Sturm auf den Schanzenberg

Die Hose des Gefreiten Steffen Schaller von der sächsischen Leichten Infanterie ist mit Flicken übersät, weil kampferprobt: Austerlitz, Leipzig, Waterloo – überall war sie dabei. Heute aber wird Schaller keinen Pulverdunst abkriegen. Als Organisator des Hohnsteiner Napoleonbiwaks kämpft er zwar an vielen Fronten, aber nicht auf dem Schlachtfeld. Muss er auch nicht, sagt er. Die Akteure kennen sich seit Jahren. Sie sind wie eine große Familie. „Das wird ordentlich funktionieren.“

Im Jahr 1813 mischt sich die Gegend um Hohnstein in die Weltgeschichte ein. Napoleon hat die Verbündeten bei Dresden geschlagen. Jetzt will er den abziehenden Preußen und Russen den Weg nach Böhmen abschneiden, indem er die Truppen seines Generals Vandamme aus dem Neustädter Raum über die Elbe wirft. Das daraufhin entbrannte Gefecht auf der Hochebene bei Krietzschwitz liefert das Vorbild für den Schaukampf Samstagnachmittag an der Hohnsteiner Napoleonschanze.
"Alle sind heiß wie die Bügeleisen"
Angereist sind etwa 40 Vereine und Interessengruppen aus dem Sektor der Napoleonik. Das Biwak gehört zu den ersten derartigen Veranstaltungen nach der Corona-Pause. Lange habe man nicht einschätzen können, ob das Treffen möglich sein würde, sagt Steffen Schaller. Dass es nun doch geklappt hat, freut jeden, egal welche Uniform er anhat. Der Leipziger Friedhardt Höhn, in dessen sächsischer Regimentsküche schon zwanzig Liter Gulasch blubbern, bringt es auf den Punkt: „Alle sind heiß wie die Bügeleisen.“

Die Napoleonschanze, 362 Meter über Meeresniveau, ist der höchste Punkt von Hohnstein, weshalb der Franzosenkaiser hier ein Verteidigungswerk bauen ließ. Gekämpft wurde damals an dieser Stelle nicht. Heute aber schon. Eine Wiese an der Südflanke, 500 Meter lang, wird zum Aufmarschgebiet von etwa 350 Darstellern. Infanterie, Artillerie, Jägertruppe, sogar berittene Kämpfer, bei kleineren Events wie diesem eher selten, treten zur Schlacht vor etwa 300 Zaungästen an. Organisator Schaller freut sich: „Ich habe alles dabei.“

Die Sachsen und Franzosen marschieren ab, zum unteren Wiesenrand, in den Schutz des Waldes, um sich zum Kampf zu ordnen. Hagen Leißner alias Major Franz Dressler von Scharfenstein, Königlich Sächsische Leibgrenadiergarde, marschiert mit. Auch wenn er seine Leute gleich antreiben wird, Preußen, Russen und Österreichern an die Gurgel zu gehen: Nachher, am Lagerfeuer, werden alle friedlich beisammen sitzen. Das Hobby, sagt er, stärkt die Freundschaft zwischen den Völkern. „Dafür brauchen wir keine Politiker“, sagt er. „Das machen wir selber, aus Überzeugung.“

Auf der Gegenseite bringt Major Thomas Grösch, Königlich Preußische Gardeartillerie zu Fuß, eine Feldschlange in Stellung, originalgetreu nachgebaut in der Eisengießerei von Torgelow. Seine Einheit ist dreifacher deutscher Vizemeister im Scharfschießen. Auf Übungsplätzen der Bundeswehr werden tatsächlich Kugeln in die alten Geschütze gesteckt. Heute laden die Kanoniere nur Schwarzpulverpackungen. Der Lärm ist auch ohne Geschoss furchterregend. Die Zuschauer werden um vierzig Meter Mindestabstand gebeten.
Kapitän Johannes Brenneisen, heute Anführer der preußischen Infanterie, erscheint, um mit dem Artillerie-Major den Schlachtplan zu besprechen. Beide sorgen sich wegen der feindlichen Reiterei. „Wir müssen aufpassen, dass die uns nicht in den Sack stecken“, sagt Grösch. Plötzlich nehmen die zwei Haltung an. Ein kleiner Mann mit grauem Schnauzer naht. Es ist der „Marschall Vorwärts“, General Blücher.

Einst wurde ein Alter gesucht, der reiten konnte. So wurde er Blücher, sagt Darsteller Klaus Beckert, der einzige Blücher Europas, darauf legt er Wert, der noch dazu viermal in Waterloo war, nicht nur einmal, wie das Vorbild. Die Lage an der Napoleonschanze beurteilt er optimistisch. Zwar ist die Linieninfanterie etwas schwach aufgestellt. Dafür gibt es reichlich Jäger und Geschütze. „Wir werden das schaffen.“
Für den Moment irrt der General. Nach einer Stunde des Ringens in Pulverdampfwolken und Salvengedrön sind die Verbündeten aufgerieben. Die Schlacht ist verloren. Der Krieg aber nicht. Und was den betrifft, kann Blücher des Sieges sicher sein: „Wie der Krieg ausgeht, das wissen wir.“