LKA ermittelt gegen Elite-Polizisten nach unerlaubtem Aufnahmeritual

Leipzig/Dresden. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden und das Landeskriminalamt Sachsen ermitteln gegen 25 Beschuldigte (zwischen 29 und 54 Jahren) des Mobilen Einsatzkommandos Leipzig und eine Polizeiärztin. Ihnen wird gefährliche Körperverletzung im Amt und Diebstahl mit Waffen vorgeworfen.
Wie beide Behörden am Mittwoch mitteilen, haben mehrere Polizeibeamte bei 23 Verdächtigen im Raum Leipzig Privatwohnungen und die dienstlichen Arbeitsplätze durchsucht.
"Die Beschuldigten stehen unter Verdacht, gemeinsam auf Weisung eines Gruppenführers und mit Billigung des ebenfalls anwesenden Kommandoführers am 3. Dezember 2020 in den Diensträumen des MEK in Leipzig im Anschluss an eine dienstliche Jahresabschlussveranstaltung ein verbotenes Aufnahmeritual für zwei neue Kommando-Angehörige als 'Abschlussprozedur' ihrer Probezeit durchgeführt zu haben", so die Generalstaatsanwaltschaft.
Dabei soll einer der beiden mit mehreren Schüssen aus einer polizeilichen Übungswaffe getroffen und verletzt worden sein. Dabei wurde nach Angaben der Ermittler nicht tödliche Übungsmunition mit Farbmarkierung genutzt.
Der Geschädigte erlitt Hämatome, die von der vor Ort anwesenden Polizeiärztin medizinisch versorgt wurden. Die dienstlich gelieferte Übungsmunition wurde für diese Schießübung unberechtigt entwendet und verbraucht.
Zwei Führungsbeamte sollen nach aktuellem Stand der Ermittlungen die Hauptbeteiligten sein, teilt das Landeskriminalamt mit. Diesen sei an diesem Mittwoch die Durchführung der Dienstgeschäfte mit sofortiger Wirkung untersagt worden.
LKA-Präsidentin: "Mutproben gehören nicht in die Polizei"
Der Fall aus dem Dezember 2020 wurde bekannt, nachdem als Konsequenz aus der Munitionsaffäre des Mobilen Einsatzkommandos Dresden weitere Untersuchungen eingeleitet und Überprüfungen durchgeführt worden.
"Im Rahmen einer teaminternen Feierlichkeit im Dezember des Jahres 2020 des MEK Leipzig, kam es zu einem Aufnahmeritual durch Beschuss mit Farbmunition. Dabei wurden die entsprechenden Schutzmaßnahmen bewusst missachtet", so das Landeskriminalamt. Daher seien die Beteiligten der Feierlichkeit nun Beschuldigte in einem Strafverfahren.
Dazu komme ein automatisch in diesem Kontext eingeleitetes Disziplinarverfahren, das bis zum Ende des Strafverfahrens ruht. Dessen Verlauf wird dann auch vom Ergebnis des Strafverfahrens abhängig sein. Doch auch bei der Einstellung dessen kann noch eine Disziplinarstrafe verhängt werden.
"Durch das Auffinden von Beweismitteln und die Sicherstellung von Kommunikationsgeräten und Speichermedien, soll der Sachverhalt nun weiter ermittelt werden und die Intensität der jeweiligen Beteiligung der einzelnen Kommandomitglieder geklärt werden", so das LKA.

Die Präsidentin des Landeskriminalamtes Sachsen Sonja Penzel sagt nach den Razzien am Mittwoch: "Manchmal muss man beim notwendigen Aufräumen mit weiteren Problemen rechnen. Mutproben oder Aufnahmerituale gehören nicht in die Polizei. Hier wurden nicht nur Grenzen eines gesitteten Miteinanders überschritten, sondern dienstliche Trainingsmittel missbräuchlich verwendet. Das enttäuscht mich umso mehr, als dass gerade die Führungskräfte sich ihrer Verantwortung bewusst sein sollten."
Opposition äußert Kritik und fordert Aufklärung
Innenminister Roland Wöller hat sich erschüttert über ein verbotenes Aufnahmeritual bei einer Spezialeinheit der sächsischen Polizei gezeigt. "Ein solches Verhalten ist unentschuldbar und hat in der sächsischen Polizei nichts zu suchen", teilte der CDU-Politiker am Mittwoch mit.
Fehlverhalten müsse mit aller Konsequenz bekämpft werden. "Die Verfehlungen Einzelner dürfen nicht die jahrelange und erfolgreiche Arbeit ganzer Bereiche oder Behörden in Verruf bringen", so der Innenminister.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Rico Anton macht deutlich: "Archaische Aufnahmerituale passen nicht zu einer professionellen Polizei. Wenn sich bewahrheiten sollte, dass Beamte die Verletzung ihrer Kameraden billigend in Kauf genommen oder sogar absichtlich herbeigeführt haben, dann können sie nicht weiter in der sächsischen Polizei Dienst tun. Das Verhalten ist auf das Schärfste zu verurteilen und wirft ein falsches Bild auf die vielen Polizeibeamten in Sachsen, die ordentlich ihre Arbeit machen."
Kritik kommt indes von der Opposition im Sächsischen Landtag. Der Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann erklärte, der erneute Skandal beim MEK sei ein Ausdruck jahrelangen Führungsversagens im Landeskriminalamt. Insofern sei es richtig gewesen, im vorigen Jahr Personen an der Spitze auszuwechseln.
Innenminister Wöller müsse nun im Innenausschuss dazu Rede und Antwort stehen, "warum die Vorfälle erst jetzt bekanntwurden und welche weiteren Schritte unternommen wurden, um aufzuklären, ob derartige Aufnahmerituale auch in anderen Spezialkräften stattfanden".
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, Kerstin Köditz, forderte Aufklärung. "Wenn sich der Verdacht erhärtet, geraten sächsische Spezialkräfte erneut ins Zwielicht. Abermals geht es um die Entwendung von Munition und eklatantes Fehlverhalten mit offenbar etlichen Beteiligten", erklärte Köditz. Eine Wiederholung müsse unbedingt verhindert werden. (mit dpa)