Von Nicole Schippers
Erneute Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta fifteen: Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, fordert die Verantwortlichen der Weltkunstausstellung in Kassel auf, einen Beitrag des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wegen antisemitischer Motive zu entfernen. Auf dem großflächigen Banner am Friedrichsplatz ist unter anderem die Karikatur eines Juden abgebildet, auf dessen Hut SS-Runen zu sehen sind.
Ebenfalls ist ein Soldat mit Schweinsgesicht dargestellt. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift „Mossad“, der Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes. „Das ist eine klare Grenzüberschreitung“, sagte Mendel am Montag. „Diese Bilder lassen überhaupt keinen Interpretationsspielraum zu. Das ist klare antisemitische Hetze“, erklärte Mendel. Das Werk müsse umgehend abgedeckt oder bestenfalls entfernt werden, forderte er. Im zweiten Schritt brauche es einen Dialog darüber, was schiefgelaufen sei und wo die blinden Flecken dieser documenta seien.
Mendel hatte sich bislang in der schon seit Monaten schwelenden Antisemitismus-Debatte um die diesjährige documenta hinter die Schau gestellt. Er sagte, er sehe dort keinen Antisemitismus, kritisierte aber die fehlenden Positionen von jüdischen Künstlern aus Israel. Dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa war zum Jahresbeginn von einem Kasseler Bündnis vorgeworfen worden, auch Organisationen einzubinden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien.
Zwar sei nicht die gesamte Ausstellung sei als antisemitisch zu bezeichnen. „Man muss da differenzieren ... Aber so etwas sollte nicht passieren.“ Die Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, läge nun bei den Kuratoren und der Leitung der documenta fifteen.
Antisemitismus-Vorwürfe nicht ausgeräumt
Selten habe eine documenta im Vorfeld eine so heftige und kritische Debatte hervorgerufen wie die diesjährige, sagte Steinmeier in seiner Eröffnungsrede mit Blick auf die Antisemitismus-Debatte um die diesjährige Schau. Dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa war von einem Kasseler Bündnis vorgeworfen worden, auch Organisationen einzubinden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien.
Kritik an den verantwortlichen Machern der documenta fifteen übte auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung. „Es ist den Verantwortlichen der documenta nicht gelungen, die Antisemitismus-Vorwürfe in glaubwürdiger Weise auszuräumen. Das bedaure ich sehr, insbesondere nach der hierzu erhitzt geführten öffentlichen Diskussion“, sagte Felix Klein der Bild am Sonntag. Er teile die kritische Einschätzung des Bundespräsidenten. „Es kann nicht sein, dass Antisemitismus Teil des von der öffentlichen Hand geförderten künstlerischen Diskurses ist.“
Absichtliche Diffamierung Israels
In den zurückliegenden Wochen sei es der documenta fifteen leider nicht vollständig gelungen, „den von ihr selbst erzeugten Eindruck zu widerlegen, man würde dem israelbezogenen Antisemitismus mithilfe mindestens eines künstlerischen Beitrags mittelbar ein Podium ermöglichen“, monierte auch der Antisemitismusbeauftragte der Hessischen Landesregierung, Uwe Becker. Gemeint ist damit der Beitrag der palästinensischen Gruppe The Question of Funding, an der sich die Antisemitismusdebatte entzündete.
Dabei kombiniert etwa Mohammed Al Hawajri in seiner Serie „Guernica Gaza“ Bilder von Angriffen der israelischen Armee auf das Palästinensergebiet mit klassischen Motiven von Millet, Delacroix, Chagall oder van Gogh. Der Serientitel stellt eine Verbindung her zum Gemälde „Guernica“ von Pablo Picasso. Es entstand 1937 als Reaktion auf die Zerstörung der spanischen Stadt durch die „Legion Condor“ Nazi-Deutschlands.
Die künstlerische Gleichsetzung der Verbrechen des faschistischen Deutschen Reiches während des spanischen Bürgerkrieges mit den Handlungen der israelischen Armee lasse kaum Zweifel an der Absicht der Künstler in der Diffamierung Israels zu, erklärte Becker. Auch Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, verlangte von der documenta-Geschäftsführung, der Stadt Kassel sowie dem Land Hessen, eine offene Debatte zu den Vorwürfen zu führen. (dpa)