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Sturm auf den Schanzenberg

Napoleons Truppen greifen bei Hohnstein die Verbündeten an. Hält Preußengeneral Blücher dem Vorstoß stand?

Von Jörg Stock
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„Gebt Feuer!“ Sächsische und französische Truppen eröffnen die Schlacht um die Napoleonschanze. Etwa 350 Darsteller spielten am Sonnabend bei Hohnstein ein Stück Befreiungskrieg nach.
„Gebt Feuer!“ Sächsische und französische Truppen eröffnen die Schlacht um die Napoleonschanze. Etwa 350 Darsteller spielten am Sonnabend bei Hohnstein ein Stück Befreiungskrieg nach. © Daniel Förster

Die Hose des Gefreiten Steffen Schaller von der sächsischen Leichten Infanterie ist mit Flicken übersät, weil kampferprobt: Austerlitz, Leipzig, Waterloo – überall war sie dabei. Heute aber wird Schaller keinen Pulverdunst abkriegen. Als Organisator des Hohnsteiner Napoleonbiwaks kämpft er zwar an vielen Fronten, aber nicht auf dem Schlachtfeld. Muss er auch nicht, sagt er. Die Akteure kennen sich seit Jahren. Sie sind wie eine große Familie. „Das wird ordentlich funktionieren.“

Sie organisieren das Napoleonbiwak: Steffen Schaller (r.) als sächsischer Infanterist und sein Vater Bernd als Premierleutnant des Ingenieurcorps.
Sie organisieren das Napoleonbiwak: Steffen Schaller (r.) als sächsischer Infanterist und sein Vater Bernd als Premierleutnant des Ingenieurcorps. © Daniel Förster

Im Jahr 1813 mischt sich die Gegend um Hohnstein in die Weltgeschichte ein. Napoleon hat die Verbündeten bei Dresden geschlagen. Jetzt will er den abziehenden Preußen und Russen den Weg nach Böhmen abschneiden, indem er die Truppen seines Generals Vandamme aus dem Neustädter Raum über die Elbe wirft. Das daraufhin entbrannte Gefecht auf der Hochebene bei Krietzschwitz liefert das Vorbild für den Schaukampf Samstagnachmittag an der Hohnsteiner Napoleonschanze.

"Alle sind heiß wie die Bügeleisen"

Angereist sind etwa 40 Vereine und Interessengruppen aus dem Sektor der Napoleonik. Das Biwak gehört zu den ersten derartigen Veranstaltungen nach der Corona-Pause. Lange habe man nicht einschätzen können, ob das Treffen möglich sein würde, sagt Steffen Schaller. Dass es nun doch geklappt hat, freut jeden, egal welche Uniform er anhat. Der Leipziger Friedhardt Höhn, in dessen sächsischer Regimentsküche schon zwanzig Liter Gulasch blubbern, bringt es auf den Punkt: „Alle sind heiß wie die Bügeleisen.“

Erst Kampf, dann Mampf: Regimentskoch Friedhardt Höhn auf Posten. Es gibt Gemüse-Eintopf mit Wildschwein.
Erst Kampf, dann Mampf: Regimentskoch Friedhardt Höhn auf Posten. Es gibt Gemüse-Eintopf mit Wildschwein. © Marko Förster

Die Napoleonschanze, 362 Meter über Meeresniveau, ist der höchste Punkt von Hohnstein, weshalb der Franzosenkaiser hier ein Verteidigungswerk bauen ließ. Gekämpft wurde damals an dieser Stelle nicht. Heute aber schon. Eine Wiese an der Südflanke, 500 Meter lang, wird zum Aufmarschgebiet von etwa 350 Darstellern. Infanterie, Artillerie, Jägertruppe, sogar berittene Kämpfer, bei kleineren Events wie diesem eher selten, treten zur Schlacht vor etwa 300 Zaungästen an. Organisator Schaller freut sich: „Ich habe alles dabei.“

Sieht das Hobby als Beitrag zur Völkerverständigung: Hagen Leißner aus Leipzig, hier als Major Franz Dressler von Scharfenstein.
Sieht das Hobby als Beitrag zur Völkerverständigung: Hagen Leißner aus Leipzig, hier als Major Franz Dressler von Scharfenstein. © Marko Förster

Die Sachsen und Franzosen marschieren ab, zum unteren Wiesenrand, in den Schutz des Waldes, um sich zum Kampf zu ordnen. Hagen Leißner alias Major Franz Dressler von Scharfenstein, Königlich Sächsische Leibgrenadiergarde, marschiert mit. Auch wenn er seine Leute gleich antreiben wird, Preußen, Russen und Österreichern an die Gurgel zu gehen: Nachher, am Lagerfeuer, werden alle friedlich beisammen sitzen. Das Hobby, sagt er, stärkt die Freundschaft zwischen den Völkern. „Dafür brauchen wir keine Politiker“, sagt er. „Das machen wir selber, aus Überzeugung.“

Mit der Feldschlange in Stellung: Major Thomas Grösch aus der Uckermark kommandiert die preußische Artillerie.
Mit der Feldschlange in Stellung: Major Thomas Grösch aus der Uckermark kommandiert die preußische Artillerie. © Marko Förster

Auf der Gegenseite bringt Major Thomas Grösch, Königlich Preußische Gardeartillerie zu Fuß, eine Feldschlange in Stellung, originalgetreu nachgebaut in der Eisengießerei von Torgelow. Seine Einheit ist dreifacher deutscher Vizemeister im Scharfschießen. Auf Übungsplätzen der Bundeswehr werden tatsächlich Kugeln in die alten Geschütze gesteckt. Heute laden die Kanoniere nur Schwarzpulverpackungen. Der Lärm ist auch ohne Geschoss furchterregend. Die Zuschauer werden um vierzig Meter Mindestabstand gebeten.

Kapitän Johannes Brenneisen, heute Anführer der preußischen Infanterie, erscheint, um mit dem Artillerie-Major den Schlachtplan zu besprechen. Beide sorgen sich wegen der feindlichen Reiterei. „Wir müssen aufpassen, dass die uns nicht in den Sack stecken“, sagt Grösch. Plötzlich nehmen die zwei Haltung an. Ein kleiner Mann mit grauem Schnauzer naht. Es ist der „Marschall Vorwärts“, General Blücher.

General Blücher, gespielt vom 84-jährigen Leipziger Klaus Beckert, in Begleitung von Kapitän Brenneisen, Führer der preußischen Infanterie.
General Blücher, gespielt vom 84-jährigen Leipziger Klaus Beckert, in Begleitung von Kapitän Brenneisen, Führer der preußischen Infanterie. © Marko Förster

Einst wurde ein Alter gesucht, der reiten konnte. So wurde er Blücher, sagt Darsteller Klaus Beckert, der einzige Blücher Europas, darauf legt er Wert, der noch dazu viermal in Waterloo war, nicht nur einmal, wie das Vorbild. Die Lage an der Napoleonschanze beurteilt er optimistisch. Zwar ist die Linieninfanterie etwas schwach aufgestellt. Dafür gibt es reichlich Jäger und Geschütze. „Wir werden das schaffen.“

Für den Moment irrt der General. Nach einer Stunde des Ringens in Pulverdampfwolken und Salvengedrön sind die Verbündeten aufgerieben. Die Schlacht ist verloren. Der Krieg aber nicht. Und was den betrifft, kann Blücher des Sieges sicher sein: „Wie der Krieg ausgeht, das wissen wir.“