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Architekt aus Leidenschaft: Meinhard von Gerkan ist tot

Meinhard von Gerkan plante den Umbau des Dresdner Kulturpalastes, entwarf die Neue Messe in Leipzig, baute Flughäfen, Bahnhöfe, Museen. Nun ist er gestorben - ein Nachruf.

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Meinhard von Gerkan starb am Mittwoch im Alter von 87 Jahren in Hamburg.
Meinhard von Gerkan starb am Mittwoch im Alter von 87 Jahren in Hamburg. ©  Archiv: Ronald Bonss

Von Carola Grosse-Wilde

Gleich mit seinem ersten Bauprojekt landete er einen Welterfolg: Mit Anfang 30 bekam Meinhard von Gerkan den Zuschlag für den Berliner Flughafen Tegel, einen „Flughafen der kurzen Wege“. Mit seinem Partner Volkwin Marg realisierte er Bauwerke in aller Welt, darunter das Nationalmuseum in Peking, Fußball-Stadien in Südafrika und Brasilien und eine Millionenstadt nahe Shanghai. Jetzt ist der Architekt Meinhard von Gerkan im Alter von 87 Jahren gestorben.

„Ich wurde Architekt aus Leidenschaft und bin es seitdem immer geblieben“, betonte er in seinem Buch „Black Box BER“, in dem er gnadenlos abrechnete. Dass er, der einzigartige Bauwerke in aller Welt errichtete, nach der geplatzten Eröffnung des von Pleiten, Pech und Pannen geprägten Hauptstadtflughafens BER fristlos vor die Tür gesetzt wurde, hatte ihn schwer getroffen. Gerkan, der wegen seines Perfektionismus und seiner temperamentvollen Art nicht immer als einfach galt, sprach von Willkür und Demütigung.

Meinhard von Gerkans Architekturbüro war für den Umbau des Kulturpalasts verantwortlich.
Meinhard von Gerkans Architekturbüro war für den Umbau des Kulturpalasts verantwortlich. © René Meinig

Am 3. Januar 1935 wurde Meinhard von Gerkan im lettischen Riga geboren. Seine Eltern kamen im Zweiten Weltkrieg ums Leben. Der Junge wuchs in Pflegefamilien auf, besuchte mehrere Schulen, machte schließlich 1955 sein Abitur an einem Abendgymnasium. Zunächst studierte er Jura und Physik in Hamburg, entschied sich dann fürs Architekturstudium in Berlin. Hier lernte er seinen späteren Partner Volkwin Marg kennen, mit dem er in Hamburg das Büro gmp (Gerkan, Marg und Partner) gründete.

Offener Blick für die Zukunft

Heute arbeiten weltweit über 400 Beschäftigte für das Büro, das zahlreiche Preise in Wettbewerbsverfahren gewonnen und mehr als 370 Bauten fertiggestellt hat. Darunter sind die Neue Messe Leipzig mit ihrer gewaltigen gläsernen Tonne über dem Mitteltrakt, die Flughäfen in Hamburg und Stuttgart, der Berliner Hauptbahnhof, der Umbau des Berliner Olympiastadions sowie Bauwerke in Asien, Südafrika und Brasilien. Auch in Sachsen hat das Büro markante Gebäude entworfen oder umgebaut. Dazu gehören in Dresden der Kulturpalast, das Geschäftshaus auf dem Altmarkt und das Hochhaus der Firmenzentrale SachsenEnergie.

Für Leipzig entwarf von Gerkan die Neue Messe.
Für Leipzig entwarf von Gerkan die Neue Messe. © Mow-Cow, Public domain, via Wikimedia Commons

„Wir versuchen jede Entwurfsaufgabe auf möglichst wenige Kernfragen zu verdichten, um darauf die selbstverständliche Antwort zu finden“, beschrieb Gerkan das Konzept seines Büros. Fachleute bescheinigen ihm, sich von den zu engen Konventionen moderner Architektur befreit und die eigenen Entwürfe, basierend auf den bevorzugten Materialien Stahl und Glas, stärker in Bezug zum historischen Umfeld gebracht zu haben.

Volkwin Marg würdigte seinen Mitstreiter auch für seinen offenen Blick in die Zukunft. „Ich bin stolz darauf, was Meinhard und ich gemeinsam mit unseren Partnern und Mitarbeitenden in mehr als einem halben Jahrhundert geschaffen haben. Auf unsere Bauten, die in Deutschland und weltweit anerkannt und gewürdigt werden“, so Marg laut Mitteilung. „Wir haben stets für gute Architektur gekämpft, sehr oft gewonnen und manchmal auch verloren. Meinhards unternehmerischer Mut und weitsichtiger Blick nach vorn stellten die Weichen für die Zukunft unseres Büros.“In seiner Antrittsvorlesung 1974 an der Braunschweiger Hochschule forderte Gerkan, die Arbeit der Architekten müsse „darauf gerichtet sein, Architektur dem Denk- und Handlungsraum von Konsumware zu entreißen und ihr die Wertstelle von Kulturgut zu geben.“

Die Firmenzentrale von SachsenEnergie wurde von Stararchitekt Meinhard von Gerkan entworfen.
Die Firmenzentrale von SachsenEnergie wurde von Stararchitekt Meinhard von Gerkan entworfen. © SachsenEnergie

Legendär wurde der Prozess um den Berliner Hauptbahnhof. Die Eröffnungsfeier hatte Gerkan boykottiert, weil Bahnchef Hartmut Mehdorn eigenmächtig die Gleisüberdachung verkürzt und im Untergeschoss die filigrane Gewölbedecke zugunsten einer simplen Flachkonstruktion gestrichen hatte. Im Prozess kamen Gerkan die Tränen. Er gewann in erster Instanz. Später gab es einen Vergleich. Mit seiner Klage gegen die „mutwillige, nicht abgestimmte Verschandelung“ schuf Gerkan 2006 einen Präzedenzfall des Architekten-Urheberrechts. (dpa/SZ)