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Abschied von Tina Turner: Diese Songs bleiben unvergesslich

Die Musikwelt trauert um Tina Turner. Ihre Songs werden bleiben, da ist für jeden was dabei. Die Redaktion von Sächsische.de erinnert an ihre Lieblingsstücke.

Von Heinrich Löbbers & Andy Dallmann & Bernd Klempnow & Johanna Lemke & Marcus Thielking
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Ein Porträt der verstorbenen Sängerin Tina Turner steht auf ihrem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame in Los Angeles. Turner starb am Dienstag im Alter von 83 Jahren nach langer Krankheit.
Ein Porträt der verstorbenen Sängerin Tina Turner steht auf ihrem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame in Los Angeles. Turner starb am Dienstag im Alter von 83 Jahren nach langer Krankheit. © Chris Pizzello/AP/dpa

Fans und Stars der Musikwelt trauern um Tina Turner. Am Tag nach dem Tod der 83-Jährigen legten Bewunderer am Donnerstag Blumen und Beileidsbekundungen vor ihrer Villa in Küsnacht bei Zürich ab, wo Turner seit 1994 gelebt hatte. Viele Kollegen kondolierten online: „Wunderschöne Tina, es gab niemanden wie sie, einfach die Beste“, schrieb der Brite Sting, der mit ihr einst den Song „On Silent Wings“ eingespielt hatte. Barack Obama erklärte: „Gemeinsam mit Fans auf der ganzen Welt ehren wir heute die Queen des Rock and Roll – einen Stern, dessen Licht niemals verglühen wird.“ Auch im SZ-Feuilleton liefen am Donnerstag Tina-Turner-Songs – eine Auswahl unserer Lieblingsstücke:

Private Dancer

Von Bernd Klempnow

Dieser 1984 veröffentlichte Titel ist unverändert aufregend: Er hat einen markanten Bass, einen ungeheuren Drive und raffinierte instrumentale Soli etwa von Saxofon und Klavier. Grandios sind die unverkennbaren Gitarrenriffs vom Komponisten und Dire-Straits-Kopf Mark Knopfler.

Und doch bekommt die Ballade über eine Stripperin, die beschreibt, wie leer sie sich fühlt, durch das Stöhnen von Tina Turner eine ganz eigene, desillusionierende Stimmung. Da ist der Schmerz in Text und Stimme im Kontrast zur packenden Musik und den starken Momenten einer letztlich doch aufbegehrenden Frau, wenn es da heißt: „Ich bin deine Privattänzerin, ich tanze für Geld, mache, was du von mir willst – zu jeder beschissenen Musik.“ Dazu dann das ebenso aufregende Cover des Albums „Private Dancer“ mit einer Tina Turner im schlichten Schwarzen, die mit einem Finger lockt – eine schwarze Katze zu ihren Füßen. Kein Wunder, wenn sich das Album weltweit über 20 Millionen Mal verkauft und damit zu den begehrtesten überhaupt gehört.

Interessant, wie die Künstlerin das Lied sah: „Ich war schockiert. Ich habe sie nicht als Prostituierte gesehen. Ich kann bei solchen Dingen manchmal naiv sein. Die Antwort ist nein. Ich habe den Song ausgesucht, weil es ein ungewöhnlicher war. Ich habe so einen Song noch nie gesungen.“ Dem ist, trotz ihrer vielen anderen Hits, nichts hinzuzufügen.

Nutbush City Limits

Von Andy Dallmann

Auf der einen Seite eine eindeutige Abrechnung mit dem Nest, in dem sie aufgewachsen, aus dem sie förmlich geflohen war. Auf der anderen Seite etwas Mythos, weil sich hartnäckig das Gerücht hält, die zweite Gitarre im Studio habe Glamrock-Held Marc Bolan gespielt. Dazu ein Groove wie aus dem Lehrbuch, der Sound eine Liebesheirat zwischen R’n’B und Rock’n’Roll – also das Gegenteil der Beziehung, die zu diesem Zeitpunkt Ike mit Tina Turner verband. Ein prägnantes, für dieses Genre untypisches Moog-Synthie-Solo. Aber letztlich ist es diese Stimme, die den vor 50 Jahren aufgenommenen Song noch heute kein bisschen angestaubt klingen lässt.

Tina Turner haut mal eben so beim Singen ihre Seele raus. Man weiß nicht so recht, ob man einfach nur tanzen oder sie doch lieber tröstend in den Arm nehmen soll. Klar, es ist Tina Turner – also tanzen! Interessanter Nebenaspekt: Nur die geschmackssicheren Österreicher erkannten das Potenzial des Songs, nur bei ihnen kam er auf Platz eins der Charts. Heute ist das egal, diese Nummer bleibt sowieso für die Ewigkeit.

We Don't Need Another Hero

Von Johanna Lemke

Man kann es kaum glauben, aber dies ist der erste und einzige Nummer Eins-Hit, den Tina Turner in Deutschland jemals landete. Auf der Erfolgswelle von „Private Dancer“ surfend, spielte sie 1985 in dem dystopischen Actionfilm „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel“ mit Mel Gibson mit, zu dem „We Don‘t Need Another Hero“ der Titelsong ist. Der Film lief, nun ja, so mäßig, aber der Song ging durch die Decke, sahnte Chartplatzierungen noch und nöcher ab und läuft bis heute immer dann, wenn die Party gerade dabei ist, etwas müde zu werden und alle noch mal inbrünstig mitgrölen wollen.

„Wir brauchen nicht noch einen Helden“ – was für ein ikonischer Satz, gesungen von der größten Rocksängerin aller Zeiten in einer Form, die nach ihr keine mehr erreichte. „Bei den Aufnahmen hatte ich das Gefühl, ich muss es noch größer, noch heroischer machen“, sagte Tina Turner einmal, „es musste klingen, als wäre ich im Krieg.“ Mit dieser Attitüde machte sie aus dem Song einen Epos, in dem Samtstimme und Reibeisen so kongenial zu Saxofon und Kinderchor harmonieren. Der perfekte Ohrwurm!

Tonight

Von Heinrich Maria Löbbers

Tina und die Typen – ein spezielles Kapitel. Von Ike Turner, der sie groß machte und mies behandelte, wollen wir mal schweigen. Aber auf der Bühne konnte sie mit den Männern umgehen wie keine zweite. Eine Duett-Königin, ob mit Chuck Berry, Rod Steward oder Brian Adams. Und natürlich Mick Jagger. „It’s only Rock’n’Roll but I like it“ beim Live Aid 1985.

Was für ein Feuerwerk: musikalisch und wie immer auch sexuell. Wie die beiden über die Bühne toben, er sich das Hemd auf- und ihr den Rock abreißt. Heute eher heikel. Etwas sittsamer, aber nicht weniger scharf war es mit Eros Ramazotti, München 1998: „Cose della Vita“ – wie es da knistert und funkt. Mein Highlight aber: „Tonight“ im Duett mit David Bowie 1985. Man kann es kitschig finden. Oder swingend dahinschmelzen. Mit ihrer Power ist es jedenfalls immer Tina, die den Ton angibt, Männer dürfen assistieren. Und zuschauen: gut, dass es Youtube gibt.

Great Spirits

Von Marcus Thielking

Der Song zählt nicht zu ihren bekanntesten, trotzdem hört man nach den ersten Takten, wer hier am Mikrofon stand: Diese Mischung aus Krächzen, Hauchen und melodischem Quäken – so konnte nur Tina Turner singen. „Great Spirits“ war der Titelsong zum Disney-Film „Bärenbrüder“, komponiert und am Schlagzeug begleitet von ihrem Pop-Kumpanen Phil Collins. Der Song ist von vorne bis hinten so perfekt poliert, dass man als dreckiger Rock-’n’-Roll-Feuilletonist eigentlich die Nase rümpfen müsste.

Aber das Geniale ist eben, Tina Turner singen zu lassen – so klingt das Walt-Disney-Produkt wie ein Klassiker des Rhythm and Blues. Collins erinnert sich in seinen Memoiren: „Da sie absolut professionell und eine echte Künstlerin ist, hat sie den Song schon von dem Band gelernt, das ich ihr geschickt habe. Sie legt sich voll ins Zeug, und nach ein paar Takes haben wir es.“ Auch das ist Rock ’n’ Roll: Wenn du einfach Profi bist.