Merken

Landen ist wie Rückwärtseinparken

In Großenhain erfüllt sich Claudia Struckmeier den Traum vom Fliegen. Eine Leidenschaft, die man können muss.

Teilen
Folgen
© Kristin Richter

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Der Himmel schaut an diesem Vormittag aus wie glattgebügelt. Azurblau, die Sonne scheint, nicht ein Wölkchen ist zu entdecken. Ideale Bedingungen, die in diesem Frühjahr geradezu Seltenheitswert haben dürften. Für die junge Frau, welche gekonnt aus der weißen Cessna krabbelt, tatsächlich Flugwetter, wie es im Buche steht. „Es war heute richtig toll! Da musste ich in den letzten Wochen schon bei ganz anderem Wetter in die Lüfte“, bekennt Claudia Struckmeier und lacht.

Seit Herbst vergangenen Jahres absolviert die promovierte Medizinerin eine Ausbildung in der Großenhainer Flugschule „The flight Academy“. Ein Wunsch, den sich die 44-jährige Mutter zweier Töchter schon lange erfüllen wollte. War sie sonst stets nur Beisitzerin ihres flugbegeisterten Mannes, sollte es endlich einmal ihr selbst gelingen, eine Maschine zu fliegen.

Allerdings: Bevor sie sich überhaupt ans Ruder einer solchen setzen durfte, musste sich Claudia Struckmeier erst mal durch die Theoriestunden kämpfen. Ebenso wie beim Führerscheinerwerb für das Motorrad oder Auto logischerweise die Grundlage dafür, sich selbst mit einem Gefährt von A nach B bewegen zu können. Dass sich ihre Maschine in diesem Fall gut 1 200 Fuß über dem Erdboden befindet, schreckt die gebürtige Niedersächsin keineswegs. Schon Autofahren habe sie auf besondere Weise erlernt. Damals nämlich, als sie während eines Austauschjahres in Amerika mit dem fahrbaren Untersatz ihrer Gasteltern durch einen kleinen Ort südlich von New Jersey gekurvt ist.

Der Unterschied indes: Einerseits gebe es in ihrer Maschine weit mehr Knöpfe und Schalter, als ein normales Auto aufzubieten habe. Und andererseits könne sie mit einem solchen einfach rechts an den Straßenrand fahren und aussteigen. „Wenn ich im Flugzeug keine Lust mehr habe oder es mal schwierig wird, darf ich freilich nicht einfach aufhören zu fliegen. Ich sollte die Maschine schon unbedingt heil runterbringen“, weiß Claudia Struckmeier.

Bevor es an diesem Tag dann so weit war, musste die Flugschülerin zunächst einige Bodenarbeiten erledigen: die Maschine aus dem Hangar rollen, kontrollieren, ob ausreichend Sprit eingefüllt ist und das Ruder funktioniert. Denn auch wenn nicht zuletzt die Fluglehrer um den Besitzer von „The flight Academy“ Jan Meißner stets ein wachsames Auge auf ihre Leichtflugzeuge werfen würden. Der Auszubildende bekäme von Anfang an deutlich vermittelt, dass er selbst für die Flugtauglichkeit der Maschine verantwortlich sei.

Und: Vor dem berauschenden Gefühl, über den Wolken zu sein, hätten indes nicht nur die deutschen Behörden zunächst mal einhundert Ausbildungsstunden gesetzt. Der Zeitraum eines guten Jahres, in dem Schüler wie Claudia Struckmeier schnell begriffen, dass Wolken eben nicht nur Wolken sind. Vielschichtig sei der Himmel, so wie die menschliche Leistungsfähigkeit, die das Fliegen durchaus beeinträchtigen könne. Internationales Flugrecht, Navigation und GPS, Wetter oder Werkzeugkunde – die sympathische Palliativärztin lernte seit September, was ihre knapp bemessene Freizeit hergab. „Mir macht es auch wirklich total Spaß und ich betrachte die Ausbildung eher als einen Ausgleich zu meiner beruflichen Tätigkeit im Pirnaer Klinikum“, verrät Struckmeier.

In der von ihr als Oberärztin geleiteten Abteilung werde jeder einzelne noch verbleibende Tag gewissermaßen als ein kostbares Geschenk betrachtet. Vor allem jene Dinge, die sie nicht getan hätten, bereuten die Menschen am Ende ihres Lebens. Claudia Struckmeier wollte gern selbst fliegen – und tut es mittlerweile regelmäßig. Je nach Dienstplan und familiären Verpflichtungen kommt die Dresdnerin spätestens aller zehn Tage auf den Großenhainer Platz. Begeistert erzählt sie inzwischen von ihren Flugstunden, dem Üben von Kurven in verschiedenen Radien, berichtet von Sink- und Steigflug und der nicht zu unterschätzenden Gefahr, in gefiederten Gegenverkehr zu geraten. Gerade im Herbst, wenn die Vögel sich in großen Schwärmen aufmachten, gen Süden zu ziehen, müsse man besonders achtsam sein.

Aber nicht nur dann. Auch das Landen stelle für sie nach wie vor eine kleine Herausforderung dar. „Es ist ein wenig wie beim Rückwärtseinparken mit dem Auto“, erklärt die sympathische Flugschülerin und steigt nun wieder in ihre Maschine. Übungshalber extra eine mit vier Sitzen – wenn es auf Tour ginge, solle schließlich die ganze Familie darin Platz finden.