Ostrocker auf Hochtouren: So großartig war das Konzert von „Maschine“ in Dresden
Dresden. Seit dem Ende der Puhdys ist für deren nimmermüden Sänger und Song-Erfinder Dieter „Maschine“ Birr vieles ein bisschen überschaubarer geworden. Was sich wohl für ihn und auch seine Fans dennoch gut verschmerzen lässt: Denn unnahbar war „Maschine“ zwar noch nie, aber jetzt kommt er seinen Fans noch ein Stück näher.
Und sie ihm – was Sonntagabend auch im Boulevardtheater in Dresden fühlbar wurde. Ja, die Säle sind ein bisschen kleiner als früher, was für den Erfolg seiner Konzerte aber so ganz und gar nicht gilt.
„Maschine tourt“ – und die Häuser sind ausverkauft. Das Boulevardtheater mit seinen 500 Plätzen gleich zweimal hintereinander. Und das schon seit Langem. Das spricht für sich – und vor allem für ihn, den Texter und Musiker, der sich immer wieder neu erfinden kann und sich dabei dennoch treu bleibt.
Das zeigt nicht zuletzt sein neuestes Projekt, mit dem er seit Ende September auf Tour ist und jetzt auch in Dresden Station machte: „Maschine – Lieder mit klassischen Saiten und Streichquintett“.
Der Rocker kommt zartbesaitet daher
Der Rocker, der für sein Lied „Wut will nicht sterben“ sogar mal mit Rammstein-Sänger Till Lindemann im Studio war, kommt nun also im doppelten Wortsinn zartbesaitet daher. Und wenn Rockmusiker sich auf und mit Klassik einlassen, dann ist das für die Songs ein nicht ungefährlicher Qualitätstest. Den besteht „Maschine“ allerdings spielend.
Denn gerade im klassischen Gewand zeigt sich umso deutlicher, wie filigran und berührend viele seiner Kompositionen tatsächlich sind – was sich im sonst zu Maschine gehörenden harten Gitarrensound mitunter schon mal ein wenig versteckt. Die fünf hochprofessionellen Klassik-Musiker, die unter anderem an den Berliner Opernhäusern und der Philharmonie zu Hause sind, knacken die raue Schale der Lieder und legen deren Seele frei. Ohne, dass die Songs ihre Kraft verlieren. Ganz im Gegenteil!
„Maschine“ könnte es sich leicht machen
Dabei könnte „Maschine“ es sich leicht machen. Sich mit seiner Gitarre in einen Saal setzen und als eigene Tribute-Band die Puhdys-Hits präsentieren. Auch das wäre wohl ein Selbstläufer. Aber auch mit 81 Jahren kann Dieter Birr nicht aus seiner Haut. War er schon bei den Puhdys der Antreiber, produzierte er in der Zeit danach bereits vier Solo-Alben. Zu hören ist davon auch an diesem Abend eine Menge, und die Lieder werden gefeiert wie die Klassiker, die einfach dazugehören: „Boote der Jugend“, „An den Ufern der Nacht“, „Lebenszeit“ und natürlich „Alt wie ein Baum“.
Den für „Maschine“ so typischen Mut zu Neuem kann man sich in der aktuellen Musiklandschaft allerdings nur leisten, wenn man sich auf seine Fans verlassen kann. Und das kann er. Generationenübergreifend sitzen sie im Saal und damit quasi Hunderte persönlicher Geschichten, die mit seiner Musik zu tun haben. Es sind genau diese Geschichten, diese Emotionen, die den Künstler zum Rockstar, aber auch zum Freund und Wegbegleiter machen. Nicht ohne Grund ist schon das zweite Lied des Abends „Was bleibt, sind Freunde im Leben“. Zum Abschied singt es „Maschine“ mit den längst nicht mehr in den bequemen Theatersesseln sitzenden Fans noch einmal gemeinsam; nur von der Gitarre begleitet.
Das erste Konzert der Puhdys fand in Sachsen statt
Der Berliner Rocker und die Sachsen, das passt ohnehin. Das erste Konzert der Puhdys fand einst im Tivoli in Freiberg statt. Das 1984 im damaligen Karl-Marx-Stadt aufgenommene Livealbum trägt ganz bewusst den Titel „Live in Sachsen“, und auch die legendären Pfingstkonzerte der Puhdys nach der Wende auf dem Hutberg in Kamenz gehören unbedingt dazu.
Mit Kamenz verbindet „Maschine“ zudem noch eine besondere Geschichte: Dort sprang er 1977 als Ikarus für einen Fernsehbeitrag zum gleichnamigen Puhdys-Hit vom Klostertor in ein Feuerwehr-Sprungtuch.
Der Komponist Peter Gotthardt hat mir einfach eine Melodie vorgespielt und gesagt, ich soll das jetzt mal singen.
Dieter „Maschine“ Birr
über „Wenn ein Mensch lebt“
Und natürlich erzählt auch Dieter Birr an diesem Abend ein paar Anekdoten. So räumt er augenzwinkernd ein, dass er die Aufnahme zu „Wenn ein Mensch lebt“, dem Hit aus dem Kinofilm „Die Legende von Paul und Paula“, ein bisschen besser hätte singen können.
„Aber der Komponist Peter Gotthardt hat mir einfach eine Melodie vorgespielt und gesagt, ich soll das jetzt mal singen.“ Dem Erfolg des Liedes tat das keinen Abbruch.
Die Rockerrente bleibt unerwähnt
Für einen Schmunzler und durchaus Erstaunen sorgt dann auch Keyboarder Marcus Gorstein, mit dem „Maschine“ regelmäßig zusammenarbeitet und der ihn nun auch auf dieser Tour begleitet. Seine Eltern, so verrät er, sind in der Ostmusik-Szene durchaus prominent: Eva und Arnold Fritzsch, Gründer der Band „Kreis“.
Und Arnold Fritzsch wurde später unter seinem Spitznamen „Murmel“ einer der wichtigsten Pop-Komponisten des Landes. „Den Namen hat er von meiner Mutter bekommen, weil er sich beim Schlafen wie eine Murmel zusammenrollt“, plaudert der Sprössling aus. Setzt sich ans Keyboard und singt mit „Ich bin der fünfte Beatle“ kurzerhand einen der Hits seines Vaters. Die familiäre Nähe ist dabei auch stimmlich nicht zu verbergen.
Es ist ein Abend voller Emotionen. Und es passt, dass „Maschine“ die „Rockerrente“ kein einziges Mal erwähnt, obwohl ja auch das ein großer Hit der Puhdys war. Nein, „Maschine“ denkt nicht an die Rente. Warum auch …
SZ