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Leipziger Thomanerchor hat neuen Leiter

Der Schweizer Andreas Reize fühlt sich getragen von einer guten Stimmung. Die Zukunft des Leipziger Knabenchors sieht er zwischen Tradition und Moderne.

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Der neue Thomaskantor Andreas Reize steht in der Thomaskirche.
Der neue Thomaskantor Andreas Reize steht in der Thomaskirche. © dpa-Zentralbild

Leipzig. Der Schweizer Andreas Reize ist der neue Leiter des weltbekannten Leipziger Thomanerchors. Was er sich für das Amt als Thomaskantor vorgenommen hat, erzählt er im Interview.

Mit welchen Gefühlen gehen Sie in das Amt als Thomaskantor?

Ich fühle mich getragen. Die letzten zehn Tage vor der Amtseinführung waren sehr beeindruckend, wie sich alle engagiert haben und wie wir uns gefunden haben. Es gibt eine unglaublich freundschaftliche Basis.

An ihrer Wahl hatte es Kritik gegeben. Es gab einen offenen Brief, in dem sich Mitglieder des Chores gegen Sie aussprachen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Ich denke, das ist wie in einer Familie. In jeder Familie gibt es Dispute. Das ist manchmal leichter zu lösen und manchmal schwieriger. Wir haben viele Gespräche geführt. Das war sicher nicht so einfach, das war sicher auch schmerzhaft. Aber ich glaube, damit muss man umgehen können, wenn man sich für das Amt entscheidet. Aber jetzt ist so eine tolle Stimmung.

In dem Schreiben wurden Ihnen musikalische Defizite vorgeworfen. Was sagen Sie dazu?

Ich habe in der Zeit gerade eine große Rameau-Oper dirigiert und bin da vom Publikum und der Presse ich will nicht sagen in den Himmel gelobt worden, aber die fanden es alle toll. Ich kann das darum einfach nicht ernstnehmen. Aber natürlich: Ich hinterfrage mich als Dirigent immer. Das muss so sein.

Der 46-Jährige ist der 18. Nachfolger von Johann Sebastian Bach
Der 46-Jährige ist der 18. Nachfolger von Johann Sebastian Bach © dpa-Zentralbild

Was haben Sie sich inhaltlich für den traditionsreichen Thomanerchor vorgenommen?

Ich denke, Tradition ist was Tolles. Ich bin selber in einem Knabenchor groß geworden. Für mich steht an erster Stelle, die alte Musik aktuell zu pflegen, mit einem wissenschaftlichen Anspruch an das, was dahinter steht. Wenn wir Bach machen, habe ich immer die Autographen zur Hand. Auch Mendelssohn ist nicht wegzudenken, Reger ist nicht wegzudenken. Ich möchte aber auch aktuelle Chormusik aufführen. Bernd Franke hat ein tolles Stück geschrieben, Steffen Schleiermacher wird im nächsten Jahr dazukommen.

Es gibt immer wieder Diskussion um reine Knabenchöre, Mütter verlangen einen Zugang auch für ihre Töchter. Wie stehen Sie dazu?

Die Förderung muss für beide Geschlechter gleich sein. Aber dennoch ist eine Jungengruppe ein besonderes Gebilde, rein pädagogisch. Das muss man auch schützen. Ich würde es in Abrede stellen, dass ein Knabe besser singt als ein Mädchen. Das ist eine Frage der Stimmbildung, der Förderung. Aber so ein Gebilde wie ein Knabenchor, auch mit der Tradition, das ist für mich unantastbar. Es gehört zur kulturellen Vielfalt.

ZUR PERSON: Andres Reize stammt aus Solothurn in der Schweiz. Er studierte Kirchenmusik, Orgel, Klavier sowie Chor- und Orchesterleitung. Der 46-Jährige ist Vater zweier Kinder.