Update Leipzig
Merken

Leipzig: "Kinderzimmer-Dealer" gesteht Beteiligung an zweitem Online-Drogenshop

Kinderzimmerdealer Maximilian S. erzählt vorm Leipziger Landgericht, warum er ein zweites Mal einen Drogen-Onlineshop aufbaute und wieder erwischt wurde.

Von Sven Heitkamp
 4 Min.
Teilen
Folgen
Der angeklagte "Kinderzimmer-Dealer" im Landgericht Leipzig.
Der angeklagte "Kinderzimmer-Dealer" im Landgericht Leipzig. © Archivbild: Peter Endig/dpa

Leipzig. Es ist der Tag des großen Auftritts für den Kinderzimmerdealer. Maximilian S. lehnt lässig an der Richterbank des Saals 115 im Leipziger Landgericht, er spricht in das Mikrofon des Vorsitzenden und erklärt in gelbem Hemd, wie einfach sein neuer Onlineshop funktioniert habe. „Als wollten Sie einen schönen Mantel bestellen.“ Auf der Internetseite von candylove.to gab es aber keine Mode, sondern kiloweise Drogen, unter anderem Haschisch, Kokain, LSD, Ecstasy und Medikamente.

Maximilian S. hatte schon einmal von seinem Jugendzimmer aus die Webseite „Shiny Flakes“ betrieben, wurde aber erwischt und 2015 zu sieben Jahren Jugendstrafe verurteilt. Am Montag erzählt der heute 28-Jährige, warum er es trotzdem wieder getan hat. Er gesteht zumindest seine Beteiligung am Aufbau des zweiten Online-Drogenshops – und schiebt die Schuld auf den mitangeklagten Friedemann G..

Es ist die Geschichte eines Einzelgängers, der sich für sehr schlau hält, aber vom Gymnasium auf die Realschule wechseln musste. Und eines Jugendlichen, der seinen Vater nie kennenlernte und wenige Freunde hatte – aber schon als Kind und Jugendlicher ständig am Rechner saß und wenig schlief: „Ich war immer vor dem Computer.“

Ausführlich erzählt Maximilian S., wie er im ersten Jahr seiner Haft in der ganzen Republik herumgefahren wurde, weil er in diversen Prozessen gegen Kunden seines Onlineshops als Zeuge aussagen musste. Erst mit dem Freigang im offenen Vollzug ab Herbst 2018 habe er den Mithäftling und jetzigen Hauptangeklagten Friedemann G. kennengelernt. Der sei wie ein Freund gewesen und habe ihn ausführlich nach „Shiny Flakes“ ausgefragt. „Ich fühlte mich ernst genommen.“

"Bande" oder nicht?

Schließlich habe Friedemann G. ihn gebeten, einen neuen Internetshop mit aufzubauen. „Für mich stand aber fest, dass ich außer dem Programmieren nichts damit zu tun haben möchte.“ Dafür gebe es ohnehin einfache Baukastensysteme im Internet. „Das ist nicht schwer.“ Zudem habe er ein Programm zur Abwicklung der Geschäfte geschrieben. Ende April 2019 sei der Verkauf bei candylove.to gestartet. Doch habe er weder Ware besorgt noch Preise bestimmt oder die Drogen portioniert, verpackt und verschickt.

Auch mit der Anmietung und Bezahlung von Arbeitswohnungen habe er nichts zu tun gehabt. „Ich war auf keinen Fall der Chef und Organisator“, betont Max S., während ihm die Ermittler vorwerfen, Kopf der Bande gewesen zu sein. „Es war abgemacht, dass ich mich jederzeit ausklinken kann.“ Außerdem habe er von Friedemann G. gewusst, dass dieser „bewaffneten Drogenhandel“ betrieben habe. „Das machte mir Angst“, sagt Maximilian S.. Den mitangeklagten Anwalt Andre R. habe er nur kurz im Zusammenhang mit G. kennengelernt. Ansonsten sei R. für ihn „nicht existent“ gewesen.

Diese Aussage wäre von großer Bedeutung, da Maximilian S. und die weiteren Angeklagten wegen „bandenmäßigen“ Drogenhandels angeklagt sind. Der Vorwurf der „Bande“ würde das Strafmaß deutlich erhöhen, wäre aber nur zu halten, wenn mindestens drei Angeklagte planmäßig und eng verbunden zusammengearbeitet haben.

Kein Geld, nur Job bei einem Essenslieferanten

Anfang 2020 habe er dann den Shop von sich aus abgeschaltet, Dateien und Datenbanken gelöscht. „Ich wollte nicht mehr“, sagt Max S. Das Geschäft sei ihm zu chaotisch gelaufen und habe nicht den erhofften Erfolg gebracht. 164.000 Euro von Kunden habe er noch abgehoben. Dann sei das Projekt für ihn beendet gewesen.

Kurz darauf, im Februar 2020, zog seine Freundin zu ihm nach Leipzig. Allerdings mache ihm die Prominenz, die er durch eine Serie und eine Doku beim Streamingdienst Netflix hat, zu schaffen. „Ich habe Angst, das Ziel von Kriminellen und Verrückten zu werden, die glauben, dass ich viel Geld besitze.“ In Wahrheit sei er aber hoch verschuldet und habe nur einen einfachen Job bei einem Essenslieferanten.

Der Auftritt des Kinderzimmerdealers wirkt wie gut einstudiert. Er macht immer wieder lange Pausen, damit alle Beteiligten im Gerichtssaal mitschreiben können. An manchen Stellen seines stundenlangen Vortrags geht sein Anwalt Curt-Matthias Engel zur Richterbank und legt passende Dokumente oder Fotos vor. Nach der dreistündigen Erklärung beantwortet er zudem noch zahllose Fragen. Nun wird mit Spannung die nächste Einlassung erwartet: vom Hauptangeklagten G..