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Kunstwerke am Plattenbau

Im Dresdner Stadtteil Gorbitz wird ein Wandbild enthüllt. Künstler wollen den Stadtteil für Kunst begeistern.

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© Robert Michael

Von Emeli Glaser

Wer sich in der Gorbitzer Plattenlandschaft nicht auskennt, kann sich böse verlaufen. Die Kacheln der Kolosse am Amalie-Dietrich-Platz sind zwar blau und die Balkons der Kästen am Leutewitzer Ring senfgelb, aber ansonsten gleicht ein sozialistischer Häuserblock dem nächsten.

Der Dresdner Künstler Jens Besser sagt, Streetart sei die Lösung. Urbane Wandkunst könnte das Viertel bunter machen, nachhaltig aufwerten und einen Kunstzugang für die Bewohner schaffen. Es kann für ganz Dresden von Vorteil sein, Kulturangebote in die Wohngebiete am Rand der Stadt zu bringen. Jens Besser hat es immerhin geschafft, dass sein aktuelles Projekt in Gorbitz Teil der Dresdner Kulturhauptstadtbewerbung 2025 wurde. Der Street Artist und der LackStreicheKleber e.V haben für ihr Projekt „GhettoResidency 2018“ drei internationale Künstler für eine Woche nach Gorbitz in den Dahlienweg eingeladen. Sie gestalteten den Tunnel an der Haltestelle neu. Am Freitag wird das kooperative Wandbild eingeweiht. Im Vorfeld wurden Wunschboxen aufgestellt und Workshops angeboten, um Interessierte miteinzubeziehen. Die Ideen flossen in die Gestaltung. Der Austausch mit den Anwohnern ist den Künstlern genauso wichtig wie das Kunstwerk selbst.

Das Projekt ist immer noch in der Entwicklung. Auch in seiner zweiten Runde werden noch die speziellen Bedürfnisse des Stadtteils erforscht. Vom vorigen Jahr nahm Besser mit: „Wir müssen noch stärker auf die Leute zugehen. Denn in Gorbitz ist man noch skeptisch.“

Das Problem sieht der Lokalkünstler in den Angebotsunterschieden von Stadtteil zu Stadtteil. Wo schon immer viele Ausstellungen und Kulturevents passieren, sind die Anwohner daran gewöhnt und nehmen zahlreich teil. GhettoResidency ist deshalb wichtig. Jens Besser möchte die Kunst nicht nur auf einer „Künstler-Insel“ in einem Szeneviertel konzentrieren, er will nicht mehr isolieren.

In Stadtteilen wie Gorbitz wollen die Künstler Aufbauarbeit leisten, neue Projekte starten. Projekte wie GhettoResidency sollten regelmäßig stattfinden, um angenommen zu werden. Das bringt aber jedes Mal einen großen organisatorischen Aufwand mit sich. Förderungen müssen beantragt, Kommunen überzeugt werden.

Die Plattenbauten in Gorbitz haben großes Potenzial für Wandkunst-Aktionen. Als man die Neubausiedlung in den frühen 80er-Jahren plante, war eine Gestaltung aller Brandwände vorgesehen. Die Wende wischte das Vorhaben vom Tisch. Auch heute sind die Eigentümer der Wohnkomplexe, EWG und Vonovia, nach Bessers Aussage wenig kooperativ. Sie wären der Schlüssel, um Gorbitz großflächig gestalten zu können. Wände sind da, nur braucht es auch den Willen.

Der Name „Streetart“ impliziert Öffentlichkeit. Und um Kunst im öffentlichen Raum freier schaffen zu können, muss eine Diskussion angestoßen werden, auch bei Behörden und Kommissionen. Der Kunstbegriff vieler scheint sehr konservativ. Urban Art, zu der deutlich mehr als Sprühdosen-Graffiti gehört, ist anderen zeitgenössischen Kunstrichtungen längst ebenbürtig. In Dresden sieht man davon nicht viel. Die Hochschule für Bildende Künste bleibe bei ihrem klassischen Lehrplan und kein Dresdner Kunsthaus habe bisher eine Urban Art-Ausstellung gezeigt, beklagt Besser.

Die Wände des Tunnels am Dahlienweg, vorige Woche noch grau, bekachelt und vollgekritzelt, sind zum Patchwork-Kunstwerk geworden. Das ist so weit weg vom Klischee des vermummten Sprayers, einer Nacht- und Nebelaktion und Polizeisirenen, wie nur irgend möglich.