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Donna Leons neuer Krimi dreht sich um die Roten Brigaden

In ihrem neuen Buch spannt die Erfolgsautorin Donna Leon einen Bogen zum Terrorismus in den Achtzigerjahren in Italien.

Von Karin Großmann
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Auch wenn Uwe Kockisch nicht mehr in neuen Filmen als Brunetti ermittelt: Im Buch, das am 25. Mai erscheint, löst der Commissario seinen 32. Fall.
Auch wenn Uwe Kockisch nicht mehr in neuen Filmen als Brunetti ermittelt: Im Buch, das am 25. Mai erscheint, löst der Commissario seinen 32. Fall. © ARD/Degeto

Ausnahmsweise ist der Gärtner mal nicht der Mörder. Aber er ist einem auf der Spur. Deshalb muss der Gärtner sterben. Seine Leiche treibt nachts in einem Kanal in Venedig. Dort ermittelt Commissario Brunetti noch immer, auch wenn sein Fernsehleben inzwischen endete und seine Erfinderin Donna Leon in die Schweiz zog. Doch so zuverlässig, wie die Wiederholungen mit Uwe Kockisch in den dritten Programmen der ARD laufen, so zuverlässig bringt sie jedes Frühjahr einen neuen Roman mit einem Auftrag für Guido Brunetti heraus.

Zunächst muss er seinen Kollegen Alvise aus einer misslichen Lage befreien. Der wurde auf einer Demonstration für gleichgeschlechtliche Liebe verhaftet. Plötzlich hat der kleine, graumäusige Sergente ein Privatleben. Irritiert stellt Brunetti fest, dass er seine Kollegen nur in Uniform kennt und sonst wenig von ihnen weiß. Für das Sexualverhalten anderer interessiere er sich nur bei Ermittlungen, erklärt er seiner Frau. „Wieso das?“, fragt sie scharf zurück. „Und was fügt diese Information dem hinzu, was ihr über einen Menschen wisst?“

2019 traf SZ-Redakteurin Karin Großmann in Dresden die Erfolgsautorin Donna Leon, die öfters an der Elbe weilt.
2019 traf SZ-Redakteurin Karin Großmann in Dresden die Erfolgsautorin Donna Leon, die öfters an der Elbe weilt. © kairospress

Mit Vorurteilen und Klischees setzt sich Donna Leon in ihren Krimis oft auseinander. Auch im jüngsten Fall ist die Sache anders, als sie auf den ersten Blick scheint. Der tote Gärtner im Kanal stammt aus Sri Lanka. Doch er musste nicht wegen seiner Hautfarbe sterben. Ausländerfeindlichkeit oder -kriminalität spielen keine Rolle. Der Mann war zwar am Hoftor eines Palazzos gestrandet und von der Besitzerin aufgenommen worden – „Man ist ja kein Unmensch“ –, nun aber lebte er sein eigenes Leben im Gartenhaus, das er liebevoll wieder herrichtete.

Er verdiente sein Geld mit der Betreuung hilfsbedürftiger Menschen, sprach perfekt Italienisch und gehörte zu den Stammkunden eines Antiquars. Warum er sich für Bücher über Terrorismus interessierte und was es mit einer Sammlung von Zeitungsartikeln und Dokumenten auf sich hat, enthüllt Donna Leon erst allmählich nach allen Regeln der Krimikunst (Übersetzung: Werner Schmitz).

Ihr Buch liest sich wie ein aktueller Kommentar zu den Aktionen der selbst ernannten Letzten Generation. Wie weit darf man gehen in der hehren Absicht, die Welt zu retten? Rechtfertigt der engagierte Kampf gegen den Kapitalismus jeden Preis? Und wo bleibt der politische Enthusiasmus, wenn er der Karriere im Weg steht? Die Autorin gibt mögliche Antworten am Beispiel der Roten Brigaden, die in Italien zwischen 1970 und 1988 agierten.

Aus dem Studentenprotest gegen schlechte Studienbedingungen, autoritäre Universitätsleitungen und den Vietnamkrieg entwickelte sich eine Terrorgruppe. Sie schreckte vor Mord nicht zurück. Im verwilderten Garten des Palazzos fand der Mann aus Sri Lanka ein Fingerknöchelchen. Nach der Lektüre alter Zeitungsartikel ahnte er die Zusammenhänge. Die Gewalt erschütterte ihn. Er habe, so erzählt es der Antiquar, „eine Erklärung gesucht, warum Menschen, die so viele Freiheiten haben wie wir und so reich sind wie wir, auf solche Gedanken verfallen und alles zerstören wollen“.

Wie in vorangegangenen Romanen greift die Autorin in aktuelle Konflikte ein. Sie nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund. In einem Interview kritisierte sie kürzlich die Entfernung rassistischer Begriffe aus Kinderbüchern: „Wir leben jetzt in einer Welt, in der man nichts schreiben darf, was Leser kränkt, überrascht, verletzt, verstört oder in irgendeiner anderen Weise Empfindlichkeiten berührt.“ Dass sie mit ihren 80 Jahren die Zensurspiele mitspielt, ist nicht zu befürchten.

  • Donna Leon: Wie die Saat, so die Ernte. Diogenes Verlag, 314 Seiten, 26 Euro