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Leben bald Wölfe im Osterzgebirge?

Wolfsexpertin Jana Endel erklärt im Gespräch, warum Ansiedlung von Wölfen möglich, aber nicht sicher ist.

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© dpa

Von Hauke Heuer

Freital/Rietschen. Kein Wildtier polarisiert so sehr wie der Wolf. Längst sind in der Lausitz mehrere Tiere heimisch geworden. Was für Naturschützer ein großer Erfolg ist, sorgt bei Landwirten und Viehhaltern für Unmut. Doch kommt Isegrim auch in das Osterzgebirge und lässt sich hier nieder? Jana Endel vom Kontaktbüro Wölfe in Sachsen möchte das zumindest nicht ausschließen.

Jana Endel vom Kontaktbüro Wölfe in Sachsen hält eine Ansiedlung von Wölfen im Osterzgebirge und dem Tharandter Wald für möglich.
Jana Endel vom Kontaktbüro Wölfe in Sachsen hält eine Ansiedlung von Wölfen im Osterzgebirge und dem Tharandter Wald für möglich. © Uwe Soeder

Frau Endel, bislang ist die Wolfspopulation vor allem auf Ostsachsen und die Lausitz beschränkt. Doch im Frühjahr vergangenen Jahres ging auch bei Altenberg ein Tier in die Fotofalle. Ist zu erwarten, dass Wölfe in das Osterzgebirge einwandern?

Das ist durchaus denkbar. Die Tiere, die hier beobachtet werden, sind meist Jährlinge, das heißt ein bis zwei Jahre alte Jungtiere, die mit dem Erreichen ihrer Geschlechtsreife das Elternterritorium verlassen, um sich auf die Suche nach einem geeigneten Lebensraum zur Etablierung eines eigenen Territoriums und der Gründung eines Rudels begeben. Auf dieser Suche können diese Tiere beträchtliche Strecken zurücklegen. Entweder etablieren sie nach Auffinden eines geeigneten Lebensraumes selbst ein Territorium und warten dann auf die Zuwanderung eines passenden Fortpflanzungspartners oder sie finden ein bereits von einem passenden Fortpflanzungspartner etabliertes Territorium. Der Tharandter Wald und das Osterzgebirge könnte einen Teil eines solchen zwischen 100 bis 350 Quadratkilometer großen Territoriums bilden.

Woher kommen diese Wölfe?

Die wandernden Tiere kommen wahrscheinlich aus den Wolfsgebieten in Sachsen sowie anderen Bundesländern, wie zum Beispiel Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt. Hier haben sich schon seit geraumer Zeit Wolfsrudel etabliert, aus denen junge Wölfe abwandern.

Nun reden wir nicht von der Lausitz oder der Uckermark. Wollen die Wölfe überhaupt in einer doch relativ dicht besiedelten Region bleiben?

Grundsätzlich zählen Wölfe zu den anpassungsfähigsten Tieren der Welt. Sie kommen keineswegs nur in Gebieten mit wenigen Menschen vor, sondern auch in dichter besiedelten Kulturlandschaften. Die wichtigsten Voraussetzungen sind ein ausreichend großes Beutetiervorkommen und Rückzugsräume, in denen sie den Tag verbringen und Welpen aufziehen können. Diese Voraussetzungen sind auch in der deutschen Kulturlandschaft vorhanden. Aber sie haben prinzipiell recht. Da Wölfe dem Menschen in der Regel aus dem Weg gehen, werden Ballungsgebiete gemieden, jedoch können sich die Wolfs-Territorien durchaus auch auf besiedelte Gebiete erstrecken.

Kürzlich Jahr wurde im Rabenauer Grund ein kopfloses Reh gefunden, was wohl auf einen Fuchs hindeutet. Dennoch war schnell vom Wolf die Rede. Wie entsteht der stark emotionalisierte Umgang mit diesem Thema?

Der Wolf ist als Thema gesellschaftlicher Debatten und in den Medien seit Jahren sehr präsent. Möglicherweise denken deshalb viele Menschen bei einem angefressenen Kadaver sofort an einen Wolf als Verursacher.

Zuletzt wurden vor allem in der Region Bautzen Abschüsse von Wölfen gefordert. Die Bestände seien zu hoch. Was ist an diesen Vorwürfen dran?

Da wir eine neutrale Informationsstelle sind, beziehen wir keine Stellung zu Forderungen, die den Umgang mit dem Wolf betreffen. Diesbezügliche Diskussionen und Entscheidungen obliegen den Politikern und der Gesellschaft. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist zum Thema Wolfsdichte anzumerken, dass Wölfe aus ökologischer Sicht keine Überpopulation bilden. Der Anzahl der Wölfe, die in einem Gebiet leben, ist stets eine natürliche Grenze gesetzt. Sie wird weitgehend durch die Häufigkeit und Verfügbarkeit ihrer Beutetiere und das Sozialverhalten der Wölfe reguliert. Durch die Lebensweise des Wolfes in Rudeln mit ausgesprochener Territorialität steigt die Wolfsdichte in Wolfsgebieten nicht immer weiter an. Ein Abschuss der Wölfe zur Reduzierung von Konflikten mit Landnutzern, wie Schäfern und Jägern, ist gegenwärtig in Europa nur unter Beachtung der Stabilität und der Erhaltung der Wolfspopulationen erlaubt. Grundsätzlich ist es nach den bestehenden Gesetzen möglich, in Sondersituationen einzelne Problemwölfe, zum Beispiel bei gefährlichem Verhalten gegenüber Menschen oder massiven Schäden an geschützten Nutztierbeständen, zu töten.

Sehen sie denn die Möglichkeit, dass sich im Osterzgebirge eine ähnlich große Population wie rund um Bautzen entwickelt?

Es ist unmöglich, hier Prognosen zu treffen. Der Tharandter Wald alleine reicht für einen Wolf oder ein ganzes Rudel nicht als Rückzugsort aus. Bei Bautzen gibt es um einiges größere Waldflächen. Allerdings ist es denkbar, dass die Tiere, sollten sie einmal eingewandert sein, auch die umliegenden Landschaften nutzen. Ein Wolfsrudel besteht in jedem Fall nur aus fünf bis zehn Tieren. Ein rasanter Anstieg der Population in der Region ist alleine aus diesem Grund nicht zu erwarten.

Das Gespräch führte Hauke Heuer.