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Politik und Verlage bekennen sich zur Leipziger Buchmesse

Dreimal wurde die Messe in Leipzig schon wegen Corona abgesagt. Nun will man "alles dafür tun", dass sie 2023 endlich wieder stattfindet.

Von Martin Skurt & Sven Heitkamp
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Kulturstaatsministerin Claudia Roth berät Vertretern der sächsischen Landesregierung und der Stadt Leipzig über die Zukunft der Buchmesse.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth berät Vertretern der sächsischen Landesregierung und der Stadt Leipzig über die Zukunft der Buchmesse. ©  dpa/Jan Woitas

Leipzig/Dresden. Es löste ein Beben im Literaturbetrieb aus, als Leipzigs Messechefs Mitte Februar die Leipziger Buchmesse im dritten Jahr in Folge pandemiebedingt abblasen mussten – nur vier Wochen vor ihrem geplanten Termin. Grund dafür seien vor allem einige Absagen von Verlagen und anderen Ausstellern gewesen, erklärten die Verantwortlichen. Am Donnerstag nun folgten mahnende Absichtserklärungen und ein flammender Weckruf, dass es im kommenden Jahr wieder anders laufen soll: Ein halbes Dutzend Verantwortlicher von Bund, Freistaat, Stadt, Messe und Verlagswelt trat vereint vor die Presse und erklärte, der Jahrgang 2023 solle auf jeden Fall wieder stattfinden.

Claudia Roth, Grünen-Kulturstaatsministerin der Bundesregierung und am Donnerstag auf Rundreise durch Sachsen, betonte: „Ich lasse mir diese Buchmesse nicht wegnehmen – um alles in der Welt nicht.“ Der Branchentreff vieler Verlage wie auch Autorinnen und Autoren habe eine große politische Relevanz, auch und gerade in Zeiten des Krieges. „Da wird deutlich, welche große Bedeutung Kunst, Kultur und Literatur haben.“ Sie bauten Brücken und öffneten Türen, wo andere Mächte Mauern mit Gewalt errichteten. „Wir werden alles dafür tun, dass die Buchmesse im kommenden Frühjahr stattfindet“, sagte Roth. Sie sei „ein gnadenloser Fan“. Allerdings werde es angesichts der Covid-Pandemie, der Klimakrise und des Krieges wohl eine etwas andere Messe sein als bisher.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) betonte, dass alle Teilnehmer des sogenannten „Zukunftsgesprächs Leipziger Buchmesse“ ein großes Interesse daran haben, dass die Tradition der Buchmesse weiterlebe. Allein die Zahl derer, die an dem rund anderthalbstündigen, hochkarätig besetzten Gespräch teilgenommen hätten, zeige, wie wichtig die jährliche Veranstaltung sei. „Für eine offene, demokratische Gesellschaft ist der offene Diskurs lebensnotwendig“, sagte Kretschmer. „Die Buchmesse war ein Forum der Demokratie, ein Ort der Selbstvergewisserung, aber auch der produktiven Verunsicherung.“ Es sei wichtig, dass die Messe vor Ort stattfinde, damit die Menschen miteinander sprechen und sich austauschen können.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) besucht Sachsen. Am Donnerstagmorgen kam sie mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zum „Zukunftsgespräch“ mit Vertretern der Buchbranche auf die Leipziger Messe.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) besucht Sachsen. Am Donnerstagmorgen kam sie mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zum „Zukunftsgespräch“ mit Vertretern der Buchbranche auf die Leipziger Messe. © dpa/Jan Woitas

Der gemeinsame Auftritt gilt vor allem als Mahnung und Appell an die Verlage, sich nicht leichtfertig aus der Leipziger Buchmesse zurückzuziehen, sondern sich alternative Formen zu überlegen. Die Aussteller hatten ihren Rückzug insbesondere mit Personalengpässen und Gesundheitsrisiken für die Mitarbeiter wegen der Corona-Pandemie begründet. Messechef Martin Buhl-Wagner betonte, für ihn habe die Vorbereitung des Jahrgangs 2023 nun mit einem Turbo begonnen. „Wir werden mit den Ausstellern, Autoren, Verlagen und Medienhäusern in Konzepten denken, dass eine Buchmesse stattfindet.“ Sein Haus habe bereits angefangen, mit unterschiedlichen Ideen, einem Stufenmodell und unterschiedlichen Formaten zu überlegen, wie die Buchmesse eine Plattform für den Austausch bleiben könne. „Wir werden vieles bringen, was wir bisher in den Schubladen lassen mussten.“ Neben digitalen Formaten seien die persönlichen und oft unerwarteten Begegnungen auf einer Messe elementar.

Auch Alexander Lorbeer, Geschäftsführer bei den Holtzbrinck-Buchverlagen, bekannte sich dazu, „dass es Leipzig in Zukunft braucht“. Dafür werde schon jetzt mit verschiedenen Optionen wie kleineren Ständen und anderen Begegnungsformaten geplant, um auf das pandemische Geschehen oder die Weltlage reagieren zu können. „Wir haben gelernt, dass wir auf unterschiedliche Szenarien vorbereitet sein müssen.“ Die Messestände in Leipzig dieses Jahr abzusagen, sei den Verlagen „wahnsinnig schwergefallen“.

Martin Dulig rief als Aufsichtsratsvorsitzender der Messe die Runde auf, im Vorfeld miteinander zu reden: „2023 wird nicht einfach die Fortsetzung der Messe von 2019 sein.“ Im Herbst, nach der Frankfurter Buchmesse, soll es ein weiteres Leipziger Zukunftsgespräch geben.

Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Kulturstaatsministerin, spielte mit dem digitalen Aquarium "Sketch Aquarium" des Künstlerkollektivs teamLab. Das ist eine Installation der Kinderbiennale im Japanischen Palais.
Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Kulturstaatsministerin, spielte mit dem digitalen Aquarium "Sketch Aquarium" des Künstlerkollektivs teamLab. Das ist eine Installation der Kinderbiennale im Japanischen Palais. © Sebastian Kahnert/dpa

Nach einem Besuch der Baumwollspinnerei, dem Kunst- und Kulturort Leipzigs, kam Claudia Roth nach Dresden ins Japanische Palais. Dort informierte sie sich, wie das Museum im 21. Jahrhundert aussehen kann. Dabei lauschte sie aufmerksam den Ausführungen der Kreativleitung des Japanischen Palais, Noura Dirani. Die Kunsthistorikerin beschrieb den Ansatz des Museums als ein Miteinander mit dem Publikum. In einem wöchentlichen Lunch for Locals kann jede und jeder seine Ideen einbringen. Das Konzept gefiel Claudia Roth so gut, dass sie es für den Wandel von Musseen nach Berlin mitnehmen will.

Nach einem Rundgang durch die aktuelle Kinderbiennale und das Damaskus-Zimmer verabschiedete sich die Ministerin. Auf ihrem Programm standen noch die beiden Gedenkstätten in Dresden: Münchner Platz und Bautzner Straße. Am Freitag besucht sie Chemnitz als Kulturhauptstadt 2025 sowie Plauen: Dort spielte Rio Reiser sein letztes Konzert, und es gibt darüber ein Theaterstück. Roth war einst Managerin von Reisers Band Ton Steine Scherben.