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Der ganze Sitte

Feuer frei für die Debatte: Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle zeigt eine große Retrospektive des Malers und DDR-Kulturfunktionärs Wille Sitte.

Von Birgit Grimm
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Selbstporträt von Willi Sitte aus dem Jahr 1980, da war er auf dem Höhepunkt seiner Macht als Kulturfunktionär. (Ausschnitt)
Selbstporträt von Willi Sitte aus dem Jahr 1980, da war er auf dem Höhepunkt seiner Macht als Kulturfunktionär. (Ausschnitt) © Privatsammlung

Sittes Arbeiter haben kleine Köpfe, aber große Hände und große Füße, was sogar den Kulturwächtern von der SED auffiel: Ob er denn der Meinung sei, dass „unsere Arbeiter“ nichts im Kopf hätten, wurde er streng gefragt. Was wie ein Witz klingt, konnte selbst einem Willi Sitte schlaflose Nächte bereiten. Der mächtigste Maler der DDR durchlebte heftige Krisen, als er nicht mehr, aber auch schon, als er überhaupt noch nicht mächtig war. Zwei Suizidversuche, der erste an seinem 40. Geburtstag, der zweite einige Wochen später, zeugen davon. Anfang der 1960er-Jahre hatte Sitte sich hoffnungslos in eine Dreiecksbeziehung verstrickt. Und sein Triptychon „Unsere Jugend“ wurde nicht in der 5. Deutschen Kunstausstellung in Dresden gezeigt ¨– ausjuriert wegen eines in einer Bar tanzenden Paares. Weder moralisch noch politisch hielt man Sitte für geeignet, junge Menschen an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle zu unterrichten. Andere Bilder, in denen er zum Beispiel Leger oder Picasso näherkommen wollte, galten als formalistisch.

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