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Das Buch der Bachmann-Preisträgerin

Die ostdeutsche Autorin Helga Schubert gewann den Preis im letzten Jahr, nun erscheint ihr Erzählband.

Von Karin Großmann
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Helga Schubert Foto: ORF
Helga Schubert Foto: ORF © ORF

Das Beste kommt zum Schluss. Das ist jene Geschichte, für die Helga Schubert im vorigen Jahr den Ingeborg-Bachmann-Preis bekam. Der Text hält den Augenblick zwischen Aufwachen und Aufstehen fest. Eine Achtzigjährige genießt den Lavendelduft ihrer Bettwäsche, schaut voraus in den Tag mit ihrem pflegebedürftigen Liebsten und zurück in die Kindheit. Der Vater war als Soldat an der Wolga gestorben. Die Mutter verbreitete Stolz und Härte und rühmte sich dreier Heldentaten: Dass sie die Tochter nicht abgetrieben hatte. Dass sie die Tochter bei der Flucht aus Hinterpommern in einem dreirädrigen Kinderwagen bis Greifswald geschoben hatte. Dass sie sich bei Ankunft der Russen nicht erschossen oder vergiftet hatte, wie es ihr Vater verlangte; denn vorher hätte sie die Tochter töten müssen. „Da habe ich dich am Leben gelassen.“ Die Erzählerin nimmt das als Liebesbeweis. Einen anderen gab ihr die Mutter nie. Doch sie schreibt keine Anklage. Sie versucht zu verstehen und zu verzeihen.

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