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Die Komödie "Jagdsaison" ist ein charmanter Schlampagnerausflug

Der deutsche Kinofilm „Jagdsaison“ punktet mit Situationskomik, die locker macht, weil sie locker gemeint ist und so gedreht wurde.

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Rosalie Thomass (l-r) als Eva, Marie Burchard als Marlene und Almila Bagriacik als Bella in einer Szene des Films "Jagdsaison".
Rosalie Thomass (l-r) als Eva, Marie Burchard als Marlene und Almila Bagriacik als Bella in einer Szene des Films "Jagdsaison". © TOBIS Film GmbH

Von Andreas Körner

Der Produzent sollte wissen, was er produziert hat, und Sebastian Zühr weiß es: „Es wird lustig, peinlich, es wird böse, es geht unter die Gürtellinie. Es werden Tabus gebrochen, aber um Moral geht es dabei nicht. Uns geht es um Freundschaft – und Männer sind dabei zweitrangig.“ Das sitzt schon mal. Als Kompass für „Jagdsaison“ ist es gleichsam geeignet.

Deutschland und seine Kinokomödien! Was mussten sie nicht alles einstecken in den letzten Jahrzehnten, zum großen Teil berechtigt, manchmal aber speist sich der Spott auch aus übereifrigen Vorurteilen. Übersehen wird dabei, dass es zu jeder Zeit wunderbare und charmante, weil sehr eigenwillige Filme gab, in denen aufrecht gelacht werden durfte und konnte.

Sehr oft waren es eher kleinere Streifen, manchmal sogar die Nummern größer. Richtig spannend wird es zumeist, wenn sie sich zwischen alle Stuhlgrößen setzen. Auch das trifft auf „Jagdsaison“ zu.

Bella, Eva und Marlene machen sich locker.
Bella, Eva und Marlene machen sich locker. © TOBIS Film GmbH

Irgendwann bald wird sie 40 und ihr geht die Düse. Eva (Rosalie Thomass) weiß nicht recht, ob das Abfinden mit der Realität wirklich eine so gute Idee ist. Alltag bedeutet für sie in erster Linie Arbeit beim Finanzamt, Singledasein und Teilzeitmutterschaft für eine Zehnjährige, denn ihr Mann ist seit drei Jahren ein Ex. Tochter Olivia (Lyn Stucht) kommt zu allem Unglück auch noch mit der schönen, jungen Neuen von Papa klar. Für Eva aber ist diese Bella (Almila Bagriacik) das Feindbild schlechthin. Und jetzt sitzt sie auch noch mit beim Schulgespräch! Na fein!

Fein auf zynische Weise ist zudem, dass Evas beste Freundin Marlene (Marie Burchard) heimlich mit der zart überdrehten Influencerin Bella engere Bande geknüpft hat und jetzt die große Vermittlerin feindlicher Parteien mimt. Als würde Eva in ihrem schäumenden Aggregatzustand friedliche Koexistenz wirklich wollen! Doch dann begibt es sich, dass Marlene Pläne hat, zunächst für sich selbst, doch schnell auch fürs Frauentrio Kurzschluss.

In finnischen Wäldern hatte Marlene einen Mann kennengelernt, der für einen längst pressierenden Seitensprung taugen würde. Dass es im heimischen Bett nur noch um springende Eizellen geht, weil ein weiteres Kind den Plan diktiert, geht Marlene im ureigenen Sinne auf den Wecker. Eva aber hält vom Plan, sich am kommenden Wochenende besagten Peter gehörig „aus dem Kopf zu vögeln“, überhaupt nichts. Ihre Rolle als Moralapostel füllt sie sofort aus und wird sich auch beim nun folgenden „Schlampagnerausflug“ mit Bella und Marlene aus Prinzip in die Wellnesseln setzen.

Dass wie nebenbei wirklich eine Jagd stattfindet, an deren Seitenlinie das verhängnisvolle Techtelmechtel Marlenes vollzogen werden soll, bringt Eva so richtig in Stellung. Fettnäpfchentritte, Tollpatschigkeit und eine scharfe Zunge sind ihre allerersten Vorzüge. Ein Hund wird bald sein letztes Lied davon bellen können.

Rosalie Thomass, die am Drehbuch mitgeschrieben hat, macht das großartig! Sie gehört längst zu den eher edleren Schauspielerinnen im hiesigen Film, eine, die einen ausgeprägten Spürsinn für feine Figuren besitzt und dabei vermeintliche Genre- und Formatgrenzen galant überwindet. „Grüße aus Fukushima“, „Die letzte Sau“, „Die Lobbyistin“, „Unterleuten“, „Die Känguru-Chroniken“, „Beste Zeit“ – Thomass macht sich mit Arbeiten dieser Art immer wieder neu unvergesslich. Auf eigene Weise. Dass sie auch immer dann zur Stelle ist, wenn ihr Ehemann Aaron Lehmann die Klappe schlagen lässt, zeigt die besondere Chemie zwischen beiden. Lehmann kann als Autor und Regisseur Komödie, kann weich und derb, Nische und pralle Leinwand.

Albernheiten, Slapstick und eine leise Traurigkeit

Sein „Das schönste Mädchen der Welt“ (2018) bleibt ein zeitlos schöner Jugendfilm, und auf den bereits fertiggestellten „Was man von hier aus sehen kann“ darf man sich schon heute freuen. Bis dahin aber taugt „Jagdsaison“ als formidable Adaption eines ziemlich erfolgreichen dänischen Originals von 2019 zur Luftbrücke. Warum? Weil er als Frauenfilm („sisters before misters“) nichts auf Krampf neu erfinden muss und angstfrei mit Gattungsklischees spielt. Weil er sich krasse Albernheiten genauso gönnt wie satte Anzüglichkeiten. Weil er naturgewachsene Metaebenen neben Slapstick zulässt, eine leise Traurigkeit zum Beispiel, da das mit dem Perfektsein nun mal nicht gelingen kann. Und weil er mehrheitlich mit Situationskomik punktet, die locker macht, weil sie locker gemeint ist und so gedreht wurde.

Es ist wirklich komisch, wenn Eva einem Clown, dem sie zuvor ins Auto rammte und die Montur versaute, einfach eigene Sachen aus ihrem Gepäck reicht und er damit nicht viel anders aussieht als zuvor. Oder die Sache mit dem immer dunkler werdenden Anus bei zunehmender Lebenszeit – derb, fürwahr! Aber eben auch lustig!

Der Film läuft in Dresden im Ufa, UCI, Cinemaxx und Rundkino sowie in Meißen, Riesa, Pirna, Bautzen, Görlitz und Hoyerswerda.