Merken

Lager funktioniert nach Kaufhausprinzip

Das neue Logistikzentrum von Pietsch Haustechnik ist fertig. Doch weitere Baumaßnahmen sind geplant.

Teilen
Folgen
© André Braun

Von Sylvia Jentzsch

Ostrau. Etwa 22 000 blaue Kisten stehen in den Regalen im Kleinteilelager der Firma Pietsch Haustechnik GmbH. Auch langjährige Mitarbeiter hätten hier keine Chance, sich zu merken, wo sich welches Teil befindet. Denn gearbeitet wird mit einem sogenannten chaotischen Lagersystem. Sind die Teile in einer Kiste alle, wird sie durch eine neue Kiste mit anderen Teilen ersetzt.

Im Kleinteilelager stehen etwa 22000 Kisten in Regalen.
Im Kleinteilelager stehen etwa 22000 Kisten in Regalen. © André Braun

Nur das Lagerverwaltungssystem weiß, wo sich was befindet. Grundsätzlich werden Teile, die öfter benötigt werden in den vorderen Regalen und gut erreichbar abgelegt. „Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter kurze Wege zurücklegen müssen“, sagte Frank Leupers, Bereichsleiter Logistik in der Unternehmensgruppe Pietsch. Man könne sich das Kommissionieren der Ware vorstellen, wie einkaufen – allerdings mit einem Headset. Das legt individuelle Sprachprofile fest, sodass jeder Mitarbeiter vom System anhand der Sprache erkannt wird.

Auf einem großen Wagen stehen 20 Kisten. Mithilfe einer Sprachsteuerung erfahren die Lageristen, wo sich welche Teile befinden und wie viele sie in den „Einkaufskorb“ mit einer bestimmten Prüfziffer legen müssen. Sie müssen sowohl die Entnahme als auch die Bestückung des Einkaufskorbes bestätigen. Damit erfolgt zugleich eine Art Inventur innerhalb des Prozesses und es wird festgestellt, wann neue Teile bestellt werden müssen.

„Mit dem Lagerverwaltungssystem wollen wir ein fehlerfreies Arbeiten ermöglichen. Zurzeit werden 99,8 Prozent der Artikel richtig kommissioniert. Wir arbeiten daran, die Fehlerquote noch weiter zu verringern“, so Leupers. Er hat langjährige Erfahrungen mit dieser Technik, da diese zuerst in der Zentrale von Pietsch Haustechnik in Ahaus zum Einsatz kam. Ist das Lager einmal voll ausgelastet, können aufgrund des ausgeklügelten Systems auch Aushilfskräfte eingesetzt werden.

Mit dem System seien viele Zugriffe auf die vom Kunden gewünschten Teile möglich. Am Abend werden 15 Touren und am Morgen zwei Touren nach Döbeln und Dresden zusammengestellt. Während sich das Klein- und Kleinstteilelager auf der oberen Ebene befinden, sind die größeren Teile im unteren Bereich der 5 300 Quadratmeter großen Halle. Die Regale hier sind bis zu sieben Meter hoch. Es gibt Breit- und Schmalgangregale.

Zu den Regalen mit den größeren Teilen wie Badewannen, Duschkabinen oder Heizkörpern führt ein breiter Gang, weil der Gabelstapler die jeweiligen Paletten herausheben muss. Gesteuert wird alles über ein Tablett. Im Schmalgang-Regallager liegen unter anderem Armaturen, Heizungspumpen oder Brausenköpfe. Die Artikel erreichen die Lageristen mithilfe des Staplers. Auch hier funktioniert alles über das Lagerverwaltungssystem.

Zurzeit ist das Kleinteilelager zu etwa 50 Prozent ausgelastet. Ziel ist es, dass das Dienstleistungsunternehmen künftig statt der bisher 13 000 auf 20 000 Artikel zurückgreifen kann. Erreicht wurde schon, dass man schneller auf Kundenwünsche reagieren kann, da sich die Lieferfähigkeit mit dem neuen Lager wesentlich erhöht hat. „Nachdem wir das Lager Anfang September in Betrieb genommen haben, sind wir nun in ruhigerem Fahrwasser“, sagte Claudia Piefel, Leiterin für Logistik in Ostrau. Die Mitarbeiter hätten sich an die neue Technik und das Lagerumfeld gewöhnt. Täglich werden noch Prozesse angepasst. Während der Umstrukturierung habe es keinen Tagesausfall gegeben. Das sei das Ergebnis von jeder Menge Überstunden und viel Nachtarbeit in den vergangenen Monaten, so Claudia Piefel. Es sei toll, wie die Mannschaft mitgezogen habe. Die hat nun neben besseren Arbeitsbedingungen, ein beheiztes Lager, neue Technik und ergonomische Arbeitsplätze.

Und noch eine Neuerung gibt es seit dieser Woche. Pietsch hat jetzt ein Fachcenter. Handwerker, die Ersatzteile direkt in Ostrau abholten, mussten bisher teilweise längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Im Fachcenter liegen die 1 800 am meisten abgerufenen Artikel in Regalen. So dass der Mitarbeiter von Pietsch nicht erst ins Lager laufen muss, um das Teil zu holen. „So werden die Wartezeiten verkürzt und die Kunden sind zufriedener. Das ist unser Ziel“, sagte Claudia Piefel.

Die Firma ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Die Lagermöglichkeiten des Ostrauer Zentrallagers waren an ihre Grenzen gekommen. Die Unternehmensleitung der Firmengruppe Pietsch in Ahaus traf vor einigen Jahren die Entscheidung, das Firmenareal in Ostrau zu erweitern. Zunächst wurden eine Kaltlagerhalle und ein Freilager sowie ein Mitarbeiterparkplatz oberhalb des bisherigen Firmengeländes gebaut. Dann wurde die große Lagerhalle mit Bürogebäude errichtet. Damit sind die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen. Die Hälfte der alten Lagerhalle wurde schon ausgeräumt. Hier entsteht ebenfalls ein modernes Hochregallager. Ist das fertig, geht es mit der anderen Hälfte weiter.

Zwei Millionen Euro wurden in die Lagereinrichtung mit modernem Verwaltungssystem und sechs Millionen Euro in das Bauvorhaben investiert.