) überhaupt nicht. Einen „borstigen Tagedieb“ nennt sie ihn und jagt ihn aufs Feld, damit er die Sonnenblumen wässert. „Ich brauche auch kein Wasser“, meint der Igel und lässt ein Bier rein. Auf dem Feld legt er sich auf die borstige Igelhaut und lässt alle krummen Viere gerade sein. Mussjö Hase (Maximilian Wex), ein arroganter Fatzke, der ein paar Brocken Französisch radebrecht, kommt und stolpert über den Faulpelz. „Dieses minderwertige Borstenstück legt sich in den Weg, um mir ein Bein zu stellen“, schimpft er. Angestachelt wird er vom Raben (Robert Kapelle), der sich für besonders schlau hält und der für Geld und billige Versprechen den Hasen lobpreist. Er (der Hase) sei doch der Edlerer und dürfe sich das vom Igel nichts gefallen lassen. Der Hase, der sich für den Schönsten hält, nennt den Igel ein Krummbein. Und seine Frau auch. Denn die beiden sind sich ja so ähnlich.

Ähnlich? Geistig ist das Igeltier durchaus nicht phlegmatisch. Die Beleidigung erfordert Genugtuung. Er fordert den Hasen zum Wettlauf heraus. Es geht auch ums Feld, das der Hase haben will. Blumen? Was sind schon Blumen! Kohl und Mais will das Langbein anpflanzen.

Das Ende kennt man. Igel und Igelin schlüpfen in gleiche Latzhosen. Selbst der Rabe, dieser selbst ernannte Schlauberger, verwechselt die beiden. Die besten Voraussetzungen, um ihn zum Schiedsrichter zu erklären. Der Hase hetzt über die Bühne, aber immer ist der Igel schon im Ziel. Gewonnen.

Das Stück lebt von einigen netten Einfällen. Die Schauspieler erscheinen als gemischtes Ballett im weißen Tutu, um sich vor den Augen der Kinder in die Spielfiguren zu verwandeln. Das Märchen hat auch seine nachdenklichen Seiten, wenn Frau Igel ihren Mann fragt: „Müssen wir uns alles gefallen klassen, nur weil wir anders aussehen?“

Allerdings ist im Märchen auch wenig Handlung für eine Stunde Spieldauer. Das merkt man dem Stück an. Zeitweise wuseln die Akteure, einschließlich faulem Igel, so chaotisch und wenig nachvollziehbar über die Bühne, dass man ein Stoßgebet ausrufen möchte: Herr, schmeiß Ritalin vom Himmel. Dann wieder legen allesamt in friedlicher Eintracht ein Tänzchen hin, als wäre es eine Knuddelparty. Dabei geht es um Mobbing. Und wenn Herr Igel seiner Frau löffelweise wohlschmeckende Fantasie einfüllt oder sie liebevoll anschmachtet, dann darf es vielleicht ein bisschen schneller gehen. Die Spannungskurve war stellenweise arg eingedellt, was sich an der Unruhe des jungen Publikums bemerkbar machte. Aus dem Konflikt zwischen Igelin und faulem Igel hätte der Regisseur sicher noch einige Lacher herausholen können. Und ein Charakter wie der arrogante Hase schreit förmlich nach krasser Übertreibung, wovon nicht viel zu sehen war.