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Kinderzimmerdealer geht wieder ins Gefängnis

Er verkaufte schon einmal Drogen über das Internet, wurde erwischt und ein Netflix-Star. Am Mittwoch wurde Max S. erneut verurteilt – zu viereinhalb Jahren Haft.

Von Sven Heitkamp
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Drei der vier Angeklagten sitzen neben ihren Anwälten in einem Saal vom Landgericht Leipzig. Im Prozess gegen einen als "Kinderzimmer-Dealer" bekannt gewordenen Leipziger hat das Gericht ein Urteil gesprochen.
Drei der vier Angeklagten sitzen neben ihren Anwälten in einem Saal vom Landgericht Leipzig. Im Prozess gegen einen als "Kinderzimmer-Dealer" bekannt gewordenen Leipziger hat das Gericht ein Urteil gesprochen. © dpa

Leipzig. Maximilian S. lächelt nicht mehr. Mit ernster, fast versteinerter Miene sitzt der 28-Jährige am Mittwochnachmittag auf der Anklagebank des Leipziger Landgerichts und hört sein neuerliches Urteil an: Viereinhalb Jahre soll er noch einmal ins Gefängnis gehen, nachdem er erneut ein Onlineportal zum Drogenverkauf mit aufgebaut hat. Das Gericht sprach ihn schuldig des gewerbsmäßigen Drogenhandels in nicht geringer Menge.

Denn obwohl der „Kinderzimmerdealer“ schon 2015 zu sieben Jahren Jugendstrafe verurteilt wurde, nachdem er von seinem Jugendzimmer aus die frei zugängliche Webseite „Shiny Flakes“ betrieben und Drogen für mehrere Millionen Euro verkauft hatte, hat er es trotzdem wieder getan. Schon als Freigänger am Ende der Haftzeit gingen seine kriminellen Machenschaften weiter: er programmierte den neuen Internetshop candylove.to.

Wann Max S., dessen Jugendgeschichte in einer Netflix-Serie und in einer Doku verfilmt wurde, die nächste Haftstrafe antreten muss, steht allerdings noch in den Sternen. Denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zunächst könnte die Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil einlegen. Aus ihrer Sicht ist der Fall in der Gerichtsverhandlung bisher keineswegs ausreichend aufgeklärt worden, wie Oberstaatsanwalt Guido Lunkeit erklärte. So hätten die Inhalte abgehörter Telefonate in den Prozess mit eingeführt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, hatte er auch keinen konkreten Strafantrag gestellt. Nun würde der Staatsanwalt die Frage gern vor dem Bundesgerichtshof klären lassen.

Telefonmitschnitte vor Gericht nicht zugelassen

Er hatte Max S. und vier weiteren Angeklagten vorgeworfen, zwischen April 2019 und Januar 2021 kiloweise Drogen im In- und Ausland verkauft zu haben, unter anderem Amphetamine, Kokain, LSD, Ecstasy, Haschisch und verschreibungspflichtige Medikamente. Die Telefonüberwachung der Beteiligten sollte dabei vor allem dazu dienen, den Rechtsanwalt André R., der mit angeklagt war, einer Beteiligung an den Deals zu überführen. Die Aufnahmen durften aus Sicht des Vorsitzenden Richters Rüdiger Harr aber nicht als Beweismittel in den Prozess eingeführt werden. Dies sei laut Gesetzeslage bei Anwälten eindeutig nicht zulässig. Daher wurde André R. am Mittwoch auch freigesprochen – „ohne Wenn und Aber“. Für Durchsuchungsmaßnahmen bei ihm erhält er sogar eine Entschädigung.

Der Hauptangeklagte Friedemann G., der ohnehin wegen anderen Drogendelikte im Gefängnis sitzt, bekam eine neue Freiheitsstrafe von fünf Jahren und elf Monaten. Friedemann G. soll Max S. als Freigänger in der Haftzeit angestiftet haben, den neuen Onlineshop zu programmieren. G. hatte sich dann um die Beschaffung der Drogen und den Weiterverkauf gekümmert, Helfer angeheuert und Wohnungen angemietet. Er sei „sehr professionell und mit hoher krimineller Energie vorgegangen“, sagte Harr.

Als Vierter im Bunde wurde Jens M. zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten wegen Beihilfe verurteilt. Er hatte für kurze Zeit Drogen mit abgepackt und über Briefkästen an Kunden verschickt. Mittlerweile habe er aber einen geregelten Job und werde in diesem Jahr Vater. Daher habe er eine günstige Sozialprognose, sagte Harr. Schon am Morgen wurde ein weiterer Helfershelfer zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt.

Weil es letztlich keine drei gleichberechtigten Haupttäter gab, habe sich auch der Vorwurf einer Bandenstruktur nicht bestätigt, betonte Harr. Eingezogen werden sollen indessen rund 164.000 Euro, die mit dem Drogenportal verdient worden sein sollen, erklärte der Richter. Alle Angeklagten – außer dem Anwalt – hatten ihre Taten weitgehend gestanden und dabei den Erlös in dieser Größe eingeräumt. Die Ermittler hatten den neuen Onlineshop von Max S. und Friedemann G. allerdings frühzeitig festgestellt, observiert und mit Probekäufen getestet. „Ein frühzeitiges Unterbinden wäre möglich gewesen“, urteilte Richter Harr.

Die Geschichte des "Kinderzimmer-Dealers Maximilian S. war Vorlage für ein Filmprojekt des Streaming-Anbieters Netflix: Von der Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" gibt es mittlerweile drei Staffeln.