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Lastwagenfahrer nach Unfall verurteilt

Auf der A 4 stieß ein Auto mit einem Lkw zusammen, als dieser ausscherte. Bei dem Unfall starb ein junger Mann.

Von Theresa Hellwig
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Bei dem Unfall zerbarst das Auto. Hätte der Lastwagenfahrer den schnell herannahenden Pkw im Spiegel sehen können?
Bei dem Unfall zerbarst das Auto. Hätte der Lastwagenfahrer den schnell herannahenden Pkw im Spiegel sehen können? © Archivfoto: Toni Lehder/LausitzNews.de

Bautzen. Das ist für die Angehörigen des Autofahrers nicht leicht: Auf einem Video, das im Bautzener Amtsgericht an die Wand des Gerichtssaals gestrahlt wird, sehen sie einen Lastwagen. Der Lastwagen schert auf die Überholspur aus, ein weißes Auto fährt mit hoher Geschwindigkeit auf. Das alles geht sehr schnell, doch die Angehörigen sehen, wie das Auto gegen die Leitplanke prallt und wie es ins Schleudern gerät. Das Auto zerbirst, Teile schießen quer über die Autobahn. Die dahinter fahrenden Autos können zwar gerade noch ausweichen, doch für die Angehörigen des Autofahrers und auch für den Lkw-Fahrer ändert sich in diesen kurzen Sekunden vieles im Leben. Denn der 28-jährige Autofahrer stirbt.

Der Unfall passierte am 4. Juli 2017 gegen 13.30 Uhr auf der A 4 in Richtung Bautzen zwischen Burkau und Uhyst. Dieser Streckenabschnitt ist mittlerweile als Unfallschwerpunkt bekannt. Eine Kamera, die das Landesamt für Straßenbau und Verkehr installiert hatte, um den Verkehr zu beobachten, zeichnete die Kollision auf. Am Dienstag musste sich nun der Lastwagenfahrer vor Gericht verantworten. 

Ein 54-jähriger Kamenzer stand am Dienstag wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht.
Ein 54-jähriger Kamenzer stand am Dienstag wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. © lausitznews.de

„Der Angeklagte wird beschuldigt, durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen herbeigeführt zu haben“, verliest Staatsanwalt Rainer Schneider die Anklage. Schon bald wird deutlich, dass es für ihn bei diesem Fall um mehr geht als nur um einen einmaligen Unfall. Es bricht aus ihm heraus: „Das wird immer unter den Tisch gekehrt, diese verdammte Elefantenrennerei.“ Die Ärmel seiner Robe flattern, er gestikuliert ausladend. „Wir haben heute den ganzen Tag Leute, die denken, sie können machen, was sie wollen.“ Er meint damit, dass der Lastwagenfahrer überholte, obwohl der vor ihm fahrende Lkw die zugelassene Geschwindigkeit von 80 km/h laut Gutachter bereits ausreizte.

Nicht nur für den Staatsanwalt scheint das Thema ein emotionales zu sein; der Gerichtssaal ist so voll, dass weitere Stühle geholt werden müssen. Die Luft im Saal wird dicker und dicker. Nahezu regungslos sitzt der 54-jährige Lastwagenfahrer aus Kamenz auf der Anklagebank, seine Haut wirkt grau und eingefallen. Seine Augenlider, die sich ab und zu rot verfärben, zeugen davon, dass ihm das, was er hört, nahegeht. Schweigend lauscht er den Rechenspielen, die ein Gutachter von der Dekra und ein Gutachter, den sein Verteidiger mitgebracht hat, gemeinsam mit dem Staatsanwalt, dem Verteidiger und Richter Ralf Nimphius durchführen. Wie groß war der Abstand des Pkw zum Vorgängerauto? Wie schnell war der Autofahrer vor dem Unfall? Mit welcher Geschwindigkeit prallten die Fahrzeuge aufeinander? 

Gericht muss viele Details beachten

Der vom Gericht beauftragte Gutachter kommt zu dem Schluss, dass der Pkw mit einer Geschwindigkeit von etwa 200 km/h unterwegs war. Es sind viele Details, mit denen sich das Gericht an diesem Tag befasst. Zimperlich werden dabei nicht einmal die Zeugen und der Gutachter angefasst. Ein Foto zeigt, dass die Spiegel des Lastwagens nach dem Unfall eingeklappt sind. Ist der Lastwagenfahrer womöglich gar so gefahren? Nein, ist er nicht. Zu diesem Schluss kommt das Gericht, nachdem das Video gezeigt wurde, auf dem zu sehen ist, wie der rechte Spiegel durch den Aufprall einklappt. Hätte der Lkw-Fahrer das schnell fahrende Auto überhaupt im Spiegel sehen können? „Ja“, sagt der Gutachter. Hätte der Autofahrer bremsen können? Die Gutachter jonglieren mit Zahlen, eine eindeutige Antwort finden sie nicht.

Am Ende befindet das Gericht den Lastwagenfahrer für schuldig. Er wird zu 140 Tagessätzen zu je 25 Euro plus einem Monat Fahrverbot verurteilt. Richter Nimphius stellt, an den Angeklagten gewandt, klar: „Was hier passiert ist, macht aus Ihnen keinen schlechten Menschen. Es war ein Unfall.“ Trotzdem erklärt er: „Wer überholt, muss dafür Sorge tragen, dass das sicher ist.“ Anders als in einigen Nachbarländern darf man in Deutschland zum Teil uneingeschränkt schnell fahren. „Darauf muss man sich als Fahrer einstellen.“