So war die „Hotzenplotz“-Premiere im Dresdner Zoo

Freundschaft macht unbesiegbar. Diese kleine und wundervolle Botschaft bringt „Der Räuber Hotzenplotz“ mit sich, das Buch von Otfried Preußler, das am Sonnabend als Sommertheater im Zoo Dresden zur Premiere kam. Das Theater Junge Generation bespielt hier die Freiluftbühne und hat wieder ein heiteres Spektakel hingelegt. Die Aufführung ist geeignet für Kinder ab sechs. Und ihre erwachsene Begleitung, versteht sich.
Die Geschichte von Omas geraubter Kaffeemühle und den mutigen, aber etwas verpeilten Kasper und Seppl kennt jedes, aber auch wirklich jedes Kind. Wie soll man diesen Klassiker bloß aktualisieren? Regisseur Nils Zapfe entscheidet sich für: gar nicht. Er packt „Der Räuber Hotzenplotz“ in das Gewand der Commedia dell‘Arte und setzt damit ganz auf die Kraft der Schauspielerinnen und Schauspieler. Es gibt so gut wie keine Requisiten auf der einfachen Bretterbühne, keine Effekte, keine Podeste, kein Garnichts.

Das Ganze ist komplett auf große Gesten und satte Unterhaltung angelegt, nicht auf Feinheiten im Spiel. In ihren bunten Renaissance-Kostümen müssen die Darstellerinnen und Darsteller darum auch noch den letzten Rest aus der Schauspielkunst-Tube quetschen. Jede Figur ist extrem überzogen: Kasper zuckt fast spastisch mit den Gliedmaßen, Seppl tapert unbeholfen, Hotzenplotz schleicht gekrümmt wie ein Comic-Gangster, die Oma begreift alles eher spät, und Zauberer Petrosilius Zwackelmann scheint direkt dem Neun-Euro-Märchenbuch entsprungen zu sein mit seinem Hut, dem Mantel und einer Vorliebe für gestelzte Sprache und „Ba-ratkartoffeln“. Er (und auch der Wachtmeister Dimpfelmoser) wird gespielt vom erfahrenen Gregor Wolf, der das Highlight der Aufführung ist. Auch Paul Oldenburg gibt einen herrlich zwielichtigen Räuber Hotzenplotz. Die Darsteller von Kasper und Seppl, Stefan Kuk und Julian Lehr, schöpfen den Raum der leeren Bühne hingegen nicht aus, während sich Susan Weilandt als Oma (und später als Unke) zunehmend warmläuft. Am Premierentag halfen diverse Zootiere für zusätzliche, zur Szene passende Soundeffekte. Für Lacher beim Schulanfänger-Publikum sorgen die zahlreichen Sprach-Verdreher, die ein bisschen mutiger sind als im Buch: Bei Preußler gab es noch keinen „Schlotzenkotz“.
Ganz im Sinne der Commedia dell’Arte sorgen die Spielerinnen Anna Magdalena Wagner und Adrienne Lejko für auflockernde Intermezzi, untermalende Geräusche und fantastisch performte Songs. Sie bringen auch die gesellschaftskritischen Ebenen hinein: Soll man anderen helfen – oder bevormundet man sie damit? Was tut man für jemanden, den man liebt? Und überhaupt: Wie zeigen wir einander Zuneigung?
Denn, und das ist vielleicht das Einzige, was Nils Zapfe dem Klassiker dann doch hinzufügt: Im Laufe der Aufführung finden sich Kasper und Seppl ziemlich, naja, sagen wir gut. Haben sie sich zu Beginn noch originalgetreu behakt, schauen sie sich am Ende ein bisschen länger als normal an – und dann gibt es auch einen flüchtigen, aber bedeutsamen Schmatzer. Für viele Zuschauerinnen und Zuschauer wird das ein „Äääh-peinlich-Kuss“ sein, für andere etwas, das auch unter Jungs gern mal normal werden darf. Insofern: Das hier ist eben doch etwas mehr als pure Unterhaltung – wenn man sehr genau hinschaut.

Eins muss allerdings mal gesagt werden: So schön es ist, dass in den Theaterkarten auch der Zoo-Eintritt beinhaltet ist (und die ÖPNV-Fahrkarte ohnehin): Für Familien mit schmaler Geldbörse ist der Zoo-Besuch eine Zumutung. Tankstellenpreise an jeder Pommesbude, und der Quengel-Shop am Ausgang ist auf Marktstandgröße angewachsen. Wer das Geld für die Theaterkarten gerade so zusammengekratzt hat, wird hier mindestens noch mal so viel für Extras los. Familienfreundlichkeit müsste hier so aussehen, dass auch Eltern mit wenig Budget sich so einen Besuch leisten können. Das TJG trägt da keine Schuld, aber unter diesen Umständen wird der Zoo als Spielstätte ein elitärer Ort, der viele ausschließt.
Wieder an vielen Terminen bis Mitte Juli, Karten: 0351 32042777