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„Lebensgefährtin – das klingt immer so ein bisschen nach Hobbit“

Selten treten Ministerpräsident Kretschmer und seine Lebensgefährtin gemeinsam öffentlich auf – bei „Riverboat“ sprachen sie erstmals ausführlich über ganz Privates.

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© Screenshot: szo

Annette Binninger

Die kleine Unsicherheit mit der Anrede ist schnell gelöst. Mit dem Wort „Lebensgefährtin“ könne sie nichts anfangen, sagt Annett Hofmann resolut. „Das klingt immer so ein bisschen nach Hobbit“, scherzt die Frau an der Seite von Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. „Er ist der Mann an meiner Seite, also ist er mein Mann“, räumt Hofmann das Thema selbstbewusst ab. Die Talkshow ist für vier Sendungen von Leipzig nach Dresden zurückgekehrt. Da wo sonst Hunderte Essen in der Kantine des Finanzministeriums ausgegeben werden, parlieren an diesem Freitagabend die „Kretschmers“ mit Moderator Jörg Pilawa, Schlagerstar Bernhard Brink und Blödelbarde Karl Dall. So entspannt wie an diesem Abend und so erzählfreudig über Privates hat man den Ministerpräsidenten bisher noch nicht erlebt. Rund ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt. Eine Umstellung auch für die Familie.

„Für uns hat sich die Situation ein Stück weit neu sortiert, wir sehen uns sogar ein bisschen mehr als vorher, da mein Mann jetzt in Dresden ist“ erzählt Annett Hofmann. Vorher, das waren Kretschmers 15 Jahre im Bundestag, pendeln zwischen Berlin und Dresden inklusive. „Man muss es positiv sehen, wir stehen gemeinsam um sechs Uhr auf, haben zumindest ein gemeinsames Frühstück und manchmal auch einen gemeinsamen Abend“, sagt Hofmann. Er habe die 15 Jahre Abwesenheit „gar nicht so wahrgenommen“, sagt Kretschmer nachdenklich. „Aber es war offenbar doch für die Familie viel anstrengender, als ich es geglaubt habe.“ Der Bruch kam über Nacht, in der vom 24. Auf den 25. September 2017. Bei der Bundestagswahl verlor Kretschmer sein sicher geglaubtes Bundestagsmandat. Er ist quasi arbeitslos. Eine Erfahrung der tiefen Enttäuschung, erinnert sich Kretschmer an die Nacht. „Aber es ist an sich auch ganz gut, wenn man in seinem Leben so etwas mal erlebt hat“, sagt Kretschmer.

Sein sieben Jahre alter Sohn habe ihn am Morgen danach gefragt: „Papa, bist Du gewählt?“ Ich habe Nein gesagt. Und dann war eine kurze Pause. „Ja, dann hast Du ja jetzt mehr Zeit für uns.“ Wenige Wochen nach der Wahl trat Ministerpräsident Stanislaw Tillich zurück. Kretschmer wurde vom Wahlverlierer zur einzigen Option. „Also wir haben schon eine kurze Zeit auch schlecht geschlafen, denn das ist schon ein weitreichender Einschnitt“, erinnert sich Hofmann an die Nächte der Entscheidung und der familieninternen Diskussion. Die Patchwork-Familie hat vier Kinder, die beiden Jüngsten sind sechs und acht Jahre alt. „Wir haben das besprochen, wir haben überlegt, wieviel Öffentlichkeit wir zulassen und was wir mit den Kindern machen“, sagt Hofmann. „Die Entscheidung an sich haben wir nicht infrage gestellt. Aber ich glaube, es gehört dazu, dass man nicht sagt: Tschakka, juhu, jetzt geht’s los. So etwas muss man durchdenken.“ Kretschmer pflichtet ihr bei. Einen gewissen Schutz wünsche er für seine Kinder – sie sollen draußenbleiben aus der Öffentlichkeit. „Aber in Watte packen wollen wir sie auch nicht, die Kinder müssen von der Leine“, sagt die Vierfachmutter.

Und wie sagt man es den Kleinen, dass Papa jetzt das Land regiert? Annett Hofmann machte es spielerisch. „Ich habe mit den Kindern abends im Bett hin und wieder ein Spiel gemacht. Wir haben uns überlegt, was ist jetzt der wichtigste Beruf. Und natürlich sind die erstmal geflasht. Ministerpräsident, und plötzlich der Papa ständig in der Zeitung“, erinnert sie sich lächelnd. „Aber wenn man sich dann überlegt, wer jetzt wichtiger ist – der Arzt oder der Oberbürgermeister oder der Straßenbahnfahrer, das hat das Ganze für die Kinder nochmal in einen größeren Zusammenhang eingeordnet.“ Inzwischen sei es kein Thema mehr.

Annett Hofmann gab mit Amtsantritt ihres Mannes ihre Stelle als Pressesprecherin des Sozialministeriums auf. „Eine Frage der politischen Hygiene“, sagt die einstige MDR-Reporterin knapp dazu. So gar kein Interesse hat sie an der Rolle der „klassischen Landesmutter“. „Warum sollte ich das sein? Wir sind im Jahr 2018, ich bin eine eigenständige Frau, ich habe studiert, ich habe immer gearbeitet und eine Familie gemanagt. Da bin ich viel zu hibbelig, um jetzt nur Landesmutter zu sein.“ Ob das Paar sich in politischen Fragen immer einig sei, wird Kretschmer gefragt. „Meine Frau widerspricht mir regelmäßig“, scherzt Kretschmer. „Aber ich habe auch schon das ein oder andere gemacht, was sie gesagt hat.“ Als sie sich damals kennenlernten – die MDR-Reporterin und der CDU-Generalsekretär von Sachsen – da hatte sie so ihre Probleme mit seinem Redefluss. Gerne interviewt habe sie ihren heutigen Mann damals nicht. „Also ich habe immer spaßeshalber gesagt, man kann ihm ja auch ein Baguette hinhalten, der sagt ohnehin, was er will.“ Natürlich antworte man nicht auf die Frage, sondern sage lieber das, was man gerne sagten möchte, gibt Kretschmer sein Geheimnis zu. „Das wäre ja noch schöner.“ Er sage eben das, was er meine, aber eben nicht das, was gefragt werde.

Doch in der wenigen Zeit, die beiden heute bleibt, gehe es inzwischen zuhause immer weniger um die große Politik. Alltag organisieren, kurze Absprachen sind gefragt. „Warst Du heute im Kindergarten? Du hast heute früh wieder die Mütze vergessen?“, zählt Hofmann ein paar typische Kurz-Dialoge auf. Eine ganz normale Familie also, die an der Ausweitung handyfreier Zonen zuhause hart arbeiten muss. „Du musst Dich irgendwo erden“, sagt Hofmann.

Und wer ist der Strengere in der Erziehung? „Ich glaube, ich bin nicht so streng“, meint Kretschmer vorsichtig mit einem Blick auf seine Frau. Die ist an dieser Stelle auffällig zurückhaltend, hat dafür aber schon entschieden vorgesorgt für den Sommerurlaub. „Ich habe einfach Flüge gebucht und jetzt fliegen wir nach Portugal – ohne Reiserücktrittsversicherung.“ Mit Ferienwohnung, Mietwagen, zwei Wochen lang. Von Lissabon aus die Algarve nach Norden und Süden, ein bisschen was anschaue, ergänzt Kretschmer. Er habe doch noch 23 Jahre Arbeitszeit vor sich, ob er das Amt so lange führen wolle, fragt ihn Talkmaster Pilawa noch zum Schluss. „Nein“, sagt Kretschmer entschieden. „Aber die nächsten Legislaturperioden schon“, grinst er schelmisch.

>>> “Riverboat“ mit Hofmann und Kretschmer in der MDR-Mediathek