Leipzig. Der junge Iraker Farhad A. gilt als der mögliche Mörder von Chemnitz, er soll auf dem Stadtfest im August 2018 den jungen Daniel H. erstochen haben. Seither ist er auf der Flucht und wird international gesucht.
Nur zehn Wochen vor der Bluttat lieferte er sich ein heftiges Gerangel mit einem Einlasser des Clubs „L1“ in Leipzig. Doch vor dem Leipziger Amtsgericht stand am Mittwoch nicht der mutmaßliche Mörder – sondern der unbescholtene Michael T. Angeklagt von der Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung nach einem Streit mit Farhad A.
Michael T.s Nebenjob ist es, Gäste an der Disco-Tür höflich wegzuschicken, die betrunken oder unpassend gekleidet sind – wie Farhad A. am 17. Juni 2018 gegen 1.10 Uhr. Der damals 22-Jährige ist nach Schilderung aller Zeugen vorm Amtsgericht stark betrunken, vielleicht auch im Drogenrausch und aggressiv, er trägt kurze Hosen, Rucksack, Bierflasche. Der Mann an der Tür versagt ihn höflich den Zutritt.
Farhad A. beschimpft ihn als „Hurensohn“ und „Nazi“, bespuckt ihn mehrfach, reißt ihm einen Kopfhörer aus dem Ohr. Als ihn Michael T. zurückschiebt, fallen beide auf den Boden. Erst dann geht ein Türsteher dazwischen und löst die brenzlige Lage auf. Immerhin hat der Iraker bereits 20 Straftaten auf dem Kerbholz, darunter Körperverletzung, Drogenhandel, Diebstahl.
Keine Glanzleistung der Ermittler
Doch als die Polizei vorbeikommt, wird Michael T. beschuldigt, den Gast geschlagen und getreten zu haben. Offenbar wurde er von einem Türsteher, der ihm feindlich gesonnen ist, zu Unrecht beschuldigt. Der heute 38-Jährige muss sich wegen Körperverletzung verantworten, lehnt eine Geldbuße von 2.500 Euro aber ab. Seine schriftliche Aussage kommt bei den Ermittlern abhanden, auch ein Video des Abends wurde nicht gesichert.
„Der Fall war keine Glanzleistung der Ermittlungsbehörden“, sagt sein Dresdner Anwalt Frank Hannig. Nach zwei Stunden am Amtsgericht ist der Fall indes klar: Staatsanwältin Julia Sprenger zieht die Vorwürfe zurück, Amtsrichterin Gudrun Engelhardt spricht den Angeklagten frei. „Das war ein langer Albtraum“, sagt Michael T. An die Vorstellung, er hätte Opfer eines Messerstechers werden können, möge er dabei gar nicht denken.