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Im Stream: Konzert in der Frauenkirche

Staatskapell-Musiker spielen in der Frauenkirche - und wollen so Künstlern und Selbstständigen helfen. Hier können Sie das Benefizkonzert sehen.

Von Bernd Klempnow
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Aus der Dresdner Frauenkirche wird am Donnerstag ein Benefizkonzert übertragen.
Aus der Dresdner Frauenkirche wird am Donnerstag ein Benefizkonzert übertragen. ©  Archiv/dpa/Robert Michael

Dresden. Manchmal muss man Vorsätze über Bord werfen. Zum Beispiel an diesem Freitag, denn es lohnt, einem Stream auf Youtube zu folgen, obwohl doch Streams für den Zuschauer nicht unbedingt eine Offenbarung sind. Zu erleben ist seit 19 Uhr aus der Frauenkirche Franz Schuberts unvergleichlich-schönes Streichquintett in C-Dur. Das Werk von rund 55 Minuten Dauer nimmt mit seinen vier betörenden Sätzen einen singulären Platz in der Musikliteratur ein: Es ist rätselhaft und zugleich vollendet – ein tönendes, nie endgültig zu beschreibendes Mysterium.

„Ich habe das Quintett schon oft gespielt, aber Routine kommt da nie auf. Immer ist man von seiner Großartigkeit überwältigt“, sagt dann auch Norbert Anger. Der Konzertmeister der Violoncelli der Sächsischen Staatskapelle wird es mit vier Kollegen spielen. Die Besetzung ist mit zwei Violinen, einer Viola und zwei Celli ungewöhnlich, ermöglicht aber, so Anger, „einen sehr homogenen und tiefen Klang“. Das Quintett dürfte ideal in der feinen, bekanntlich nicht unheiklen Akustik der Frauenkirche klingen.

Das tolle Musikstück ist nicht der einzige Grund, „einzuschalten“. Es handelt sich um ein Benefizkonzert mehrerer Partner. Unter dem Motto „Zusammenhalt“ wollen der Lions Club Dresden Semper, Musiker der Staatskapelle, die Stiftung Frauenkirche Dresden und die Stiftung Lichtblick aus dem Dresdner Druck- und Verlagshaus – zu dem auch Sächsische.de gehört – Spenden für freischaffende Künstler und Soloselbstständige sammeln. Denn diese sind – weil ohne Auftritte und somit ohne Einnahmen – von der Covid-19-Pandemie besonders hart getroffen. Es gibt bereits viele Unterstützer wie die Initiative SOS für Culture und die Semperoper. Die Schirmherrschaft hat Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch übernommen.

Nobert Anger ist Solocellist der Dresdner Staatskapelle und vielfältig sozial engagiert.
Nobert Anger ist Solocellist der Dresdner Staatskapelle und vielfältig sozial engagiert. © Andrej Grilc

Auch Norbert Anger freut sich auf das Konzert. Weil er jenen helfen kann, die nicht so privilegiert in einer Festanstellung geschützt und gesichert sind. „Gut, dass es jetzt endlich solche Benefiz-Initiativen gibt.“ Und der junge Mann freut sich, weil er nach Monaten des nur mehr oder weniger allein Vor-sich-hin-Übens mit Kollegen musizieren kann. Ihm fehlen das gemeinsame Spiel und der Austausch mit anderen Künstlern der Kapelle. „Da wir alle fünf am Benefizkonzert beteiligte Konzertmeister oder Spielführer sind, die im Orchesterverband sonst in der ersten Reihe um den Dirigenten sitzen, wird es sich fast wie im normalen Konzert anfühlen“, sagt der 34-Jährige. „Das Spiel im Ensemble brauche ich zum Leben. Ich habe das vor Corona geahnt, jetzt weiß ich, dass diese Teamarbeit existenziell ist. Uns geht es wie Könnern in Mannschaftssportarten.“ Man könne sich allein fit halten und simulieren. Richtig gut auf dem Platz sei man nur im Team.

Seit acht Jahren gibt der gebürtige Freitaler bei der Kapelle den herrlichen Celli-Ton an. Er sitzt direkt vor dem Dirigenten, ist also auch vom Publikum immer gut zu sehen. Zu hören sowieso mit dem reizvollen Sound seines 300 Jahre alten Instruments aus Neapel. Die Staatsoper hat ihm diese Kostbarkeit überlassen, damit er sich – obwohl mit führend unter den Cellisten seiner Generation – weiterentwickeln kann. Und damit die emotionalen Passagen in Oper, Ballett und Konzert, die oft genug vom Violoncello geprägt werden, die Zuhörer wirklich packen. Wobei klar ist: Wenn Norbert Anger sein Instrument spielt, ist garantiert, dass sie packen.

Was hält er als bekennender Live-Künstler vom Streaming? „Es fehlen die Vibrationen, es fehlt die sich steigernde Spannung. Vielleicht zeigt uns diese Zeit, wie kostbar dieses Atmen mit dem Publikum ist. Mögen digital auch die Reichweiten andere sein.“ Aber, er ist pragmatisch: „Momentan geht’s nur digital. Wir werden alles geben, mit dem Schubert-Quintett zu begeistern.“