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Kunst von der Kette

Das „Kleine Saupsdorf“ auf dem Wachberg hat jetzt Bewohner. Geburtshilfe leisteten Könner an der Motorsäge.

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© Dirk Zschiedrich

Von Jörg Stock

Saupsdorf. Warum soll grobes Werkzeug nur was für Jungs sein? „Was Männer können, das können Frauen auch“, sagt Anja von Grünhagen kess. Für einen Moment schweigt ihre Maschine, die eben noch einem Fuchs aus Roteiche um den Bart ging. Holzspäne bedecken Anjas Montur, ihr Gesicht, ihre Haare. Sie denkt gar nicht daran, sie abzuklopfen. Späne sind für sie Alltag. Sie ist eine Carverin, eine Kunsthandwerkerin mit der Kettensäge.

Der kleine Henry hat einen Zwerg mit Naturstoffen gebastelt.
Der kleine Henry hat einen Zwerg mit Naturstoffen gebastelt. © Dirk Zschiedrich
Kunstsäger Pavel Vrcula aus Teplice legt eine Pause ein und baut eine frische Kette in seine Maschine ein.
Kunstsäger Pavel Vrcula aus Teplice legt eine Pause ein und baut eine frische Kette in seine Maschine ein. © Dirk Zschiedrich
Und so sieht ein fertiges Kunstwerk aus. Diese Löwe rechts stammt von Dirk Born. Allein am Sonnabend kamen über 1500 Gäste und am Sonntag wurden noch mehr erwartet.
Und so sieht ein fertiges Kunstwerk aus. Diese Löwe rechts stammt von Dirk Born. Allein am Sonnabend kamen über 1500 Gäste und am Sonntag wurden noch mehr erwartet. © Dirk Zschiedrich

Dass der böhmische Wind am Wochenende ganze Wolken von Sägespänen über den Saupsdorfer Wachberg trieb, lag daran, dass der Wachbergbaudenchef Arndt Rußig zehn Kunstsäger auf einmal eingeladen hatte. Aus Deutschland, Polen und Tschechien waren die Teams angereist. Ihr Auftrag: Bewohner erschaffen für den neuen Abenteuerspielplatz der Wachbergbaude, das „Kleine Saupsdorf“. Passend dazu hatte Arndt Rußig das Motto ausgegeben: „Dorfatmosphäre“.

Am Sonnabend, gegen zehn Uhr, beginnen die Sägen zu singen, nachmittags sind die Figuren schon zum Großteil aus den Stämmen geschnitten. Anja von Grünhagen steckt gerade in der kniffeligen Endphase, modelliert mit spitzer Minimotorsäge das Gesicht ihres Fuchses. Kniffelig ist es, weil es ums Detail geht, erklärt sie. Verschneidet sie sich jetzt, ist das kaum wieder gutzumachen. „Ab ist ab.“

Anja von Grünhagen wohnt am Nordrand des Ruhrgebietes. Seit ihr Mann, ein Forstwirt, ihr zum Geburtstag eine Kettensäge schenkte, macht die gelernte Spielwarenverkäuferin damit Kunst, seit sieben Jahren nun schon. An den Wochenenden und sogar im Urlaub fährt sie zu Veranstaltungen wie dieser hier auf dem Wachberg. Sie liebt es, ihre Kollegen zu treffen und ihnen beim Sägen zuzusehen. „Solche Events sind klasse für den Austausch.“

Pavel Vrcula, 42, aus dem böhmischen Teplice, pult mit seinem Sägenschwert im rechten Ohr von Dobby, dem Hauself des Zauberlehrlings Harry Potter. Dann muss auch er sein Werkzeug abschalten. Roteiche ist zwar gut fürs Carving, weil ihre Festigkeit ein detailreiches Arbeiten erlaubt. Allerdings strapaziert sie auch die Sägezähne. Schärfen hilft da nicht mehr, befindet Pavel, indem er die Kette prüft. Aber kein Problem: In den Tiefen seines Transporters gibt es reichlich Ersatz.

Während der Tscheche werkelt, erzählt er, wie er zum Kunstsäger wurde. Er hatte es einfach satt, seinen Freunden irgendwelche Flaschen zum Geburtstag mitzubringen. Als Forstarbeiter sollte er doch etwas aus Holz verschenken, dachte er sich, etwas Selbstgemachtes. So fing er an, die Kettensäge als Bildhauerwerkzeug zu benutzen. Das machte Eindruck, so sehr, dass Pavel seinen Job im Wald quittierte und sich mit der Sägekunst selbstständig machte. Heute führt er in Teplice ein eigenes Atelier mit Kettensägenwerkstatt.

Beim Event geht es aber nicht nur ums Arbeiten. Es geht auch ums Gesellige. Zwischen Pavels Motorsägen steht eine Flasche polnischen Biers, spendiert vom Kollegen nebenan. Abends wird deftig gegessen. Dafür hat Pavel vier Kilo Fleischklöße im Auto, dazu eine Pfanne mit einem riesigen Schweinebraten. Flugs zückt er ein Messer und schnippelt voller Vorfreude eine Kostprobe ab: „Von meiner Mutti!“

Unter den Sägern sind nicht nur Autodidakten und Quereinsteiger. Jörg Bäßler aus dem Erzgebirge hat nach seinem Intermezzo als Schornsteinfeger tatsächlich Holzbildhauer gelernt. Indem er die Kettensäge benutzt, verbindet er die Tradition mit der Moderne, sagt er. Das Ergebnis kann man unter anderem am weltgrößten Schwibbogen in Gehlenau südlich Chemnitz besichtigen, für den der Bildhauer fünf Meter hohe Figuren schuf. Dagegen nimmt sich sein Werk auf dem Wachberg bescheiden aus. Die mannshohe Figur wird der Lehrer für die Dorfschule von „Klein Saupsdorf“ werden. Noch fehlt das Gesicht. Zum Feierabend fängt er damit nicht mehr an, denn die Kräfte schwinden. Morgen, sagt er, wird er mit neuem Elan ans Werk gehen. „Einmal Holzwurm, immer Holzwurm!“