Razzia in Leipzig-Connewitz: Wohl neue Hinweise im Fall Lina E.

Die Leipziger Studentin Lina E. sitzt bereits seit gut eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Seit zehn Monaten läuft der Prozess der 27-Jährigen vor dem Oberlandesgericht Dresden. Doch erst am Mittwoch hat die Polizei wieder zu einem Schlag gegen die linksextreme Szene Leipzigs ausgeholt.
Die Uniformierten durchsuchten mehrere Wohnungen Verdächtiger im Stadtteil Connewitz, möglicherweise auch anderswo. Es soll Verbindungen zu der Gruppe um die Studentin geben, die sich seit September 2021 etwa wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten muss.
Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihr mehrere gezielte gewalttätige Überfälle auf Rechtsextremisten vor und sieht die angehende Erziehungswissenschaftlerin als Kopf einer militant-linksextremen Vereinigung, die sie "Gruppe E." nennt. Mitangeklagt sind drei Männer aus Leipzig und Berlin, die ebenfalls der "Gruppe E." zugerechnet werden.
Bislang haben sich die Angeklagten nicht zu den Vorwürfen geäußert, ihre Verteidiger nutzen alle Möglichkeiten, das Verfahren als politischen Prozess darzustellen. Lina E. sei nicht zuletzt auch ein Opfer übereifriger Ermittler, die den Verdacht einer kriminellen Vereinigung konstruiert hätten, um die Szene mit weitgehenden Überwachungen und Abhörmaßnahmen aushorchen zu können.
Ein Szene-Aussteiger als Kronzeuge
Während also die Prozessbeteiligten am Mittwochmorgen nach einer mehrwöchigen Unterbrechung von Richter Hans Schlüter-Staats, dem Vorsitzenden des Staatsschutzsenats, erfahren, dass die Hauptverhandlung erneut um mehrere Monate verlängert werden muss, haben Dutzende Durchsuchungsbeamte in Leipzig bereits einen Großteil ihrer Arbeit hinter sich.
Das Landeskriminalamt Sachsen (LKA) bestätigt am Vormittag die Einsatzmaßnahmen, ohne Einzelheiten zu nennen. Ein Behördensprecher verweist auf die Bundesanwaltschaft als Herrin des Verfahrens. Und auch in Karlsruhe sind keine weiteren Hintergründe des Einsatzes zu erfahren. Dabei könnten die Ermittler einen unerwarteten Jackpot geknackt haben.
Nach Recherchen der Leipziger Volkszeitung soll ein mutmaßliches Mitglied der "Gruppe E." ausgepackt haben. Ein Szene-Aussteiger, der nun Kronzeuge ist. Das allein ist höchst ungewöhnlich. Das hohe Maß an Konspiration gerade in Leipzig war bislang der Hauptgrund, warum die Polizei so gut wie keine Chance hatte, Straftaten der linksextremen Szene aufzuklären. So ist es oft in Ermittlerkreisen zu hören.

Das führt nun wieder zu dem Prozess in Dresden. Denn der Anlass für die nun notwendig gewordenen weiteren Sitzungstage sind stetig wachsende neue Erkenntnisse in dem Verfahren, die auch damit zusammenhängen, weil auch in anderen Bundesländern wie etwa Thüringen Parallelverfahren und -ermittlungen laufen, so ein Prozessbeobachter gegenüber der SZ.
Der Vorsitzende berichtet von einem Zeugen und Aussagematerial von "sieben mal zwanzig Seiten Polizeivernehmungen". Da der Mann, gegen den auch ermittelt wird, seinen Verteidiger gewechselt habe, könne er erst im August angehört werden. Der neue Verteidiger des – mutmaßlichen – Kronzeugen sagte, er werde sich zu dem ganzen Prozedere nicht äußern.
Ansonsten läuft der Lina-Prozess auch nach der Pause wie zuvor. Immer wieder kommt es zu Wortgefechten. Nun etwa, weil der Vorsitzende sich wunderte, dass die Verteidiger die vorgespielten Tonaufnahmen mehrerer in Autos aufgezeichneter Gespräche nicht verstanden haben. Er selbst sagt, er lese die verschrifteten Dialoge mit, so sei es möglich, sich ein Bild zu machen. Auch das sorgt für Kritik. Die Verteidiger behaupten, man habe Mitschnitte "unvoreingenommen" prüfen. Schlüter-Staats entgegnet, er glaube nicht, dass Verteidiger tatsächlich nicht wüssten, was in den Autos gesprochen worden sein soll. Der Prozess wird fortgesetzt.