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Was die Ampel von Sachsen lernen kann

"Mehr Fortschritt wagen" - über das Motto der neuen Koalition können wir im Freistaat nur lachen. Zumindest in einer Sache sind wir dem Bund voraus.

Von Marcus Thielking
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Sächsische Kultur pur: die Semperoper.
Sächsische Kultur pur: die Semperoper. © Ronald Bonß

Sachsen ist ja gerne ein Land der Superlative - niedrigste Impfquote, höchste Infektionsrate etc. -, aber wie wär's diese Woche mal mit was Positivem? Beim Thema Kultur zum Beispiel ist der Freistaat dem Bund weit voraus. Diese Woche haben die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, dass sie Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern wollen. Da können wir in Sachsen nur müde lächeln.

In unserer Landesverfassung von 1992 steht Kultur nämlich schon lange ganz vorne, und zwar im ersten Artikel: "Der Freistaat Sachsen", heißt es da, "ist ein demokratischer, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kultur verpflichteter sozialer Rechtsstaat." Wow, was für ein Satz! Da müssten Baerbock, Lindner und Scholz vor Neid erblassen, so viel Grün, Gelb und Rot steckt in unserer Verfassung.

"Mehr Fortschritt wagen" - so lautet, frei nach Willy Brandt, der Titel des neuen Koalitionsvertrags. Der Titel ist in der Tat gewagt, denn die Zeiten, als der Begriff "Fortschritt" groß in Mode war und nach toller Zukunft klang, sind mindestens vierzig Jahre vorbei. Der Spruch klingt wie aus einem Loriot-Sketch in den Siebzigern. Wer hat den denn aus der Motten- und Floskelkiste geholt? "Mehr Kultur wagen", das wäre mal ein Statement. Aber uns in Sachsen fragt ja keiner.

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Auch im Lockdown optimistisch: Christian Thielemann, Chef der Sächsischen Staatskapelle.
Auch im Lockdown optimistisch: Christian Thielemann, Chef der Sächsischen Staatskapelle. © Ronald Bonß

Best of Lockdown

Zeiten des Kultur-Lockdowns sind auch fürs Feuilleton eine Herausforderung. Was soll man schreiben, wenn alle Konzerte, Opern- und Theateraufführungen verboten sind? Und doch ist uns immer wieder was eingefallen. Oft sind dabei sogar zeitlos lesenswerte Texte und Interviews entstanden. Ein paar dieser Stücke aus vielen Pandemie-Monaten haben wir hier mal für Sie zusammengetragen - quasi unser Best of Lockdown:

  • "Dieses Virus ist ein Warnschuss." Der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Christian Thielemann ist wie viele derzeit daheim. Wie geht es dem Maestro im Homeoffice? Ein Interview.
  • Kleine Kulturgeschichte der Masken. In Sachsen gilt die Maskenpflicht. Die Geschichte zeigt: Wer sein Gesicht versteckt, hat nicht immer etwas zu verbergen.
  • Wenn Kultur systemrelevant wird. Nach dem erneuten Lockdown heißt es nun öfter, die Künstler sollten mal nicht so jammern. Spätestens da sollte man hellhörig werden. Ein Kommentar.
  • Zwischen zwei Übeln. Der Dresdner Theologe Christian Schwarke spricht im Interview über Chancen, den richtigen Weg im aktuellen Corona-Dilemma zu finden.
  • Von Mönchen lernen. Autor und Benediktinerpater Anselm Grün im Gespräch über Leben, Arbeiten und Ostern in Zeiten des Coronavirus.
  • "Das Leben ist meist chaotisch." Die Kunst, das Virus und der Sachse: Ein Gespräch mit Tom Pauls über den Jahreswechsel in verrückten Zeiten.
  • Sachsen wollen große Kultur-Events zurück. In der Corona-Zeit wurde vor allem das Live-Erlebnis vermisst, zeigt eine Umfrage. In einer Frage ticken die Sachsen ganz anders als Deutschland.
  • Was wird jetzt aus der Kultur? Die Corona-Pandemie hat das Verhältnis zwischen Publikum und Kunst verändert. Wie es weitergehen könnte - der große Kultur-Report.
  • Je emotionaler, je radikaler, desto besser. Hass und Verschwörungsmythen verbreiten sich in der Corona-Zeit über die Sozialen Medien enorm. Was kann man tun, wenn sich jemand im Umfeld radikalisiert?
  • Spazieren ist der neue Volkssport. In diesen Corona-Tagen wird der Spaziergang von vielen neu entdeckt. Er ist ein Wundermittel und erzählt viel vom Umgang mit Krisen.
  • Wären Sie manchmal gerne böse, Frau Geisler-Witschas? Die gelernte Krankenschwester gibt sich mit Vorliebe hart. Aber ihr Herz schlägt gleich laut für Metal und für notleidende Kinder. Ein Teil der Serie "Ich & Wir".