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Kein Platz für Zebra-Hengst Franz: Zoo Leipzig bestätigt Verfütterung an Löwen

Die Versetzung des bei Elefant, Tiger und Co beliebten Tierpflegers Jörg Gräser hält den Zoo Leipzig in Atem. Auslöser soll eine Zebra-Verfütterung an Löwen sein.

Von Sven Heitkamp
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Der Leipziger Zoo steht seit einigen Tagen in scharfer Kritik. Dabei geht es auch um einen im März geschlachteten Zebra-Hengst, der vor Besucherinnen und Besuchern an Löwen verfüttert wurde. "
Der Leipziger Zoo steht seit einigen Tagen in scharfer Kritik. Dabei geht es auch um einen im März geschlachteten Zebra-Hengst, der vor Besucherinnen und Besuchern an Löwen verfüttert wurde. " © dpa

Leipzig. Der Leipziger Zoo steht seit einigen Tagen in scharfer Kritik. Dabei geht es auch um einen im März geschlachteten Zebra-Hengst, der vor Besucherinnen und Besuchern an Löwen verfüttert wurde. "Der Hengst wurde nach der Schlachtung frisch an die Löwen verfüttert", bestätigte der Direktor des Leipziger Zoos, Jörg Junhold am Donnerstag im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Vor der Tötung des 15 Jahre alten Tiers habe der Zoo ein Jahr lang versucht, den Hengst anderweitig unterzubringen. "Das ist nicht gelungen, weil in anderen Zoos kein Platz war. Die in diesen Fällen letzte Option - eine Tötung zur Verfütterung an Raubtiere - ist geübte Praxis."

Tiere würden in Zoos dann getötet, wenn beispielsweise Rangkämpfen innerhalb einer Herde drohten, erklärt der Direktor des Zoos Wuppertal, Arne Lawrenz. "Im Zoo sind wir eben besser als in der Natur. Bei uns überleben die meisten Tiere und dann müssen wir eingreifen", so der Tierarzt. Im Vordergrund stehe dabei immer das Wohl aller Tiere. "Auch das des getöteten Tiers. Vor seiner Schlachtung hatte es ein gutes Leben im Zoo - im Gegensatz zu vielen anderen Tieren aus großen Zuchten. Es zu verfüttern ist sinnvoll und richtig - allein schon, weil das Fleisch eine gute Qualität hat."

Ganz oder in größeren Stücken - und damit für die Besucherinnen und Besucher klar zu erkennen - sei der Tierkadaver auch Beschäftigung und Schulung für die Fleischfresser. "Natürlich tut es mir für das tote Tier leid, das ist aber der Kreislauf des Lebens und den müssen wir den Menschen auch zeigen", sagte Lawrenz. Für viele Gäste seien einige Tiere, wie zum Beispiel Ratten, einfacher als Futter zu akzeptieren. "In Zukunft werden wir aber nicht drumherum kommen, zum Beispiel auch Elefanten oder Pandas zu töten und zu verfüttern. Das kann ich mir heute zwar auch noch nicht vorstellen, ist aber für eine stabile und gesunde Population unabdingbar."

Petition für Tierpfleger

Ausgelöst wurde die Diskussion nach dem Bekanntwerden der Versetzung eines Tierpflegers. Dabei geht es um einen ihrer Publikumslieblinge: Tierpfleger Jörg Gräser, einem Millionenpublikum der MDR-Serie „Elefant, Tiger & Co“ bestens bekannt und sehr beliebt, versorgt neuerdings nicht mehr die Löwen in der Savanne – sondern die Lamas, Ziegen und Kaninchen in der sogenannten „Erlebniswelt Südamerika“.

Viele Jahre kümmerte sich Jörg Gräser um die Raubkatzen im Zoo Leipzig. Nun wurde er zu den Ziegen und Kaninchen versetzt.
Viele Jahre kümmerte sich Jörg Gräser um die Raubkatzen im Zoo Leipzig. Nun wurde er zu den Ziegen und Kaninchen versetzt. © Screenshot MDR / dpa

Den Fans gilt Gräsers neue Aufgabe eindeutig als Strafversetzung – und sie laufen Sturm gegen die Entscheidung: Auf den Social-Media-Kanälen hagelt es Kritik. Solle man doch Zoo-Chef Jörg Junhold an einen Bratwurststand verbannen, schimpft eine Kommentatorin. Auch eine Online-Petition wurde aufgesetzt und bis Mittwochmittag schon von mehr als 8.100 Menschen unterschrieben. Die Forderung: Jörg Gräser zurück in sein Revier! Im Minutentakt werden die Unterschriften mehr.

Zu den Gründen der Versetzung des Pflegers und einem möglichen Zusammenhang mit der Zebtra-Verfütterung äußerte sich Junhold am Donnerstag nicht: "Ich kann die Aufregung oder das Interesse verstehen - in gewisser Weise die Emotionen. Wir möchten aber auch um Verständnis werben, dass wir sensible Dinge nicht nach außen geben."

Statement des Leipziger Zoos auf Facebook

Was genau der Hintergrund des Personalwechsels ist, bleibt indessen ein Geheimnis des Zoos. Es sei eine „betriebsübliche Entscheidung“, erklärte das Management ungewohnt spärlich. „Uns ist bewusst, dass unser Tierpfleger Jörg Gräser einen großen Bekanntheitsgrad und eine große Fangemeinde hat und wir haben Verständnis dafür, dass sich viele eine Rückkehr ins gewohnte Revier wünschen“, heißt es in einer Mitteilung.

Dass ein Zebra verfüttert werde, zeige, welch geringen Stellenwert die Tiere für Zoo-Verantwortliche hätten, kritisierte hingegen die Tierrechtsorganisation Peta auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Unbestritten brauche ein Löwe Fleisch, um zu überleben, daher sei die Verfütterung eines Zebras aus Tierschutzsicht nicht schlimmer, als Fleisch im Großhandel zu kaufen, sagte Wildtier-Experte Peter Höffken. "Beides ist gleichermaßen sinnlos, denn Löwen haben in Deutschland nichts zu suchen", ergänzte er. Die Tiere würden nur in Zoos gehalten, um Besucherinnen und Besucher anzulocken.

Am Wochenende hatte sich der Zoo sogar ungewöhnlich scharf über die medialen Diskussionen beklagt, „in der sich Medienvertreter und eine fachfremde Öffentlichkeit anmaßen, die Arbeit unseres Personals zu bewerten“. Man akzeptiere nicht, dass die Arbeit in einem Tierpflegebereich im Vergleich zu anderen als „niedere Arbeiten“ abgewertet würden. „Ebenso wenig tolerieren wir die verbalen und medialen Angriffe auf andere Mitarbeiter. Wir bitten euch, Maß zu halten.“

Das Futter durch die Schlachtung eigener Zootiere zu ergänzen, ist sinnvoll und gesund, findet indes der Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ), Volker Homes. "Dennoch, die Entscheidung fällt niemandem leicht und wird nur nach sorgfältiger Abwägung getroffen." Der Tod jedes Tiers solle "so sinnvoll wie möglich sein", sagte er. Meist werde die Verfütterung von Zootieren an andere Zootiere von Besuchern in Zoos wertschätzend angenommen. Junhold ist Präsident des Verbandes.

So auch in Nürnberg. Dort sorge das Verfüttern der eigenen Tiere schon lange nicht mehr für negative Reaktionen, sagte der Direktor Tiergartens, Dag Encke, der auch Vize-Präsident des VdZ ist. "Es gibt gute fachliche Gründe dafür. Diese müssen wir der Gesellschaft aber auch näherbringen." In Nürnberg und Wuppertal sei man damit vergleichsweise weit.

Spekulationen um Löwen-Tode in Leipzig

Um den Bestand der als bedroht geltenden Somali-Wildesel zu schützen, sei in Nürnberg 1998 das erste Mal ein überzähliges Tier getötet worden. "In den 25 Jahren danach folgte ein gut vorbereiteter Prozess, um unserem Bildungsauftrag auch in diesem Thema nachgehen zu können", sagte Encke. Heute arbeite der Tierpark sogar daran, den Anteil des eigens gezüchtet und geschlachteten Fleischs stetig zu erhöhen. "Das ist einfach besseres Fleisch als das aus der Massentierhaltung."

Über die Praxis des Tötens und Verfütterns aufzuklären, sei in Nürnberg heute Alltag, sagte Encke. "Wenn wir ein Tier aus der Herde nehmen, schreiben wir das zum Beispiel auch auf Infotafeln." Die Gesellschaft über das Töten und Verfüttern aufzuklären, daran wolle man auch in Leipzig weiter arbeiten. "Wir brauchen in dem Punkt gesellschaftliche Akzeptanz", sagte Junhold. So sei beispielsweise mediale Begleitung geplant.

Für Spekulationen sorgen auch jüngste Todesfälle in der Löwen-Savanne. So starb am 1. Mai der acht Jahre alte Kater Majo. Er sei appetitlos und in einem schlechten Zustand gewesen, berichtete der Zoo ganz offiziell. Bei der Untersuchung unter Narkose habe dann sein Kreislauf versagt. Zuvor hatte Löwin Kigali eine Totgeburt, wie erst später bekannt wurde.

Ob all diese Vorfälle jedoch im Zusammenhang mit Jörg Gräser stehen, ob er für Fehler oder Pannen verantwortlich gemacht wird und es Meinungsverschiedenheiten unter den Zoofachleuten gab – darüber wird nun viel spekuliert. „Interne Unstimmigkeiten sollten aber nicht den Tieren schaden oder gar einen Menschen zerstören, der sein Leben für diese Tiere über so viele Jahre opferte“, heißt es in der Petition.

Zweites Statement vom Zoo Leipzig

Die ungewöhnlich heftigen Reaktionen haben auch viel mit der Prominenz des Zoos zu tun: Die wöchentliche Dokuserie „Elefant, Tiger & Co“ über Alltagsbegebenheiten des Zoos läuft seit mehr als zwanzig Jahren äußerst erfolgreich im MDR. Sie genießt sechsstellige Zuschauerzahlen, vorigen Herbst wurde bereits die 1.000. Folge gefeiert. Viele Fans sind mit den Gesichtern der bekannten Tierpfleger groß geworden.

Der MDR rechnet auch weiterhin mit dem beliebten Tierpfleger im Programm. „Wir gehen davon aus, dass Jörg Gräser auch in Zukunft wieder bei ,Elefant, Tiger & Co.‘ zu sehen sein wird“, betont eine Sprecherin des Senders auf Anfrage der Sächsischen Zeitung. Zu Personalfragen Dritter äußere sich der MDR aber prinzipiell nicht.