Erstmals spukt der Fliegende Holländer in Rathen

Von wegen, die Musik von Richard Wagner ist zu schwer und nur was für Hardcore-Fans. Ein Stieglitz jedenfalls fühlt sich dieser Tage geradezu animiert, Melodien wie „Steuermann, lass die Wacht“ und „Summ und brumm, du gutes Rädchen“ und „Johohoe! Johohohoe!“ mitzupfeifen. Er begleitete derart die Musiker und Sänger, die auf der Felsenbühne Rathen die Oper „Der fliegende Holländer“ proben.
Diese Begleitung ist schon ungewöhnlich. Zwar sind die Vögel im Wehlgrund geübt, bei den Rathener Dauerbrennern wie „Freischütz“ und „Carmina burana“ mitzupfeifen. Wagner freilich ist eine ganz neue Erfahrung. Der Meister des deutschen Musikdramas erklang hier noch nie. Premiere ist am Sonntag – als vierte der erstmals als Felsenbühnen-Festspiele von den Landesbühnen Sachsen durchgeführte Rathener Sommersaison: nach „West Side Story“, „Das kalte Herz“ und „Jedermann“.

Nur, wer kommt auf die Idee, den auf den Meeren ohne Rast segelnden Holländer zwischen Sandsteinen anlegen zu lassen? Die Idee gibt es schon lange, denn die Oper ist populär und es wird mehrfach von Felsen und Klippen gesungen. Zudem ist es quasi Wagners Gespensteroper und passt daher gut auf die Bühne, wo Webers Gespensteroper „Freischütz“ Erfolge feiert. Und der „Holländer“ von 1843 ist eben noch nicht der spätere, mit unendlichen Melodien narkotisierende Wagner, sondern ziemlich nah an Weber und Zeitgenossen.
Bislang freilich fehlte es an Künstlern, die diese trotzdem heikle Musik trefflich interpretieren können. Wagner-erfahrene Sänger wie der Bass-Bariton Paul Gukhoe Song gibt es im Ensemble. Aber die Musiker der zur Elbland Philharmonie Sachsen fusionierten Orchester des Elbtals waren noch nicht so gut, um den Sound zu treffen. Mittlerweile sind sie es unter ihrem opern-affinen Chefdirigenten Ekkehard Klemm geworden. Noch laufen die Proben. Was da unter dem akustisch helfenden Orchesterpavillon der neuen Bühne zu vernehmen ist, klingt ziemlich ansprechend.
Zumal sie die erste Fassung der Oper spielen. „Klar, dass wir die Dresdner Urfassung von 1843 spielen und nicht die später veränderte“, so Klemm. Bei der höre er viel heraus, was ab 1865 die Oper „Tristan und Isolde“ so verführerisch mache. „Das passt aber nicht zum ,Holländer’.“
Nicht nur die Musiker sind Neulinge auf dem Gebiet. Die neue Operndirektorin der Landesbühnen, Kai Anne Schuhmacher, stellt sich erstmals mit einer Inszenierung vor. Respekt vor dem Mut der jungen Frau. „Die Felsenbühne ist ein faszinierendes Podium – aber man kann mit nichts wirklich kalkulieren. Natur, Licht und Wetter sind ständig anders – eine Herausforderung“, sagt sie.
Zumal sie bei Tageslicht proben, aber viele Lichteffekte erst überzeugend wirken, wenn es dunkel ist. Schumacher erzählt ihre erste Wagner-Inszenierung stark aus der Sicht der den verfluchten Holländer erlösenden Senta. Die Premiere wird zeigen, ob dieser Überbau funktioniert. Interessant kann auch die Neubewertung des Holländers in einer quasi Doppelrolle sein: zum einen als Geschäftsmann und zum anderen als Gespenst.

Darsteller Paul Gukhoe Song jedenfalls meint, „zwei verschiedene Charaktere in Sentas Fantasie darzustellen, ist sehr interessant und gibt mir die Freiheit, die traditionelle und etwas stilisierte Figur des Holländers auszudrücken“. Dadurch konzentriere er sich mehr darauf, die Schönheit seiner Rolle und deren innere Einsamkeit und Sehnsucht auszudrücken. Und er hat wahrlich Schönes zu singen: Schon sein Antrittsmonolog „Die Frist ist um, und abermals verstrichen sind sieben Jahr“ ist großes Kino. Ebenso sein Abschied: „Verdammt bin ich zum gräßlichsten der Lose, zehnfacher Tod wär mir erwünschte Lust!“
Doch wie singen sich solche sehr wohl schweren Weisen auf jener Bühne, wo es tags teils zu heiß, abends teils ziemlich kalt sein kann – von Regen abgesehen. „Jeder, der hier gesungen hat, wird diese Bühne immer lieben. Die überwältigenden felsigen Berge, der gelegentliche Windwechsel und die unnachahmlichen Geräusche der Natur passen gut zum Charakter eines starken Mannes namens Holländer und machen unsere neue Bühne bunter.“
Okay, aber was ist mit den Schiffen, auf denen teilweise die Handlung spielt? Die Elbe ist ja fern. Ralph Zeger, neuer Ausstattungsleiter des Theaters, hat wie schon bei anderen Festspiel-Produktionen eine überzeugende, abstrahierende Bühne gebaut. In dem Fall ein angeschlagenes Schiff, das durch die in der Musik zu hörenden peitschenden Wogen Schaden genommen hat.Wie überhaupt die musikalisch eindrückliche Darstellung der Naturgewalten charakteristisch ist. Klemms Streicher lassen hohe Wogen an die zerklüftete norwegische Küste donnern, Unwetter und Blitze werden durch Blechbläser, vor allem Posaunen und Trompeten interpretiert. Es braucht also kein Gewitter von oben.
Wettermann Jörg Kachelmann jedenfalls sagt für Sonntag keinen Regen, keine Hitze voraus: Top-Bedingungen für Auftritte von Senta und Holländer, für schönste Gesänge von Stieglitz, Blaukehlchen & Co.
"Holländer"-Service
- "Holländer“-Aufführungen sind am 21., 23., 24., 26. und 27. August sowie am 1., 2. und 4. September geplant. Karten gibt es u. a. an der Theaterkasse der Landesbühnen in Radebeul, telefonisch unter 0351 8954214 sowie an der Theaterkasse Rathen, die vier Stunden vor der Vorstellung öffnet.
- Im Rahmen der „Holländer“-Aufführungen kooperieren die Landesbühnen mit den Richard-Wagner-Stätten Graupa, von denen Sonderführungen inklusive Werkeinführung angeboten werden: am 23. und 26. August sowie 2. September je 14.30 Uhr sowie am 1. September 11 Uhr zu Ticketpreisen von 12 € (ermäßigt 8 €). Die Dauer der Führungen beträgt eineinhalb Stunden.