Von Uwe Salzbrenner
Auf fünf Fensterbänken, innen hinter der Scheibe, liegen Fotografien, die meist eine junge Frau zeigen, aber auch Nahansichten von Körperteilen und menschenleere Räume. Die Motive werden je nach Speicherchemie zugleich festgehalten und entrückt: Da gibt es Fotos auf Glasplatten und Röntgenfilm, Abdrucke von frisch belichteten Polaroids, Polaroid eingescannt und als Druck wieder auf Glas abgerieben, auch grün verfärbten Film. An der linken Wand hängen Drucke – man darf vermuten, dass sie nicht auf Gemälden beruhen mit ihren satten, aufgerissenen Farbflächen. Auf dem Fußboden liegt blau gefärbtes Papier mit Strukturen, die ebenfalls fotochemisch entstanden sind; steht ein Gestell mit schwach beleuchteten Glasscheiben. Sieht man da nicht auch ein Bild? Ein zweites Funzellicht mit Glas sieht wie ein Lagerfeuer aus, darüber Rahmenecken, als hätte man Holz nachgelegt. Hinten links ein helleres Kabinett mit schwarzweißen Drucken – die offenbaren, wenn man genauer hinsieht, eine Schallplatte als Form. Der Betrachter muss nahe an die Fenster heran, sonst kämpft er mit seinem Spiegelbild.
Diese Atelier-Installation in einem geschlossenen Ausstellungsraum hat Georg Schatz eingerichtet – 1982 in Kiew geboren und zurzeit Student an der Hochschule für bildende Künste Dresden in der Klasse von Carsten Nicolai. Zuvor hat er am Niederrhein eine Druckerlehre abgeschlossen, in Australien im Messebau gearbeitet und später ein paar Semester soziale Arbeit, Kultur- und Medienpädagogik sowie bildende Kunst mit Lehramtsoption studiert. Auf seiner Webseite steht als Statement der Hinweis auf ein Buch aus dem Jahre 1913. Das besagt, dass nach dem Erscheinen neuer Medien die bereits etablierten nicht vollständig verdrängt werden – sie werden anders eingesetzt. Wenn Schatz jetzt historische Fotoverfahren vorführt und dazu noch die Schallplatte, allerdings zweckentfremdet, demonstriert er die Richtigkeit dieser These für die Kunst.
Ab Nachmittag arbeiten zusätzlich vier Diaprojektoren, von denen drei durch ihre Leinwand hindurch bis auf die Straße strahlen. Man sieht Rom, Berlin, leere Plätze. Dann werden auch sämtliche Lampen im Raum angeschaltet. Doch die Anmutung einer Höhle verschwindet nicht. Georg Schatz hat, wie er sagt, gern wenig Licht auf den Bildern, damit die Erscheinungen unbestimmt und fragmentarisch bleiben. Bei den Polaroids hat oft schon die Alterung des Materials den nötigen Zauber geschafft: Die gesamte Fläche ist verfärbt, es gibt Beschädigungen beim Aufreißen – und dies bestimmt dann das Bild oder die Serie. Manchmal macht Schatz kleine Fotos größer, die Motive dadurch durchlässiger. Und er lässt einen in der Verdunklung den Lockdown doppelt spüren. Sonst könnte man sich ja alles genau anschauen. Und hätte noch mehr Fragen, wie es sich gehört.
Schatz‘ Atelier im Forum für zeitgenössische Fotografie Dresden, Kamenzer Straße 19, ist bis zum 16. März zu sehen. Licht und Diaprojektion täglich 16 – 22 Uhr. www.fotoforumdresden.de/termine.