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Landkauf in Afrika: Neuer Kolonialismus oder Fortschritt?

Staaten und Investoren haben in Afrika gewaltige Flächen erworben. Manche fürchten eine neue Form von Kolonialismus. Aber Afrika hat ein riesiges, miserabel genutztes Agrar-Potenzial. Die Frage ist, ob die Auslandsinvestitionen dem Kontinent helfen oder schaden.

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Von Laszlo Trankovits

Kapstadt. Wer das Elend Afrikas verstehen möchte, sollte übers Land fahren und Märkte besuchen. In Sambia oder Nigeria sieht er Frauen, die auf kleinen Feldern mit simplen Werkzeugen die Erde bearbeiten, wässern, Unkraut jäten oder Früchte ernten. In Tansania oder Mosambik fährt man auf miserablen Straßen durch unberührte Landschaften mit üppiger, wilder Vegetation. Bei der Rückkehr in die Metropolen Lagos oder Maputo finden sich auf den Märkten Reis, Obst, Gemüse und Fleisch - vieles importiert aus Europa, Brasilien, den USA oder dem einzigen Schwellenland des Kontinents, Südafrika.

Afrika, das vor 50 Jahren noch Nahrungsmittel exportierte, ist inzwischen bei der Grundversorgung abhängig von Importen und internationalen Hilfen. Zwar preisen Weltbank und Regierungen die positiven Wirtschaftsdaten Afrikas. Diese sind aber vor allem direkt oder indirekt Rohstoffexporten zu verdanken. Die Landwirtschaft aber, Lebensgrundlage für mehr als die Hälfte der eine Milliarde Afrikaner, siecht in den meisten Ländern dahin. Immer wieder gibt es dramatische Hungersnöte. Laut UN-Daten leidet noch immer fast ein Viertel aller Afrikaner an Mangelernährung.

„Früher waren wir weltweit größter Exporteur von Erdnüssen und Palmöl. Heute importieren wir Nahrungsmittel, wir sind größter Reisimporteur der Welt“, klagte selbstkritisch Nigerias Landwirtschaftsminister Akinwumi Adesina. Für die Ernährung der 167 Millionen Nigerianer werden im Jahr für 11 Milliarden Dollar (derzeit 8,5 Milliarden Euro) Getreide, Reis, Fisch und Zucker importiert. „Das ist Unsinn angesichts unser eigenen Ressourcen.“ Aber seit das Ölgeschäft boome, sei der Agrarbereich grob vernachlässigt worden.

60 Prozent der potenziell landwirtschaftlich nutzbaren Fläche weltweit liegen laut Weltbank in Afrika. Selbst in fruchtbaren Ländern wie Mosambik oder Sambia dienen kaum mehr 20 Prozent des Landes der Landwirtschaft. Zudem ist sie äußerst ineffizient. Die Kleinbauern produzieren meist nur für den Eigenbedarf. Ihnen fehlt es an allem: an Ausbildung und Motivation, an Dünger und Technik, an Straßen und Lagerhäusern, an Fahrzeugen und Handelsketten, an einer unbestechlichen Bürokratie und zugänglichen Märkten.

Seit einigen Jahren nun kaufen Investoren aus Saudi-Arabien, Katar, Indien, China, Europa oder den USA große Flächen auf. Seit 2000 wurden laut dem jüngsten, vom ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan vorgestellten „Fortschrittsreport Afrika“ bis zu 134 Millionen Hektar Land in Afrika erworben - das entspricht in etwa der Größe Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens zusammen.

Käufe oft undurchsichtig und zum Nachteil der Bevölkerung

Kritiker wie der britische Autor Fred Pierce und internationale Hilfsorganisationen sehen eine „neue Form des Kolonialismus“. Oft seien Landkäufe undurchsichtig und dank korrupter Politiker und windiger Investoren zum Nachteil der Bevölkerung, sagt Annan. „Das Interesse am Landkauf ist auch so groß, weil von manchen Regierungen große Gebiete erworben werden können, ohne dass etwas oder viel bezahlt werden muss“, heißt es im Afrikareport.

In vielen Ländern - wie Tansania, Uganda und Mosambik - wurden Tausende Kleinbauern vertrieben. Denn in Afrika ist Landbesitz oft rechtlich nicht abgesichert. Die armen, ungebildeten Landbewohner werden leicht Opfer staatlicher Willkür und rücksichtsloser Investoren. Häufig setzt die Agrarindustrie dann auf eine Monokultur wie Mais, das meist nur der Biospritproduktion dient. Diese rein für den Export bestimmten Agrargüter helfen Afrika nicht, warnt Annan. „Es geht nicht, dass ausländische Konglomerate große Teile des Landes aufkaufen, um für ihre eigenen Märkte zu produzieren“. Eine solche Praxis wäre wie ein „Landraub“, so Annan.

Viele Regierungen sehen in Landverkäufen aber einen wichtigen Investitions- und Modernisierungsschub. Denn Regierungen, Weltbank und Geberländer der Entwicklungshilfe haben die Entwicklung einer modernen Landwirtschaft lange vernachlässigt. Oft wurden der Ausbeutung von Rohstoffen und Versuchen der Industrialisierung Vorrang gegeben. Zudem müssen Afrikas Bauern mit subventionierten Lebensmitteln aus Europa und den USA konkurrieren.

Die Kritik am „Landraub“ verschleiert nach Ansicht vieler Experten die wahren, hausgemachten Probleme Afrikas. Nigeria fürchte kein „land grabbing“ (etwa „Grapschen nach Land“), so Adesina. Nigeria brauche internationale Partner für die Entwicklung. Sehe man „die Landkäufe Afrikas im internationalen Vergleich, ist das kaum mehr als Durchschnitt“, relativiert auch UN-Afrikaexperte Carlos Lopes. Afrika sei angesichts der Bevölkerungsexplosion auf Modernisierung im Agrarbereich und deutliche Produktivitätssteigerungen angewiesen.

„Es ist doch völlig gleich, wer das Land besitzt, wichtig ist, dass es gut genutzt wird“, meinte der Unternehmer und reichste Mann Afrikas, Aliko Dangote. „Land Grabbing gibt es doch gar nicht.“ Afrika benötige unbedingt Agrar-Investitionen, „egal welche Hautfarbe die Investoren haben und welche Sprache sie sprechen“. (dpa)