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Lebensgefährliche Waschbeckenkeime

Die Radebeuler Firma MoeveoMed hat einen speziellen Siphon entwickelt. Im Krankenhaus kann der unter Umständen Leben retten.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Wer schon mal einen Siphon aus einandergebaut hat, weiß, was für eine eklige Angelegenheit das sein kann. Schon kurze Zeit nicht gereinigt, bildet sich an den Wänden eine unappetitliche Schmiere aus abgestorbenen Hautschuppen, Seifenresten, Haaren und anderem Schmutz. Der perfekte Nährboden für Bakterien. Sie haben dort Nahrung, es ist warm und feucht.

Unterm Waschbecken wird der Siphon als kleiner Kasten montiert.
Unterm Waschbecken wird der Siphon als kleiner Kasten montiert. © Norbert Millauer

Für gesunde Leute ist diese Keimschicht im Waschbecken in aller Regel unbedenklich. Ist das Immunsystem aber geschwächt, zum Beispiel nach einer Operation, können die Bakterien gefährlich werden – und das ausgerechnet beim Händewaschen. Auf diese Gefahrensituation hat sich die Radebeuler Firma MoveoMed spezialisiert. Genauer gesagt darauf, wie Keimen im Waschbecken der Garaus gemacht werden kann.

Jan-Michael Albrecht hat das Unternehmen im März 2012 gegründet. Im Sitz auf der Gartenstraße sind inzwischen neun Mitarbeiter beschäftigt. Dort wird auch der MeveoSiphon produziert. Eine Anlage, die in Europa und Amerika patentgeschützt ist und von der kleinen Radebeuler Firma aus in die ganze Welt verkauft wird. Zu den Kunden gehören neben deutschen und europäischen Kliniken auch Krankenhäuser in den USA, Kanada und Israel.

Das Prinzip des Siphons ist leicht verständlich. „Bakterien produzieren einen Klebstoff aus Zuckermolekülen“, erklärt Albrecht. In der Sperrflüssigkeit des Geruchsversschlusses bildet sich so ein großes Erregerreservoir. Dreht man den Hahn auf und frisches Wasser läuft hinein, schweben die Keime von der Innenwand des Siphons nach draußen. Diese Schleimschicht wird beim Siphon von MoveoMed aber verhindert, weil das Gerät zyklusweise vibriert. Dadurch können sich die Bakterien nicht festkleben. Außerdem wird das Wasser im Siphon durch eine kleine Heizplatte erhitzt und restliche Keime bei einer Temperatur von über 65 Grad abgetötet. „Das ist das gleiche Prinzip wie beim Pasteurisieren der Milch“, sagt der Geschäftsführer.

Bevor er seine Firma gründete, war Albrecht selbst viele Jahre für Pharmaunternehmen im Außendienst tätig. Dabei hat er die Erfahrung gemacht, dass die Hygieniker in Krankenhäusern zwar eine wissenschaftliche Ausbildung haben, mit technischen Möglichkeiten der Keimvermeidung aber weniger vertraut sind. „Im Mittelpunkt steht oft nur die Händedesinfektion“, sagt Albrecht. Das gehe mit unter so weit, dass Desinfektionsmittel weggeschüttet wird, damit die Klinik einen hohen Verbrauch nachweisen kann. Den Biofilm im Waschbeckenabfluss bekomme man durch Desinfektionsmittel aber nicht tot, sagt er. Das klappe nur mit einer mechanischen Reinigung.

Hochrisikobereiche in den Krankenhäusern sind zum Beispiel die Onkologie, die Intensivstation und die Neonatologie, wo Frühchen behandelt werden. Dort können Keime aus dem Waschbecken lebensbedrohlich werden, weil das Immunsystem der Patienten geschwächt ist. Oder nach einer Organtransplantation bewusst durch Medikamente heruntergefahren wird, damit der Körper das Organ nicht abstößt. Hinzukommt, dass es vermehrt multiresistente Keime gibt, bei denen Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen. „Schätzungsweise sterben in Deutschland pro Jahr 15 000 bis 30 000 Patienten durch Krankenhauskeime“, sagt Albrecht.

Für die Sanitäranlagen in Kliniken gebe es in Deutschland trotzdem vergleichsweise wenige Vorschriften. Auch der spezielle Siphon ist keine Pflicht. 1 400 Euro kostet ein Modell von MoveoMed. Bei 200 bis 300 Waschbecken pro Klinik ist das für die Krankenhäuser auch eine Kostenfrage. Zu 90 Prozent werde der Siphon deshalb erst bestellt, wenn es schon einen Keimausbruch gab, sagt Albrecht. Das Thema Keime sei ein sensibles Thema, über das sich die Kliniken untereinander wenig austauschen. Weil keiner zugeben wolle, dass er damit Probleme hat. So langsam gebe es aber auch ein Umdenken. Eine neugebaute Kinderklinik in Bonn etwa orderte den Siphon aus Radebeul von vornherein für alle Waschbecken im Krankenhaus.