Blitzeinschläge am Märchenschloss in Moritzburg

Nach 50 Jahren was Neues. Wer dachte, dass der Musiker Jan Vogler Konzertmeister und Solist auf dem Cello geworden ist, weil Dvorák & Co. so wunderbare Cello-Konzerte geschrieben haben, der irrt. Er tat es vor allem wegen Kammermusik, wie er jetzt sagt. „Wegen dieser traumhaft schönen Stücke, die wir daheim auf Schallplatte hörten oder meine Eltern sie ab und an mit Kollegen im Wohnzimmer spielten, habe ich einst angefangen, Cello zu spielen. Die Kammermusik ist oft das persönlichste und intimste Bekenntnis großer Komponisten.“ Lange sei sie falsch verstanden worden, als introvertiert und als nur für Liebhaber interessant bezeichnet worden. „Der Ruf ist falsch. Alle Stücke sind temperamentvoll und emotional.“

Kein Wunder also, dass der heute 58-Jährige wohl die großen Konzerte ganzjährig interpretiert, aber jeden August für die Kammermusik reserviert hat. Und das seit Jahrzehnten, denn er gründete mit zwei Kollegen der Staatskapelle 1993 das heutige Moritzburg Festival. Längst ist er dessen künstlerischer Leiter.
An diesem Sonnabend startet der 30. Jahrgang. Vogler verspricht bis 21. August mit 33 Solisten in 22 hochkarätigen Veranstaltungen „Musikgenuss in der idyllischen Kulturlandschaft vom imposanten Jagdschloss und seines romantischen Parks“. Künstler der ersten Festivals wie der Bratschist Ulrich Eichenauer und die Flötistin Marina Piccinini sind dabei, aber auch spätere, immer wieder gern gehörte Gäste wie die Starpianisten Lise de la Salle und Louis Lortie. Sie alle – um die 250 Solisten waren hier Interpreten – werden sich in einer Art Familienalbum mit 160 Fotografien aus der gesamten Zeit wiederfinden. Dieses Album wurde speziell fürs Jubelfest gedruckt.

Auch eine Referenz an das Festival: Die japanische Ausnahmegeigerin Midori ist anlässlich ihres 40. Bühnenjubiläums am 13. August mit dem Moritzburg Festival Orchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Josep Caballé Domenech in der Dresdner Frauenkirche zu erleben. Erstaunlich, denn Midori gibt in diesem Jahr nur zwei Konzerte in Deutschland. Und der Schirmherr des 30. Jahrganges ist der aktuelle Kapellenchefdirigent Christian Thielemann. „Womit sich der Kreis zum ersten Moritzburg Festival 1993 schließt, bei dem Giuseppe Sinopoli, der damalige Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, die Schirmherrschaft übernahm.“
Nur, wird das Publikum überhaupt in die Konzerte kommen? Schließlich hatten Dresdens Philharmonie und Staatskapelle so wie fast alle Orchester und Theater im Land nach Aufhebung aller Pandemie-Beschränkungen arge Zuschauerprobleme. Vogler und sein Team sind zuversichtlich. Weil das Festival einen großen Fan-Kreis hat. Weil seit zwei Jahren fast alle Konzerte auf der Open-Air-Bühne der Nordterrasse vom Schloss stattfinden. Und weil Vogler täglich darum kämpfen will. Kaum ein Künstler sagt es so deutlich wie er. „Wir werden jeden Tag beweisen müssen, dass wir relevant genug sind, damit sich der finanzielle und zeitliche Aufwand, den das Publikum betreibt, für dieses rechnet.“
Neue CD mit Hits, die auch live zu erleben sind
Zum Auftakt des Jubiläums-Festivals ist bei Sony Classical gerade eine neue Festival-CD erschienen, auf der Jan Vogler mit jungen Festivalkünstlern Kammermusik von Antonín Dvorák eingespielt hat. Darunter sind das Klavierquartett Nr. 2 Es-Dur und das berühmte Klaviertrio Nr. 4 e-Moll, „Dumky“ genannt. Beide Kompositionen werden auch in gleicher Besetzung in Moritzburg erklingen. Das „Dumky“-Trio gleich zur Eröffnung.
Wieder sind Probenbesuche während des Festivals möglich. Es gibt natürlich die Lange Nacht der Kammermusik und das beliebte Proschwitzer Musik-Picknick. Zudem ist wieder mal eine Uraufführung geplant. Die Amerikanerin Hannah Ishizaki, Artist in Residence der Stiftung Kunst und Musik für Dresden, hat ein Streichoktett vollendet, das erstmals erklingen soll. Das dürfte spannend werden, denn Ishizakis derzeitige Werke basieren auf der Dekonstruktion von Wörtern und Bedeutungen.
„Die Pandemie hat uns Künstler gequält – und wachgerüttelt. Denn wir hatten uns daran gewöhnt, klassische Musik perfekt zu spielen“, sagt Jan Vogler. „Es geht aber nicht um den perfekten Abend. Der muss jedoch außergewöhnlich sein – wenigstens für Momente, die wie Blitzeinschläge sind. Um so zu überzeugen, brauchen wir Interpreten enorme Energie, Enthusiasmus und emotionales Engagement.“
Vorverkauf unter www.moritzburgfestival.de, Tel. 0351 16092615 sowie bei allen Reservix-Vorverkaufsstellen