Premiere im Theater Bautzen: Eine neue Niere ist wie ein neues Leben

Von Jens Daniel Schubert
Hans Albers und Cab Calloway, Madonna und Falco, Udo Lindenberg, Milva sowie mehr als ein Dutzend weitere Größen des Musikgeschäfts haben sich auf einer Bühne versammelt. Was in der Realität die Grenzen von Raum und Zeit verhindern – im Theater ist es möglich. Bautzen zelebriert mit „Bills Ballhaus Band“ diese Möglichkeit als bunte, unterhaltsame Show und wurde dafür schon zur Premiere am letzten Sonnabend mit Standing Ovations gefeiert.
Bautzens Schauspielensemble ist, das war zuletzt beim Sommertheater mit „Addams Family“ schon eindrucksvoll zu erleben, auch musikalisch in Topform. Das ist sicher insbesondere dem hervorragenden Musikchef des Hauses, Tasso Schille, geschuldet. Als leicht angestaubter, einzig übrig gebliebener Bandchef eines zum Abriss verurteilten Ballhauses ist er der Dreh- und Angelpunkt der neuen Show. Er bedient Klavier, Keyboard und Computer und hält die musikalischen Fäden sicher in Händen. Mit seiner Hilfe haben die Schauspielerinnen und Schauspieler die Songs zu singen gelernt: mit ihren je eigenen Mitteln und doch gleichzeitig in der Nachahmung des typischen Interpretationsgestus der Originale. Das ist auch die von Katharina Lorenz meisterhaft gelöste Aufgabe der Ausstattung. Und die Choreografin Anna Weber-Tscherniak hat ganze Arbeit geleistet. Sie verfügt über die Gabe, Originalchoreografien und typische Bewegungsabläufe so zu übersetzen, dass die Schauspieler sie mit ihren Möglichkeiten auf der Bühne präsentieren, gleichzeitig in eine Rolle schlüpfen und doch als Darsteller authentisch sein können.
Dieter Thomas Heck tritt auf
Genau diese Mischung, neben der Faszination von Musik und Licht-Show, ist es, die den Reiz des Abends ausmacht. Man erinnert sich an die Titel, und damit an ein Stück eigener Lebensgeschichte, und bekommt doch eine Verfremdung durch die Art der Interpretation mit. Wenn Fiona Piekarek als Edith Piaf darauf beharrt „Non, je ne regrette rien“, nichts zu bereuen, und sich drei Titel später verführerisch mit Brautschleier, Kegel-BH und Korsage sinnlich und doch „Like a Virgin“ als Madonna präsentiert, dann ist das umwerfend und frappierend. Aber bei einer Aneinanderreihung überzeugend gecoverter Hits bleibt es nicht. Moderator für das „ultimativ letzte Konzert von Bills Ballhaus Band“ ist Jan Mickan in der Maske von Dieter Thomas Heck. Erdacht und in Szene gesetzt hat es Wolf-Dieter Gööck. Bekanntermaßen bürstet er mit Witz und Charme bekannte Stücke gegen den Strich, zeigt Theater herzhaft komisch und augenzwinkernd doppelsinnig.
Wenn er Thomas Ziesch „Minnie the moocher“ („Hi-de-hi-de-hi-di-hi!“ für alle zum Nachsingen) präsentieren lässt, wird daraus die Story einer Kinderkrippenliebe. „Eine neue Liebe“ wird schnell mal zu „Eine neue Niere“, „Red red Wine“ von Bob Marley mutiert zu einem Lehrsong übers richtige Zähneputzen mit „Red red withe“, der verbreiteten DDR-Zahncreme „Rot-Weiß“. In der Zugabe schließlich verwandelt sich der süße „Lollipop“ zum „Ladekabel“, ohne das rein gar nichts mehr geht.
Spaß auf Kosten von Max Raabe
Gööck zeigt in den typischen Show-Ablauf integrierte kleine szenische Spitzen, die aus der Revue einen manchmal geradezu tiefsinnigen Theaterabend machen. Max Raabe, hier präsentiert durch Julia Klinger, singt, dass er alles selber kann. Außer beim Küssen, denn das kann man nicht alleine. Die beiden Kollegen stellen ihm ein viel zu hohes Mikrofon hin, dann bringt einer eine Hitsche, während der andere das Mikro verkleinert … und ohne Hilfe geht eben gar nichts. Spannend ist, wie er István Kobjela als Milva inszeniert, wie bei ihm Computerliebe funktioniert oder er Trios „DaDaDa“ mit Thomas Ziesch und Anna-Maria Brankatschk aufbricht. Zu Gundermanns „Immer wieder wächst das Gras“ kommen schließlich alle auf die Bühne. Sie haben an diesem Abend individuelle Klasse und mitreißenden Teamgeist, der letztendlich den kurzfristigen Ausfall von Larissa Ruppert kompensierte, gezeigt. Mitreißend!
Termine: 26. 9., 1., 19. und 21. 10., 24. 11., 10. 12. und 10. 3. 2024; Kartentel. 03591 584225