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Kurze Straße, langer Ärger

Monatelang wird im Görlitzer Norden an der B 6 gebaut. Pendler nervt das. Eine Firma schreibt bereits Verluste.

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© nikolaischmidt.de

Von Ralph Schermann

Frank Pfuhlmann spürt den Straßenbau. Am Umsatz. Der geht immer weiter zurück. Denn seine kleine Firma liegt direkt an der Baustelle und ihren Umleitungen. Auf der B 6 im Görlitzer Norden betreibt er nahe der Hornbach-Kreuzung mit einer Kollegin einen Auto-Pflege-Dienst. Seit gebaut wird, kommen weniger Kunden. „Die wollen eben nicht im Stau stehen oder Zeit auf Umleitungen vergeuden“, sagt Pfuhlmann, „das kann ich ja auch verstehen.“ Seit 21 Jahren wäscht er Autos, seit 2001 als Inhaber der Textilen Waschanlage. „So wenig Umsatz wie seit den Baustellen war selten“, blickt er zurück.

Die Bauarbeiten im Görlitzer Norden sollen einige Stellen schwerer Unfälle entschärfen, erklärt Isabel Siebert vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv). Besonders in Erinnerung ist noch jene Tragödie vom April des Jahres 2013, als am Übergang von der B 6 in die B 115 ein Pkw mit einem Reisebus zusammenstieß. Der Autofahrer erlag kurz darauf seinen schweren Verletzungen.

Seit Jahresbeginn gibt es nun Umleitungen. Zuerst, weil am Rand der Autobahn zwischen Weißenberg und Görlitz reichlich Birken und Pappeln abgeholzt wurden. Dann begann im März der Bau eines Kreisverkehrs an der Autobahnauffahrt. Zwischen der Hornbach-Kreuzung (Abzweig nach Ebersbach) und der Autobahnzufahrt sind rund 1,4 Kilometer Bundesstraße erneuert.

Arbeiten noch bis 2016

An Radfahrer wurde mit besonderen Wegen gedacht. Und an vielen Stellen führt das Lasuv eine Forderung der Naturschutzbehörden aus und baut Durchlässe für Fischotter und Amphibien ein. In neun Bauabschnitten sollen alle Arbeiten noch bis 2016 dauern. Der Freistaat Sachsen lässt sich das Gesamtvorhaben 1,8 Millionen Euro kosten, und die Stadt Görlitz beteiligt sich daran mit etwa 32 000 Euro.

Am Montag begann die nächste Bauphase. Jetzt wird ein Radweg an der Ostseite der B 6 angebaut und ein weiterer Fischotterdurchlass eingearbeitet. Dafür muss aller Verkehr durch das Gewerbegebiet rollen, weil die Bundesstraße zwischen Hornbach-Kreuzung und Klingewalder Weg voll gesperrt ist. Das begann am Montag mit einigen Tücken. Die neue Vorfahrtregelung stand im Widerspruch zur Ampel, sodass bis zu deren Abschaltung durch die Straßenmeisterei Niesky zwei Görlitzer Polizisten die Kreuzung per Hand regeln mussten.

Frank Pfuhlmann erfuhr erst aus der Zeitung, dass seine Firma komplett abgeschnitten wäre. In letzter Minute wurde eine extra ausgeschilderte Sonderzufahrt eingerichtet. Manche Autofahrer folgten zunächst ihrer Gewohnheit statt den neuen Verkehrszeichen. Und mitten im Gewerbegebiet bekommen vor allem sehr lange Lastzüge Schwierigkeiten mit den teils engen Kurven. Sonst aber sehen es Betroffene entspannt. „Man kommt flott durch, besser als mit den Baustellenampeln“, sagt Karl Schnabel, der täglich zur Arbeit nach Niesky fährt.

Auch Pendlerin Annett Fränkel war angenehm überrascht: „Keine Probleme. Im Berufsverkehr ist zwar mehr los, aber das würde auf der normalen Straße ja auch so sein.“ Dass es Dienstagmittag mal eine halbe Stunde stockte, hatte eine andere Ursache: Ein Traktor hatte eine Panne. Da kennt Frank Pfuhlmann noch andere Bilder: „Als die ersten Baustellenampeln hier standen, ging der Stau manchmal kilometerweit.“

Der Waschstraßen-Inhaber fragt stets seine Kunden nach solchen Belastungen. „Bis zu 20 Minuten länger als sonst hat mancher dann bis zu mir gebraucht“, erzählt er. Da bleiben Kunden eben aus, auch wenn es gratis Kaffee gibt, während das Auto gewaschen wird.

Siebenter und letzter Fischotterdurchlass

Selbst wenn die jetzige Umfahrung halbwegs angenehm zu bewältigen ist, hoffen Pendler, die seit März mal über Autobahnumleitungen, mal über Ampeln, mal über Bundesstraßen-Ausweichen klagen, auf ein baldiges Ende der Gesamtbaustelle. Das wäre aber zu früh gefreut. Denn der jetzige Bauabschnitt soll zwar in sechs Wochen fertig sein, der nächste wird aber schon vorbereitet. Wieder wird neben der B 6 eine provisorische Umfahrung angebaut, die für den siebenten und letzten Fischotterdurchlass dient. Ende Oktober soll sie befahrbar sein und den Bogen durch das Gewerbegebiet ablösen. „Dann gibt es hier wieder eine halbseitige Verkehrsführung mit Regelung durch eine Baustellenampel“, kündigt Isabel Siebert bereits an.

Dann wird zudem auch die Einmündung Klingewalder Weg umgebaut, es werden die Verkehrsinsel und die Radwegquerung angepasst. „Dazu muss ebenfalls eine Baustellenampel in Betrieb gehen. Im unmittelbaren Anschluss daran erfolgt dann die Umsetzung dieser Ampel an die Hornbach-Kreuzung. Auch an der erfolgen dann Anpassungen der Radwegquerung. Und es wird noch in Richtung Kreisverkehr die Bundesstraße verbreitert“, zählt Isabel Siebert alles auf, was sich noch bis nächstes Jahr an Bauarbeiten hinziehen wird.

Pendler müssen sich also weiter in Geduld üben und Frank Pfuhlmann muss noch Monate damit leben, dass seine Firmenkasse weiter drastisch unter den Straßenbauvorhaben leidet, auch wenn der Auto-Pflege-Dienst trotz der Baustellen immer erreichbar sein wird. Der Inhaber hat bereits ein großes Transparent bestellt, das weithin für die Öffnung der Waschstraße werben soll. Er hat sogar Verständnis für den Bauaufwand für Fischotter. Das sind jedenfalls sehr friedliche Tiere, vermutet er: „Seit 20 Jahren habe ich vor meinem Betrieb einen kleinen, flachen Teich mit Goldfischen und Kois. Noch nie hat sich irgendein Otter die als Futter geholt.“