Von Sven Görner
Bei Mario Assmann und seinen Mitarbeitern vom Tierschutzcentrum Meißen herrschte gestern ausgelassene Stimmung. Der Grund dafür sind zwei kleine Lämmchen, die in der Nacht zum Dienstag und am Wochenende geboren wurden. Eigentlich ist das nichts Besonderes. In diesem Fall aber schon. Denn ihre Mütter gehören zu den vier Schafen, die Ende Januar völlig vernachlässigt auf einer Weide in Moritzburg beschlagnahmt worden waren. Seit dem erholen sie sich in der Obhut der Tierschützer in Meißen.
Der kleine weiße Schafbock vom Wochenende wurde auf den Namen „Wölkchen“ getauft. „Wölkchen ist zwar sehr zart, aber er trinkt eifrig bei seiner Mutter und wir hoffen, dass er groß und stark wird“, sagt Mario Assmann. Gleiches trifft auch auf das jüngere kleine schwarze Schafmädchen zu, das den bezeichnenden Namen Hope (Hoffnung) trägt. Tatsächlich hatten die Mitarbeiter des Tierschutzcentrums sehr darauf gehofft, dass die beiden trächtigen Muttertiere gesunde Schäfchen zur Welt bringen. Denn die beiden anderen Tiere hatten kurz nach der Beschlagnahme Totgeburten erlitten.
„Dass die beiden Schafe tote Lämmer zur Welt brachten ist auf die äußerst mangelhafte Ernährung durch die Besitzerin, zurückzuführen“, erklärt Ursula Bauer von Aktion Tier. Durch Unterernährung werde die Adrenalindrüse des Muttertieres aktiviert, was wiederum zur Folge habe, dass der Cortisolspiegel des Fötus steige. Cortisol ist ein körpereigenes Stresshormon, welches normalerweise erst vor der Geburt gebildet wird. „Steigt der Cortisolspiegel des ungeborenen Lamms aufgrund der Unterernährung der Mutter zu früh an, führt dies zur viel zu frühen Einleitung der Geburt“, so die Diplom-Biologin Ursula Bauer. Das Lamm kommt dann unterentwickelt oder stark missgebildet und in der Regel tot zur Welt.
Wie die SZ berichtet hatte, waren Ende Januar von einer Radebeulerin neun tote Schafe auf einer Weide bei Moritzburg entdeckt worden. Kurz darauf hatte das Veterinäramt und die Ortspolizeibehörde die überlebenden fünf Schafe beschlagnahmt und in die Obhut des Tierschutzcentrums der Aktion Tier in Meißen gegeben. Eines der fünf Tiere starb damals noch vor Ort, die vier geretteten Schafe erholen sich nun allmählich dank der guten Pflege.
Die Obduktion der toten Weideschafe hatte ergeben, dass die Tiere komplett unterernährt waren. Sogar das Herzfett war vollständig abgebaut. „Dieses Fettdepot wird erst kurz vor dem Verhungern als letztes vom Körper abgebaut“, sagt Ursula Bauer. Die sehr menschenscheuen Tiere hätten viel Leid erfahren. „Wölkchen und Hope sind in all dem Elend ein Lichtblick und Symbol für einen neuen Anfang. Wir werden dafür sorgen, dass sie ohne Angst und Hunger aufwachsen und ihr Leben in vollen Zügen genießen können“, so Mario Assmann .
Lorenz Haase von der Dresdner Staatsanwaltschaft sagte gestern gegenüber der SZ, dass die Anzeige gegen die Halterin aus Moritzburg derzeit noch geprüft werde. Auf die Frage nach dem möglichen Strafmaß ergänzte er: Wer Tieren über längere Zeit Schmerz zufügt, kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe verurteilt werden.