Feuilleton
Merken

Großmutter mit Freude und Leidenschaft

Dagmar Manzel über ihre Rolle in dem Film "Ein großes Versprechen" und die Arbeit mit Rolf Lassgård, übers Altwerden und Eitelkeiten.

 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Dagmar Manzel
Dagmar Manzel © PA/Gerald Matzka

Von Andre Wesche

In der DDR war sie ein aufstrebender Bühnen- und Filmstar, spätestens mit "Schtonk!" kam sie auch im wiedervereinigten Deutschland an: Dagmar Manzel ist gefragt, wenn Figuren Seele brauchen. Im Kinofilm "Ein großes Versprechen" spielt die 63-Jährige die an multipler Sklerose erkrankte Juditha, die der Pensionierung ihres Lebenspartners Erik, gespielt von Rolf Lassgård, mit Ungeduld entgegensieht. Aber der Uni-Professor kann nur schwer loslassen. Ausgerechnet jetzt macht die Krankheit einen Schub.

Frau Manzel, wollten Sie diese Figur spielen, weil Sie die Frau aus dem Drehbuch kannten oder weil Sie sie gern kennenlernen wollten?

Ich habe das Drehbuch gelesen und mir war sofort klar, dass ich das spielen muss. Die Geschichte hat mich sehr tief berührt. Als ich erfahren habe, dass Regisseurin Wendla Nölle schon mit Rolf Lassgård im Gespräch war, war das sowieso klar. Er ist für mich einer der interessantesten, spannendsten und wunderbarsten Schauspieler überhaupt. Es war für mich ein großes Glück, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Können Sie als Vollprofi Nähe zu jedem Spielpartner herstellen oder hilft es, wenn man sich auch menschlich gut versteht?

Es ist ein unglaublich großes Geschenk, wenn man einem so wunderbaren Schauspieler begegnet. Wir haben uns angesehen, angefangen zu spielen, und es war sofort eine solche Intensität, eine solche Nähe und Sympathie da. Das ist natürlich ein doppeltes Geschenk, wenn man mit einem Kollegen zusammenarbeitet, der ein Weltstar ist. Und dazu ist er privat so offenherzig, so freudig und neugierig auf die Partnerin, mit der er zusammenspielt. Wir haben vier Wochen fast jeden Tag miteinander gedreht. Das war eine sehr intensive, wunderbare Zeit – eine meiner schönsten Filmarbeiten, obwohl es mir vom Thema her manchmal sehr nahe ging.

Bei der Premiere des Films "Ein großes Versprechen": Dagmar Manzel und Rolf Lassgard dkommen zu der Berlin-Premiere von ·Ein großes Versprechen· im Kino Delphi Lux. Foto: Gerald Matzka/dpa - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes ZB-Funkregio Ost +++ Z
Bei der Premiere des Films "Ein großes Versprechen": Dagmar Manzel und Rolf Lassgard dkommen zu der Berlin-Premiere von ·Ein großes Versprechen· im Kino Delphi Lux. Foto: Gerald Matzka/dpa - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes ZB-Funkregio Ost +++ Z © dpa

Haben Sie sich zur Vorbereitung intensiv mit dem Krankheitsbild ihrer Figur auseinandergesetzt?

Das musste ich nicht, weil einer meiner besten Freunde eine ähnliche Krankheit hatte und ich das über 25 Jahre mitbegleitet habe. Ich habe einfach nur die Augen geschlossen und mich erinnert. Ich hatte alles in mir, das war für mich ganz unmittelbar und nah. Ich wollte die Rolle auch spielen, weil ich so noch mal auf eine andere Weise von diesem wunderbaren Menschen Abschied nehmen konnte.

Ist das Ende eines selbstbestimmten Lebens für Sie eine Horrorvorstellung?

Es kommt darauf an, wie und in welchem Verbund man lebt und was man für eine Lebenseinstellung hat. Ich hoffe, dass ich immer genug Kraft, Energie und Optimismus habe, um die Dinge positiv zu sehen und mich dem stellen zu können. "Ein großes Versprechen" ist für mich auch ein ganz positiver Film. Ein Liebesfilm, der zeigt, wie die beiden, obwohl sie schweren Proben ausgesetzt sind, lernen, mit Bedacht aufeinander Rücksicht zu nehmen und zu kommunizieren. Ich fand so stark an diesem Film, dass er einem Kraft gibt. Juditha nimmt diese Krankheit am Anfang gar nicht an und tut sie als albern ab. Sie muss schmerzhaft begreifen, dass ihr Mann körperlich und häuslich überfordert ist und dass sie ihre persönliche Freiheit erst finden und ihre Liebe retten können, wenn sie sich ihre gegenseitigen Ängste und Wünsche eingestehen und damit umgehen lernen. Das ist für mich eine starke Lebensgeschichte.

Christian Schwochow sagt: "Dagmar spielt jedes Mal um ihr Leben." Ist die Schauspielerei Ihr Leben?

Sie hat einen ganz großen Platz in meinem Leben. Ich mache jetzt vorwiegend Musiktheater, ich drehe gar nicht so viel und bin jetzt seit 18 Jahren an der Komischen Oper Berlin. Ich merke schon, dass mich das sehr prägt und dass das auch mein Leben bestimmt. Diesen Spagat zu schaffen, auf der einen Seite intensiv leben zu wollen und auf der anderen Seite diesen Beruf mit voller Leidenschaft auszuüben, ist manchmal schwierig. Aber das Wichtigste in meinem Leben sind natürlich meine Familie, meine Kinder und meine Enkelkinder. Da gibt es auch Disbalancen, die Rollen verlangen einem sehr viel ab. Dann muss die Familie auch mal zurückstecken. Und ich natürlich auch, mit dem, was ich noch so für mein Leben möchte. Bei einer Vorbereitung auf eine Opernvorstellung ist der ganze Tag für mich besetzt. Ich halte mich an bestimmte Rituale, damit man die Kraft hat, so einen Abend zu stemmen. Dieser Beruf ist meine geistige, seelische und körperliche Herausforderung und Erfüllung.

Können Sie die Hände auch mal in den Schoß legen?

Entspannen kann ich auch, aber meine Form von Entspannung ist immer Bewegung. Ich laufe, mache etwas im Garten oder fahre an die See. Fürs Dasitzen bin ich nicht so der Typ. Das gehört auch dazu, um Reserven und Energien gut zu speichern. Trotzdem freue ich mich auf die Rente und werde sicherlich auch kürzertreten. Ich werde nicht aufhören, weiter als Schauspielerin oder Sängerin zu arbeiten und meine Vorstellungen an der Oper oder im Theater zu spielen. Aber nicht mehr in diesem wahnsinnig engen Programm, das ich zurzeit habe.

Als Michael Caine das erste Drehbuch zugesandt bekam, in dem er nicht mehr den Liebhaber, sondern den Vater des Liebhabers spielen sollte, hat er vor Schreck eine lange Pause eingelegt. Sind das Umbrüche im Leben einer Schauspielerin: die erste Rolle als Mutter, die erste Rolle als Großmutter?

Ich habe noch keine Großmutter gespielt, obwohl ich schon Großmutter bin, mit absoluter Leidenschaft und Freude. Es kommt immer darauf an, wie derjenige zum Älterwerden steht, wie er es zulässt oder auch nicht zulässt, wie er dagegen ankämpft, wie er darunter leidet, wie er es verdrängt oder es einfach hinnimmt. Für mich ist das kein Thema. Meine Haare sind jetzt eben nicht mehr blond, sondern haben viele graue Strähnen. Ich finde das sogar schön. Darum werde ich sicherlich kein Problem damit haben, wenn ich mal eine Oma angeboten bekomme. Dazu bin ich, glaube ich, zu uneitel. Ich bin auf der Bühne und beim Arbeiten eitel genug, weil ich das für meine Rolle brauche. Aber privat interessiert mich das, ehrlich gesagt, nicht so sehr. Und ich möchte mich nie zum Hungerhaken fasten oder mich ständig spritzen lassen. Das kann jeder machen, wie er will, ich beurteile oder verurteile das gar nicht. Aber es interessiert mich überhaupt nicht.

Dagmar Manzel spielt im Franken-Tatort die Kriminalhauptkommissarin Paula Ringelhahn. Ihr Partner ist Kriminalhauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs).
Dagmar Manzel spielt im Franken-Tatort die Kriminalhauptkommissarin Paula Ringelhahn. Ihr Partner ist Kriminalhauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs). © BR/Bildmanagement

Stimmt das Klischee, dass Schauspieler am häufigsten auf ihre Rolle im "Tatort" angesprochen werden?

Ich werde gar nicht so viel angesprochen. Ich glaube, dass man in Berlin-Brandenburg da ein wenig zurückhaltender ist. Wenn wir in Franken drehen, werden wir öfter angesprochen, weil die natürlich den Franken-Tatort lieben und schauen. Ich merke, dass manche Leute mich erkennen, aber nichts sagen. Das finde ich angenehm. In Schweden kannst du mit Rolf Lassgård! nicht einen Meter laufen, weil ständig Leute kommen. Er macht das mit einer Ruhe, einer Höflichkeit und Zuvorkommenheit, für die ich ihn wirklich bewundere. Aber ich möchte das nicht.

Waren Sie ein wenig besorgt, als Ihre Tochter Klara in Ihre beruflichen Fußstapfen getreten ist?

Nein, ich habe sie dabei unterstützt und mit ihr sogar zusammen gespielt, in "Besuch für Emma". Ich habe das sehr genossen. Sie kannte auch die Schattenseiten des Berufes. Sie ist dann in die Schweiz gegangen, hat da ihre große Liebe gefunden und einen neuen Beruf ergriffen, mit dem sie sehr, sehr glücklich ist. Sie ist Lehrerin.

Haben Sie angesichts von Krisen und Krieg noch Hoffnung und Gottvertrauen?

Eine Hoffnung habe ich natürlich und Gottvertrauen sowieso. Was mich aber viel mehr beschäftigt, ist, was für eine Welt wir unseren Kindern und Enkelkindern hinterlassen. Wir sind in einer friedvollen Zeit geboren und konnten in ihr leben. Meine Mutter mit ihren 91 Jahren sagt, was sie jetzt noch mal erleben muss, dass es in Europa einen Krieg gibt, hätte sie sich nie vorstellen können. Es ist so unmittelbar, so nah. Einfach zu sehen, wie Menschen umkommen, wie ganze Landstriche zerstört werden und man um sein Leben rennen muss. Die Welt ist so schön und so reich, kein Mensch müsste hungern. Doch es gibt um uns herum eine Katastrophe nach der anderen, und das macht mich manchmal so traurig und hilflos. Ich habe ein schönes Leben, aber wie hinterlasse ich meinen Kindern und Enkelkindern diese Welt? Das fühlt sich überhaupt nicht gut an.