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Neue Gedenkstätte in Großschweidnitz erinnert an NS-Krankenmorde

Nach zwei Jahren Bauzeit ist im ostsächsischen Großschweidnitz ein Gedenk- und Lernort entstanden. Jetzt wird er eingeweiht.

Von Thilo Alexe
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Die Gedenkstätte in Großschweidnitz ist ab Sonntag für die Öffentlichkeit zugänglich.
Die Gedenkstätte in Großschweidnitz ist ab Sonntag für die Öffentlichkeit zugänglich. © Matthias Weber (Archiv)

Sie sind ein dunkles Kapitel in einer ohnehin dunklen Zeit: die nationalsozialistischen Krankenmorde. Allein in der damaligen Landesanstalt im ostsächsischen Großschweidnitz starben mehr als 5.500 Menschen – weil sie überdosierte Medikamente erhielten, kein Essen bekamen oder nicht gepflegt wurden. Es ging um Männer, Frauen und Kinder mit psychischen Erkrankungen oder geistigen Einschränkungen. In der NS-Ideologie galten sie als „minderwertig“ und „nutzlose Esser“.

„Wir alle haben die Pflicht, dass diese ungeheuerlichen Verbrechen nicht vergessen werden“, betont Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Der Regierungschef kommt am heutigen Samstag zur Einweihung der Gedenkstätte Großschweidnitz. Nach zwei Jahren Bauzeit und mehrjähriger Planung ist sie ab Sonntag für die Öffentlichkeit zugänglich.

Der Erinnerungsort zählt zur Stiftung sächsische Gedenkstätten. Es ist das erste Mal, dass die 1994 ins Leben gerufene Stiftung eine neue Einrichtung in ihre Trägerschaft aufnimmt. Die Stiftung verweist dabei auf die Initiative des Vereins Gedenkstätten Großschweidnitz, der bereits vor sieben Jahren ein Konzept vorlegte. 2020 wurde die Übernahme der Stätte in die Stiftung beschlossen, ein Jahr später besiegelte Sachsens Regierungskabinett diese Entscheidung.

Nach gut zweijähriger Bauzeit wird die Gedenkstätte Großschweidnitz in Ostsachsen am Samstag (13. Mai) als moderner Erinnerungsort der Opfer des NS-Regimes eingeweiht.
Nach gut zweijähriger Bauzeit wird die Gedenkstätte Großschweidnitz in Ostsachsen am Samstag (13. Mai) als moderner Erinnerungsort der Opfer des NS-Regimes eingeweiht. © Gedenkstätte Großschweidnitz

Die Stiftung erinnert, wie es offiziell heißt, „an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur und der kommunistischen Diktatur in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR“. Sie betreibt mehrere Gedenkstätten, unter anderem in Dresden und Pirna. Bislang konnten in Großschweidnitz nach Absprachen Führungen angeboten werden, jetzt stehen Eröffnung und regelmäßiger Betrieb an.

Wer litt in der Anstalt? In einer Heftreihe zeichnet die Stiftung die Lebenswege von Menschen nach, die im Nationalsozialismus aufgrund einer Krankheit diskriminiert, verfolgt und schließlich ermordet wurden. Zu ihnen zählt Ksenia Sarafanowa. Die 1920 geborene Russin leistete als sogenannte „Ostarbeiterin“ Zwangsarbeit in Dresden. 1944 kam sie aufgrund einer psychischen Erkrankung zunächst in die Pflegeanstalt Arnsdorf, dann nach Großschweidnitz. Aussicht auf schnelle Genesung bestand nicht. Ksenia Sarafanowa lebte nur zwei Wochen in Großschweidnitz. Dann wurde sie umgebracht. Die junge Frau gilt als Opfer der sogenannten Medikamenteneuthanasie.

Mehr als zwei Millionen Euro Fördergelder

Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) ist Vorsitzende des Stiftungsrates. Sie hebt das gemeinschaftliche Engagement von Bürgerschaft, Wissenschaft, Museen, Gedenkstätten und Politik hervor. Die auf einem Friedhof gelegene Gedenkstätte soll nach Stiftungsangaben Raum für Bildungsarbeit bieten und mit der Dauerausstellung über die NS-Krankenmorde aufklären.

Zusammen mit der ebenfalls von der Stiftung betriebenen Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein bildet sie einen fachlichen Verbund. Mehr als 2.000 Menschen kamen von Großschweidnitz in die damalige Tötungsanstalt. In den Jahren 1940 und 1941 ermordeten die Nationalsozialisten auf dem Sonnenstein mehr als 13.700 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen. Sie wurden in einer Gaskammer im Anstaltskeller umgebracht.

Auf dem Friedhof in Großschweidnitz erinnert ein Gedenkstein an Getötete, zudem sollen Namenstafeln dem Vergessen entgegenwirken. Saniert und um einen Neubau erweitert wurde das ehemalige Pathologiegebäude. Bund und Freistaat förderten das Projekt mit mehr als zwei Millionen Euro. Die wissenschaftliche Referentin der Gedenkstätte Großschweidnitz, Maria Fiebrandt, formuliert vorab eine Erwartung: „Ich hoffe, dass dieser Erinnerungsort auch ein lebendiger Lernort wird.“