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Supersound und Stolpersteine: So war der erste Dresdner Kultursommer

Nach vier Wochen ging das neue Festival am Japanischen Palais in Dresden zu Ende. Die Konkurrenz des Vorgängers Palais Sommers punktet mit Erfahrung.

Von Oliver Reinhard
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Auch „Der Tod“ war mit seiner Death Comedy zu Gast beim ersten Dresdner Kultursommer an der
Elbe.
Auch „Der Tod“ war mit seiner Death Comedy zu Gast beim ersten Dresdner Kultursommer an der Elbe. © Andreas Weihs

Mal wirkte alles wie ein locker getüpfeltes Picknick, mal konnte man das gelbe Gras kaum sehen vor Menschen: Der erste Dresdner Kultursommer hinter dem Japanischen Palais ist am 7. August nach vier wechselvollen Wochen zu Ende gegangen. Am letzten Wochenende fanden laut Veranstalter noch einmal bis zu 2.000 Besucherinnen und Besucher den Weg zu den Indie-Konzerten von Klan am Freitag und Oehl sowie Sängerin und Liederschreiberin Tara Noma Doyle am Sonnabend.

Und noch einmal wurde deutlich, als was sich der Kultursommer entpuppt hat: als Pop-Festival mit literarischen und Comedy-Anreicherungen und – zumindest bei den Konzerten – einem ausgezeichneten Open-Air-Sound, der Maßstäbe gesetzt hat. Auf die himmelhoch angesetzte Zahl von 45.000 Gästen hatte Kultursommer-Chef Thomas Jurisch gehofft, geschätzte 20.000 sollen es tatsächlich geworden sein. Dennoch gibt er sich mehr als zufrieden.

"Wir sind happy, das Konzept funktioniert"

„Wir sind happy. Die Besucherzahlen zeigen, dass das Konzept funktioniert. Hier und da müssen wir noch an Stellschrauben drehen für die kommende Saison, aber das ist vollkommen normal für eine neue Veranstaltungsreihe.“ Es war ein Debüt mit Hindernissen. Viele davon haben die Umstände dem Kultursommer in den Weg geschoben. Die sportliche Vorbereitungszeit von drei Monaten sei nicht das Problem gewesen, erklärt der Organisator. Eher die unerwartete Knappheit an Mitarbeitern, Ausstattung, Technik.

In der Tat hatten sich vor Ausbruch der Open-Air-Saison für viele Veranstalter Engpässe ergeben, das ging dem großen Nachbarn Filmnächte nicht anders. Personal wurde rar, Material teurer. Marketing und Image-Kampagne für den Kultursommer waren ohnehin recht karg geraten und kamen dadurch auch kaum in die Gänge.

Hungrige Gesichter beim Küchenmeister

Das ging so weit, dass man anfangs als Passant nicht wissen konnte, wo man da überhaupt reinstolperte; keine Plakate, keine Programme, keine Hinweistafeln. Obendrein lastete das maue Wetter auf der ersten Festival-Woche, in der zweiten musste einer von zwei Catering-Containern schließen. So kam es bei stark frequentierten Veranstaltungen wie dem Rekord-Abend mit Konrad Küchenmeister und knapp 2.000 Gästen zu langen Schlangen und Gesichtern bei Hungrigen und Durstigen.

Manches spielte sich im Lauf des Festivals ein, dessen Organisation indes auf viele Besucher weiterhin provisorisch wirkte: Auch die Container konnten nicht mehr gestaltet und aufgehübscht werden. „Vieles, was wir geplant hatten, ließ sich leider unter den Umständen nicht umsetzen“, räumt Jurisch ein. Entsprechend durchwachsen sind die Bewertungen des ersten Kultursommers im Internet.

Palais Sommer: umgezogener Richtung Zuschauer-Rekord

Manch scharfer Ton dort verlangt allerdings gesonderte Gewichtung; einiges dürfte von Fan-Ultras der Konkurrenzveranstaltung Palais Sommer stammen. Der war bei der Ausschreibung des Geländes am Japanischen Palais Jurischs Gebot unterlegen gewesen und hatte seinen Stammplatz nach 12 Jahren nicht mehr nutzen können. Diese Entscheidung hatte für Enttäuschung bei den Veranstaltern und vielen Anhängerinnen des Palais Sommers gesorgt, bis hin zu offensiver Ablehnung des Kultursommers.

12.000 von ihnen haben eine Petition für die Rückkehr der Veranstaltung ans Japanische Palais unterschrieben. Ihr Gründer Jörg Polenz musste umdenken und auf drei andere Flächen ausweichen: an den Ostra Dome im Messegelände, in den Alaunpark und auf den Neumarkt. Vor allem dort segelt der Palais Sommer Richtung Zuschauer-Rekord. Zur Halbzeit schätzen die Veranstalter knapp 90.000 Besucher, mehr als dreimal so viel wie im vergangenen (Corona-) Sommer. Über 60.000 davon soll neu akquiriertes Laufpublikum sein.

Kultur- und Palais Sommer: Platz für und Bedarf an beiden

Der Not-Umzug auf den Neumarkt könnte sich in eine Tugend verwandelt haben, auch für das dank Palais Sommer reizvoll belebte Stadtzentrum. Zumal die Künstlerinnen und Künstler ebenfalls qualitativ hochwertig und Catering, Marketing, Präsentation gewohnt professionell sind und die Setzung von Spenden-Anreizen gewohnt unübersehbar. Zudem, das zeigte sich an allen drei Orten, kann der Palais Sommer auf ein treues Stammpublikum bauen.

Alter Hase und Debütant: Vergleiche liegen nahe und dürfen gezogen werden. Aber fair geht anders. Vom soften Spenden-Sammeln über das bloße Aufstellen von Boxen will sich Thomas Jurisch verabschieden, „das bringt wirklich nichts. Möglicherweise wird es im nächsten Jahr eine kleine Kultur-Abgabe geben“, überlegt er. „Wir werden so einiges anders und besser machen.“

Dass der Kultursommer eine billige Kopie des Palais Sommers inklusive Yoga sei, ist vielfach zu hören, schießt aber übers Ziel hinaus. Geplant war ein kleineres, zurückhaltenderes, Pop-lastigeres, ein jüngeres Publikum ziehendes Festival ohne ganzheitlich-gesellschaftlichen Anspruch, was dem Team Jurisch trotz Anfängerfehler und Startschwierigkeiten letztlich auch gelungen ist. Eine leuchtende Visitenkarte sieht fraglos anders aus. Doch wie es scheint, ist in Dresden zugleich Platz für und Bedarf am Kultur- wie am Palais Sommer. Wo auch immer sie am Ende stattfinden werden. (Mitarbeit: Dominique Bielmeier, Tobias Höflich, Christoph Pengel)