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Land unter in Niesky noch ein Jahr länger

So schnell ist die Puschkinstraße nicht asphaltiert. Bei den Anwohnern steigt nun die Angst vor dem Winter.

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© André Schulze

Von Thomas Staudt

Niesky. Ohne Gummistiefel würde Dietmar Klingauf (58) das Wasser in die Schuhe laufen, obwohl der Starkregen vom Wochenende schon wieder ein paar Tage her ist und die Pfützen reichlich an Tiefe verloren haben. Der Nieskyer wohnt in der Puschkinstraße und gehört zu denen, die sich für die Asphaltierung ihrer Straße seit Jahren am weitesten aus dem Fenster lehnen. Mit einigem Erfolg: Im vergangenen Jahr wurde das schlimmste Teilstück, die Kurve der sogenannten Nordschleife, saniert. Aber damit ist das Problem nicht gelöst. Der nördliche Abschnitt ist noch immer weitgehend unbefestigt. Bei Regen machen flache und tiefe Schlaglöcher die Fahrbahn zu einer Seenlandschaft im Miniformat. Die Anwohner fahren Schmutz und Dreck mit ihren Autos auf die Höfe und tragen beides ins Haus, wenn sie nicht die Schuhe an der Haustür abstreifen. Das ist ärgerlich, aber nicht gefährlich.

Anders ist es im Winter, sagt Dietmar Klingauf. Wenn das Wasser in den Pfützen zu gefrieren beginnt und die feste Deckschicht durch ständiges Befahren oder Gehen zerbricht, sich die Schollen Stück für Stück übereinanderschieben und sich der Matsch zu hohen Haufen türmt, wächst die Gefahr, mit dem Auto aufzusitzen. Ohne fremde Hilfe ist der Betroffene meist aufgeschmissen. Wenn es ganz dicke kommt, kann auch eine Reparatur fällig werden. Wer zu Fuß unterwegs ist, obwohl er eigentlich schlecht laufen kann, oder mit dem Fahrrad, riskiert sogar seine Gesundheit. Tatsächlich sei schon der ein oder andere gestürzt. Aktuelle Fälle sind allerdings nicht bekannt. Dazu kommt, dass nur in unregelmäßigen Abständen geräumt wird, sagen die Anwohner.

Ihnen reißt langsam der Geduldsfaden. Doch sie werden sich weiter in Geduld üben müssen. Vor 2018 geht in der Puschkinstraße nichts. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) in Meißen hat signalisiert, dass mit den Geldern erst im nächsten Jahr zu rechnen ist. Das Förderprogramm sei überzeichnet, die Anträge türmen sich, sagt Enrico Bachmann, der Leiter des Tiefbauamts im Nieskyer Rathaus. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Das Landesamt wird erst tätig, wenn der Eigenanteil gesichert ist. Das war in Niesky mit dem Haushaltsbeschluss im Sommer der Fall. Im Klartext: So lange ist der Antrag noch gar nicht vollständig.

Eigentlich war die Sanierung, und damit der Einbau einer festen Deckschicht, eine neue Straßenbeleuchtung, die Sanierung der Kanäle und Leerrohre für Breitbandanwendungen wie schnelles Internet, Fernsehen oder Telefon, für dieses Jahr vorgesehen. Das bestreitet Bachmann gar nicht. „Aber wir haben immer dazugesagt, dass es erst dann losgeht, wenn die Fördermittel bewilligt sind.“ Er rechnet mit 254 000 Euro aus Dresden. Dazu kommen 87 000 Euro an Ausbaubeiträgen von den Anwohnern und ein städtischer Eigenanteil über knapp 58 000 Euro, macht zusammen 398 000 Euro. „Die Fördermittel sind wichtig, weil dadurch auch der Eigenanteil der Anwohner sinkt“, so Bachmann. Geht seine Rechnung auf, werden Beträge zwischen 1 500 und 3 000 Euro fällig. Wie viel genau, ist abhängig von der Grundstücksgröße. Darüber wissen alle längst Bescheid. Eine Anwohnerversammlung ist bereits vor geraumer Zeit gelaufen. Und obwohl einige für die Begleichung der Beiträge richtig sparen müssen, wollen alle die asphaltierte Straße.

Die Puschkinstraße ist nicht die einzige ohne Asphalt. 25 Wohnstraßen mit einer Gesamtlänge von 13,2 Kilometern sind in Niesky und den Ortsteilen noch unbefestigt. Zum Vergleich: Für 170 Kilometer Straße ist die Stadt insgesamt zuständig. Um jeden einzelnen beanstandungsfrei in Schuss zu halten, fehlt das Geld. Niesky müsste zehn Millionen Euro investieren, um alles durchzusanieren. Und Anwohnerstraßen genießen nicht die oberste Priorität.

Dietmar Klingauf muss also noch einen Winter unter widrigen Bedingungen überstehen. Das fällt ihm durchaus schwer. Der Berufskraftfahrer steigt werktags gegen halb sechs in seinen Transporter und fährt Schüler nach Rothenburg und zurück. Im Winter wird er die Gummistiefel wohl gegen Spikes tauschen.