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Feuilleton

Uwe Tellkamps Auferstehung

Der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp macht sich mit einem Bibel-Wort unsterblich. Eine Satire.

Von Marcus Thielking
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Ist er es oder ist er es nicht?
Ist er es oder ist er es nicht? © dpa

Lange nichts gehört von Uwe Tellkamp. Aber dieser Tage war es wieder so weit. In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen ging es um Donald Trump, Energiepreise, Gendern, Björn Höcke, die AfD und Sahra Wagenknecht. So weit, so üblich. Tellkamp selbst beklagte einmal mehr, er werde "nicht mehr eingeladen zu Lesungen, zu Vorträgen". Zwar finde er es in Ordnung, dass man mit Gegenrede rechnen müsse, wenn man sich öffentlich äußert. Doch in seinem Fall sei das anders. Seine Kritiker hätten gesagt: "Jetzt kreuzigen wir ihn."

Als Schriftsteller redet Tellkamp gern in Metaphern. Mit diesem genialen biblischen Vergleich hat er sich nun endgültig unsterblich gemacht. Denn natürlich hat man sofort die Stelle aus dem Matthäus-Evangelium im Kopf. Durs Grünbein ist Barabbas, der Bandit. Das Volk aber will Tellkamp bestrafen, wegen Gotteslästerung: "Lass ihn kreuzigen!" Pilatus aber sagt: "Was hat er denn Böses getan?" Ja, so war das damals, bei der Podiumsdiskussion im Dresdner Kulturpalast.

Böll, Grass, Walser - und nun Tellkamp?

Zu Tellkamps Bibel-Metapher passt auch seine wundersame Auferstehung. Denn seit vor zwei Jahren sein neuer Roman fertig geworden ist, kommt es immer wieder zu unerklärlichen Tellkamp-Erscheinungen. Er gab Interviews, in der Süddeutschen Zeitung und im MDR, der Fernsehsender 3Sat drehte einen Porträtfilm über ihn, er wurde zu Podiumsdiskussionen eingeladen, in die Dresdner Frauenkirche und – neben Ministerpräsident Michael Kretschmer – in die Landesvertretung Sachsens in Berlin. Viele Menschen behaupten, das alles sei gar nicht Tellkamp, denn der echte sei gekreuzigt worden. Aber das sind Ungläubige. "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben", heißt es in der Bibel.

Dass Schriftsteller öffentlich hingerichtet werden, ist in der Bundesrepublik nichts Ungewöhnliches: Heinrich Böll, Günter Grass, Martin Walser – sie alle bekamen den medialen Volkszorn zu spüren. Sie haben es überlebt. Richtig gekreuzigt worden und wieder auferstanden ist wirklich nur einer, der Messias aus Dresden. Frohe Ostern!

Dieser Text ist ein Auszug aus unserem Feuilleton-Newsletter „SZ Foyer – Kultur und Debatte in Sachsen“. Jetzt kostenlos abonnieren!