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Landwirt wehrt sich gegen Erdgasleitung

Gascade plant zwei neue Gasleitungen durch Coswig. Dabei geht vorübergehend viel Ackerland verloren. Das stört aber nicht jeden.

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© Norbert Millauer

Von Peggy Zill

Coswig. Sechs Jahre, nachdem die Erdgasleitung Opal im Boden verschwunden ist, wartet Matthias Grosser noch immer darauf, dass die letzten Schäden, die auf seinen Feldern entstanden sind, behoben werden. Rund zehn Hektar seiner Flächen waren von der Opal-Baustelle betroffen. „Durch die Verdichtung des Bodens wächst an manchen Stellen gar nichts mehr“, erzählt der Brockwitzer Landwirt. Er habe teilweise Luzerne gesät. Der Tiefwurzler soll zur Bodenverbesserung beitragen. Aber die Pflanze hat es nicht geschafft. Bis zu drei Meter tief sei der Boden verdichtet. Nach Regen bilden sich immer wieder Wasserlachen. „Das Mindeste, was die tun müssten, wäre eine Tiefenlockerung.“

Auch müsse noch immer Mutterboden aufgefüllt und Drainage verlegt werden. Jährlich kommt ein Gutachter auf die Felder und schaut sich die Schäden an. Unterdessen hat sich Grosser einen Rechtsbeistand geholt. Vor Gericht ist er bisher noch nicht gezogen. „Dafür fehlt mir die Zeit.“ Und gegen das Gasunternehmen und seine Anwälte stehen die Chancen als kleiner Landwirt wahrscheinlich nicht so gut.

Apfelbäume müssen weg

Immerhin sei ihm bei einem Gespräch mit dem Gasunternehmen, der Stadtverwaltung und Landtagspräsident Matthias Rößler zugesagt worden, dass die Mängel nun behoben werden. „Die geben sich Mühe, weil sie Angst haben, dass die Landwirte beim nächsten Bauvorhaben meckern“, so Grosser. Das wird er trotzdem tun. Bis Ende 2020 sollen zwei neue Erdgasleitungen durch Coswig verlegt werden. Um den Flächenverbrauch zu minimieren, plant der Bauherr Gascade für seine Europäische Gasanbindungsleitung (Eugal) keine neue Trasse, sondern will die Rohre möglichst dicht zur Erdgasfernleitung Opal verlegen. Die Doppelleitung hat einen Durchmesser von 1,40 Metern und eine Länge von 485 Kilometern. Davon führen etwa 110 Kilometer durch Sachsen. „Ich will die neuen Leitungen nicht hier haben, weil es wieder Ärger geben wird. Das ist bei solchen Großprojekten vorprogrammiert.“

Während der Bauarbeiten wird ein 52 Meter breiter Streifen in Beschlag genommen. Große Rücksicht wird das Unternehmen auf die Landwirte wohl nicht nehmen, befürchtet Matthias Grosser. „Die wollen ja schließlich fertig werden.“ Die Rohre müssten auch durch die Plantagen von Michael Görnitz verlegt werden. Apfelbäume und Aronia-Sträucher würden rausgerissen werden. Besonders die Bioflächen sind davon betroffen. Görnitz sieht das jedoch sehr gelassen. „Wir bekommen eine gute Entschädigung.“ Er sei zufrieden gewesen, wie das bei Opal gelaufen ist. Deshalb werde er sich nicht mit Gascade herumstreiten. So eine Gasleitung sei die beste Fruchtfolge. Natürlich würden die Böden bei einem solchen Eingriff leiden und es würde zunächst einen Ertragsverlust geben. „Mit der Entschädigung können wir aber andere Flächen kultivieren.“ Nach Aufdüngen und Aufarbeiten der Böden über die Opal-Rohre sind die Flächen wieder nutzbar. Auch dieser Aufwand wird bezahlt. Gegen die neuen Leitungen wird sich Görnitz deshalb nicht wehren. „Die Gasleitung dient ja auch dem Allgemeinwohl.“ Wie hoch die Entschädigungen für die betroffenen Landwirte ausfallen werden, wird noch mit dem Landesbauernverband geklärt, wie Nicola Regensburger von der Gascade-Pressestelle mitteilt. „Wir befinden uns noch in einer sehr frühen Planungsphase.“

Voraussichtlich im Sommer sollen die Unterlagen im Rathaus ausgelegt werden, wie Bauamtsleiter Wolfgang Weimann erklärt. Damit wird das sogenannte Raumordnungsverfahren, bei dem es um den Verlauf der Trasse geht, eröffnet. Gascade habe einen straffen Zeitplan. Baubeginn für den ersten Strang soll in zwei Jahren sein, ein Jahr später folgt der zweite.

Die bestehende Ostsee-Pipeline kommt von Niederau und verläuft über die Köhler- und die Elbgaustraße nach Brockwitz. In Kötitz queren die Rohre die Elbe. Es gibt Überlegungen, dass die Leitung einen Bogen um Meißen macht und durch die Lommatzscher Pflege führt. Bei der Variante Meißen-West würde die Leitung in Diera-Zehren die Elbe queren. Eine Alternative, die Coswig klar bevorzugt. „Wir wollen keine Alibivariante, sondern eine ernsthafte Untersuchung“, so Weimann. Die Siedlungsentwicklung und der Sicherheitsaspekt sind laut Verwaltung bei den Planungen bisher zu kurz gekommen. „Das ist starker Tobak, was man uns da zumutet“, sagt Oberbürgermeister Frank Neupold (parteilos). Die baulichen Hindernisse würden mit zwei weiteren Rohren immer größer. Ein 32 Meter breiter Streifen darf dauerhaft nicht überbaut werden. Die Erdgasleitung quert außerdem den Trassenkorridor der S 84 neu. „Wenn die zeitgleich gebaut wird, wird es interessant“, so Weimann. Dafür werde sich eine Lösung finden, meint hingegen die Gascade-Sprecherin.

Das wird ein „warmer Herbst“ prognostiziert Frank Neupold. „Ich kann die Größenordnung für dieses dicht besiedelte Gebiet nicht gutheißen“, so Neupold. Deshalb werde die Stadt versuchen, sich zu wehren. Auch wenn Coswig dafür vielleicht viel Schelte bekommen wird.