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Pussy Riot spielt Konzert in Dresden

Nach der spektakulären Flucht eines Pussy Riot Mitglieds aus Russland ist die Band seit Mai auf Europa-Tour. Am Wochenende macht die Band auch Halt in Dresden.

Von Lea Heilmann
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Pussy Riot wurden vor zehn Jahren mit ihrem „Punk-Gebet“ berühmt, erlebten Verfolgung und Haft in Russland. Jetzt sind die Frauen auf Tour und am Sonnabend in Dresden zu Gast.
Pussy Riot wurden vor zehn Jahren mit ihrem „Punk-Gebet“ berühmt, erlebten Verfolgung und Haft in Russland. Jetzt sind die Frauen auf Tour und am Sonnabend in Dresden zu Gast. © Pussy Riot

Mit ihrem „Punk-Gebet“ wurde Pussy Riot vor zehn Jahren weltbekannt. Vier Frauen mit bunten Sturmhauben, Kleidern und Leggings bekleidet, protestierten im Februar 2012 in der russisch-orthodoxen Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau gegen die Verstrickungen von Kirche und Staat in Russland. Knapp 41 Sekunden dauerte der Auftritt.

Drei der Mitglieder wurden damals zu zwei Jahren Straflager wegen „Rowdytums“ verurteilt. Danach folgten weitere putinkritische Aktionen, etwa bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi oder der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland. Und es folgten weitere Strafen.

2011 startete Pussy Riot als eine lose Verbindung von Künstlerinnen, Autorinnen, Aktivistinnen und Anarchistinnen. Seit Anfang an dabei ist Marija Aljochina. Genau zehn Jahre nach dem Punk-Gebet am 21. Februar 2022 saß die 34-Jährige erneut im Gefängnis. In einem Spiegel-Interview erzählt sie davon: „Ich saß in einer Einzelzelle, es war der letzte von 15 Tagen Arrest. Und Putin erklärte eineinhalb Stunden im Radio faktisch der Ukraine den Krieg. Ich bin fast ausgerastet“. Drei Tage später überfällt Russland die Ukraine.

Wenige Tage nachdem sie wieder zu Hause war, wurde sie erneut inhaftiert, unter dem Vorwand, dass sie sich geweigert habe, aus einer Zelle in eine andere zu gehen. Ende März kam sie wieder nach Hause, ausgestattet mit einer elektrischen Fußfessel und hatte nur ein Ziel: Mit Pussy Riot eine Tour im Ausland spielen.

Flucht in Lieferdienst-Uniform

In der Wohnung ihrer Freundin zog sich Aljochina die Uniform des russischen Essenslieferdienstes Delivery Club an, schnitt sich die Fußfessel ab und flüchtete durch den Hintereingang. „Die Wohnung war von Polizisten umstellt. Es gab nur zwei Möglichkeiten: rausgehen und denen sagen: ‘Mir ist alles egal, sperrt mich ein.‘ Oder eben eine andere Form von ‘Fuck you‘", sagt sie dem Spiegel.

Ihr Telefon ließ sie zurück und flüchtete nach Belarus. Von dort wollte sie nach Litauen weiterreisen. Die Aktivistin hatte nur ihren Personalausweis dabei, damit wurde sie an der Grenze abgewiesen. Erst beim dritten Anlauf klappte ihre Einreise mithilfe des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson, der ihr ein internationales Reisedokument verschaffte. Zu dem Zeitpunkt stand Aljochina bereits auf Russlands Fahndungsliste. Von ihrer Heimat verabschiedet habe sich Aljochina aber nicht, wie sie sagt, sie will irgendwann zurückkehren.

Gemeinsamer Auftritt mit ukrainischen Künstlerinnen

Bereits wenige Tage nach ihrer Flucht trat Aljochina mit Olga Borisova und Diana Burkot, die schon länger im europäischen Exil leben, als Pussy Riot in Berlin auf. Das war der Auftakt ihrer „Riot Days“ Tour. Diese führt sie durch ganz Europa, unter anderem nach Slowenien, Spanien, Tschechien und Portugal. Auch außerhalb ihrer Konzerte führt das Trio politische Aktionen durch. Nach ihrem Auftritt in Bern haben sie ein Anti-Kriegs Graffiti an eine Mauer gesprüht – „War“ und die Kilometer bis zur ukrainischen Grenze waren zu lesen. Das Graffito soll verdeutlichen, dass der Krieg nicht weit entfernt ist. Vor der Fertigstellung wurden die Aktivistinnen allerdings kurzzeitig festgenommen.

Wie Aljochina dem Guardian erzählt, hat sie auf der Tour bereits Momente erlebt, die ihr große Hoffnung geben, wie das Konzert in Hamburg Anfang Mai. Dort waren zwei ukrainische Musikerinnen, die gesungen haben. Gemeinsam mit Pussy Riot standen sie auf der Bühne, haben sich umarmt und geweint. „Ich war so schockiert, dass es dieses Gemeinschaftsgefühl nach all dieser Tragödie geben kann“, sagte sie in dem Gespräch.

Die Tour „Riot Days“ basiert auf dem gleichnamigen Buch von Aljochina, in dem sie über ihren Auftritt in der Moskauer Kathedrale, den Prozess und die Haft schreibt. Die Auftritte von Pussy Riot kombinieren Musik, Theater und Video. Auch in Dresden macht die Band halt. Am Sonnabend, den 10. September, spielen sie im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden. Bisher wurden etwas mehr als die Hälfte der Karten verkauft. Wie auch bei den anderen Konzerten spenden die russischen Künstlerinnen einen Teil der Einnahmen an ein Kinderkrankenhaus in der Ukraine.