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Es sind unsere Rundfunkgebühren, also macht was draus

Der Skandal beim RBB ist ein Warnsignal für die Öffentlich-Rechtlichen. Es ist Zeit für eine ehrliche Debatte - auch über die Frage, ob wir Rundfunkgebühren überhaupt noch brauchen.

Von Marcus Thielking
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Rundfunkgebühren verpflichten, meint Sächsische.de-Redakteur Marcus Thielking.
Rundfunkgebühren verpflichten, meint Sächsische.de-Redakteur Marcus Thielking. © dpa

Wäre das Ganze ein Drehbuch für einen Fernsehfilm, dann würde man wohl nach einer halben Stunde abschalten: allzu plumpe Klischees, völlig übertriebene Darstellung, unglaubwürdige Handlung. Aber die Vorwürfe sind leider real. Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, soll jedes Maß verloren haben: ausufernde Kosten für eine Chefetage mit edlem Parkett und automatisch bewässerter Wand-Bepflanzung, üppige Gehaltserhöhungen und Boni, angebliche Verquickung von beruflichen und privaten Interessen, noble Gäste-Empfänge und Weingelage in ihrer Privatwohnung auf RBB-Rechnung – und nicht zuletzt der Luxus-Dienstwagen vom Typ Audi A8 zum Listenpreis von 145.000 Euro, inklusive Massagesitze, und dazu zwei Chauffeure.

Das alles klingt eher nach einer schlechten Soap im Privatfernsehen. Doch die Handlung spielt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und da wird es politisch. Das mit Gebühren finanzierte System steht seit Jahren in der Kritik. Diese kommt nicht nur von Populisten, die vor allem ein Problem mit kritischem Journalismus haben, wenn er sie selbst betrifft. In vielen Bereichen der Gesellschaft wird gespart, zugleich hat sich die Medienwelt durch das Internet radikal verändert. Es ist längst an der Zeit, ohne Tabus über Sinn und Unsinn einer Institution zu diskutieren, die aus der Zeit der Röhrenfernseher stammt.

Brauchen wir noch Rundfunkgebühren?

Zwar ist die hitzige Berichterstattung über den RBB-Skandal ein misslicher Anlass für eine sachliche Debatte. Juristisch gilt zunächst die Unschuldsvermutung. Auch moralisch ist die Lautstärke der Empörung arg übertrieben. Als ob Chefetagen sonst mit Möbeln vom Dänischen Bettenlager eingerichtet wären oder Top-Manager üblicherweise einen Fiat Panda als Dienstwagen hätten.

Dennoch ist klar, dass nach dem Rücktritt Schlesingers die Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk energischer wird. Die Sender sollten sich jetzt bloß nicht wegducken, sondern der Debatte stellen, selbstbewusst und selbstkritisch.

Die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger ist nach Vorwürfen von Verschwendung und Vetternwirtschaft zurückgetreten.
Die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger ist nach Vorwürfen von Verschwendung und Vetternwirtschaft zurückgetreten. © dpa

Zu einer offenen Aussprache gehört auch die Frage, ob wir Rundfunkgebühren überhaupt noch brauchen. Frankreich hat sie gerade abgeschafft, etliche Länder in Europa haben andere Wege der Finanzierung gefunden. Was Gegner der Gebühren jedoch oft verschweigen: Auch die Alternativen haben Nachteile. Ein privater Rundfunk bietet weniger Informationen und Wissen, dafür mehr nervige Werbung. Werden die Sender über Steuern finanziert, macht sie das direkt abhängig vom Staat und der regierenden Mehrheit – genau das sollen zweckgebundene Gebühren verhindern.

Die AfD fordert ein freiwilliges Modell: Nur wer bezahlt, kann auch empfangen. Doch wenn nicht mehr alle zusammen solidarisch zahlen, führt das zu höheren Beiträgen für die einzelnen Nutzer. Das grenzt Geringverdiener vom Programm aus.

Krisen-Nachrichten auf hohem Niveau

Wenn der Fall Schlesinger noch mal eines deutlich gemacht hat, dann dies: Öffentliche Sendeanstalten wie ARD, ZDF und Deutschlandfunk werden von uns allen bezahlt, mit unseren Gebühren. Umso verantwortungsvoller müssen sie mit jedem Cent umgehen, und umso größer ist ihre Verpflichtung, für alle Bürgerinnen und Bürger da zu sein.

Es wäre jedoch ungerecht, den Sendern pauschal einen Hang zur Geldverschwendung oder zur Abgehobenheit zu unterstellen. Zunehmenden Spardruck und rigide Kostenkontrolle kennen auch Rundfunkjournalisten nur zu gut. Dabei war es gerade in den letzten Monaten, geprägt von schweren Krisen wie Corona und Krieg, oft bewundernswert, auf welch hohem Niveau man sich durch öffentlich-rechtliche Nachrichten informieren konnte.

Es braucht jetzt Transparenz und Kontrolle

Und doch hat sich in den großen Sendestalten, zumindest in manchen Bereichen, im Lauf der Jahrzehnte eine Wagenburgmentalität entwickelt, gegen die im RBB-Fall auch die Kontrollinstanzen – Rundfunk- und Verwaltungsrat – nicht immun waren. Man kennt sich, man trifft sich, man fühlt sich gemeinsam wichtig. Das alles ist nicht verwerflich, sondern ganz menschlich. Doch bei einer Reform der Öffentlich-Rechtlichen müssen Transparenz, Gewaltenteilung und funktionierende Kontrolle jetzt ganz oben stehen.

Rundfunkräte zum Beispiel tagen zwar nicht im Geheimen, die Protokolle kann jeder nachlesen – aber wer bekommt das als normaler Bürger schon mit? Die Arbeit dieser unabhängigen Kontrolleure muss besser beworben und verbreitet werden. Auch Mitbestimmungsrechte des Publikums sollten kein Tabuthema sein, nur weil es im Grundsatzprogramm der AfD steht. Mitsprache könnte die Akzeptanz wieder stärken.

Man sollte die Diskussion nicht den Populisten überlassen, solange es um sachlich berechtigte Fragen geht: Warum bekommt die Intendantin des MDR mehr Gehalt als Sachsens Ministerpräsident? Und nein, es muss nicht gleich ein selbst aufgebautes Ikea-Regal im Intendantenbüro oder ein Fiat Panda als Dienstwagen sein. Aber wieso reicht nicht ein gut ausgestatteter Mittelklassewagen? Selbst der Papst lässt sich im Ford Focus durch Rom chauffieren. Billige Symbolik? Mag sein. Aber wenn es die Allgemeinheit bezahlt, geht es auch um das Beispiel, das Führungspersönlichkeiten abgeben. Massagesitze gibt’s übrigens schon in der Kompaktklasse. Aufpreis knapp 1.000 Euro.