Von Steffen Rüth
Auch das gibt es noch: Vier Jungs starten eine Rockband. Inhaler kommt aus Dublin, ihr Sänger ist der Sohn von U2-Frontmann Bono, doch auf ihrem ersten Album „It Won’t Always Be Like This“ finden die 21-Jährigen bereits ihre eigene Stimme.
Seiner privilegierten Herkunft und den damit verbundenen Vorteilen ist sich der 21 Jahre alte Elijah, genannt Eli, Hewson zwar voll und ganz bewusst. Seine Eltern heißen Ali und Paul Hewson. Paul ist von Beruf Sänger von U2. Zehren möchten Eli und seine drei gleichaltrigen Freunde Robert Keating, Josh Jenkinson und Ryan McMahon aber nur ungern vom Bono-Bonus. „Wahr ist, dass sich die Türen anfangs für uns sehr schnell geöffnet haben“, sagt der Sänger und Hauptsongschreiber von Inhaler. „Aber sie hätten sich auch besonders schnell wieder geschlossen, wenn wir nichts taugen würden.“ Jede Band, so Hewson, brauche eine Basis, ein solides Fundament. Es ist ganz lustig, mit Eli kurz über seinen Rock ’n’ Roll-Vater zu plaudern. Die beiden, so der Eindruck, haben ein herzliches Verhältnis, alles andere als frei von Frotzeleien. „Ich würde niemals auf einem Tourneeplakat unter ihm stehen wollen“, erteilt er der Idee eines gemeinsamen Stadionkonzerts grinsend eine Absage. „Und ich bin mir sicher, dass so einige Inhaler-Fans noch nie etwas von U2 gehört haben. Das ist ja eher die Musik ihrer Eltern.“
Der Enthusiasmus der Jungs scheint riesig, sie wirken sympathisch aufgedreht. Und sie klingen auch so. „It Won’t Always Be Like That“, aufgenommen im vergangenen Sommer in London, ist ein Debütalbum, das vor Ideenreichtum regelrecht überschäumt. Die meisten der Songs machen ordentlich Dampf und gute Laune. Das noch mitten in der Pandemie vorab veröffentlichte „Cheer Up Baby“ ist die pure Indiepop-Heiterkeit („Wir fürchteten zu Unrecht, die Leute könnten denken, wir würden sie mit unserer Fröhlichkeit verarschen wollen“), auch der Titelsong, der schon Jahre alt ist und von frühjugendlichem Liebeskummer handelt oder auch das energetisch funkelnde „My Honest Face“ fördern die Bewegungslust der Hörenden. Richtig nachdenklich wird es nur mal kurz im noch recht frischen Song „What A Strange Time To Be Alive“. Ein wenig erinnert Eli hier und da gesanglich an seinen alten Herrn, doch die musikalischen Inspirationen für Inhaler kommen aus anderen Ecken: The Strokes, The Killers, Interpol, Thin Lizzy, Roxy Music und sogar Duran Duran lassen sich als Einflüsse heraushören. Inhaler ist zweifelsohne eine Rockband mit massivem Pop-Drall. „Mit zehn, elf Jahren waren wir von Gitarrenmusik total besessen“, sagt Hewson. „Später kam dann die Liebe zu Dance-Acts wie Daft Punk oder LCD Soundsystem dazu.“
Als Eli, Robert und Ryan (Josh stieß 2015 dazu) beschlossen, eine Rockband zu werden, gingen sie zusammen aufs St. Andrews College in Dublin. Auf die Schule als solche hatten sie nicht so richtig Lust. „Wir wollten immer nur Musik machen“, so Eli. „Gedichte von Leuten, die längst tot sind, im Englischunterricht zu interpretieren, fanden wir weniger aufregend.“ Die Gründung eines Rockquartetts war vor zehn Jahren bereits ein irgendwie putziger Anachronismus, heute ist sie es noch viel mehr. Doch das juckt die Jungs nicht. Eli Hewson: „Wenn du jung bist, willst du rebellieren. Gegen die Schule, gegen alles. Ich wusste, dass ich niemals einen Bürojob haben wollte. Uns war allen klar, dass Musik ein wichtiger Teil unseres Lebens sein würde. Wir wollten einfach mitmischen und übten an fünf Tagen pro Woche.“
Mit 16 verließen die Teenager die Schule und stürzten sich zu hundert Prozent ins Abenteuer Rock ’n’ Roll. 2017 veröffentlichten sie eine erste Single. Am Album selbst tüftelten sie drei Jahre lang. „Die meisten unserer Songs handeln vom Großwerden“, so Eli Hewson. „Es ist ganz schön verzwickt, den Übergang vom Teenager zum jungen Erwachsenen hinzubekommen. Wir alle müssen irgendwie einen Weg suchen, um zu uns selbst zu finden.“ Was insbesondere in den vergangenen anderthalb Jahren nicht immer einfach gewesen sei. „Corona hat uns manches Mal deprimiert, aber das Virus hat uns nicht fertiggemacht. Wenn überhaupt, lachen wir jetzt noch mehr zusammen als früher. Und wenn die Party, die sich Leben nennt, endlich wieder richtig anfängt, dann wird sie gigantisch sein.“
Album „It Won’t Always Be Like This“