Merken

Letzte Zuflucht Frauenhaus

In der Einrichtung in Freiberg suchen auch Döbelner Frauen Schutz. Mit Kindern ist das eine logistische Herausforderung.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Sylvia Jentzsch

Mittelsachsen. Es bietet Schutz und Zuflucht, um gewalttätigen Ehepartnern oder Lebensgefährten zu entkommen – das Frauenschutzhaus in Freiberg. Es ist der einzige Zufluchtsort für Frauen in Mittelsachsen, bis zu 50 suchen hier jährlich Schutz – auch aus dem Raum Döbeln. Denn Ende März 2014 musste die vom Frauenverein Regenbogen betriebene Schutzwohnung schließen. Ein Döbelner hatte das Frauenzentrum Regenbogen wegen angeblicher Veruntreuung von Fördermitteln angezeigt. Daraufhin versagten Sponsoren dem Verein ihre Unterstützung (DA berichtete).

Die Bemühungen, einen neuen Träger zu finden, blieben laut Annett Schrenk, der Gleichstellungs- und Ausländerbeauftragten des Landkreises, wegen der nicht zu stemmenden Finanzierung erfolglos. „Das Betreiben solcher Schutzeinrichtungen wird nicht gesetzlich gefordert. Keiner ist dazu verpflichtet und es gibt auch keinen Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenschutzhaus“, sagte sie. Meist würden solche Einrichtungen von Frauen für Frauen betrieben, so wie in Freiberg. Hier wird das Frauenschutzhaus mit 14 Plätzen vom Verein Esther von Kirchbach seit Anfang 1996 geführt. Finanzielle Unterstützung gibt es vom Freistaat, dem Landkreis und der Stadt Freiberg. Trotzdem würden immer wieder Sponsoren gesucht, um alle Unkosten zu decken. Grundsätzlich müssen auch alle Frauen ein Nutzungsentgelt zahlen. Es besteht die Möglichkeit, eine Unterstützung über einen Antrag auf ALG II beim Jobcenter geltend zu machen.

Das Freiberger Frauenschutzhaus wurde 1992 als eines der ersten in Sachsen eröffnet. „Wir haben sechs Zimmer. Die versuchen wir, einzeln zu belegen. Sind Kinder dabei, kommen sie ebenfalls in diesem Raum unter“, so Sozialarbeiterin Manuela Muck. Die Nachfrage sei sehr unterschiedlich. Manchmal sei nur ein Zimmer belegt und dann wieder alle sechs, so Muck. Das ändere sich jeden Tag, da die Einrichtung rund um die Uhr Hilfesuchende aufnehme. Das Frauenhaus habe aber noch niemanden, der Hilfe benötigte, wegschicken müssen. „Wir haben eine Rufbereitschaft, die teilweise auch von ehrenamtlichen Helferinnen übernommen wird“, so Muck. Während der Dienstzeit gebe es auch Beratungen für Frauen, die planen, ins Frauenschutzhaus zu kommen und sich über die Modalitäten informieren wollen. Im vergangenen Jahr hat das Haus 31 Frauen und 24 Kinder aufgenommen. Im Jahr 2016 waren es 25 Frauen und 30 Kinder.

Wenn Frauen aus der Region Döbeln Hilfe brauchen, müssen sie in die Bergstadt fahren. Sobald Kinder im Kindergarten- oder Schulalter betroffen sind, bedeutet das einen größeren logistischen Aufwand. „Doch den scheuen manche nicht. Wir haben es schon erlebt, dass Kinder auch aus der Döbelner Region eine Schule in Freiberg besucht haben“, so Muck. Das Frauenhaus biete nicht nur eine Unterkunft und eine Beratung für die Mütter an. Die Mitarbeiter kümmern sich auch um die Betreuung der Kinder. „Diese erleben das meist positiv“, sagte Manuela Muck. Sie kann keinen bestimmten Trend erkennen. Das Frauenhaus werde von älteren Frauen ohne Kinder genauso genutzt wie von jüngeren mit Kindern, die aus allen sozialen Schichten stammen.

„Die Aufenthaltszeit der Frauen sollte nicht länger als drei Monate sein. „Diese Zeit benötigen Frauen, die sich dauerhaft trennen und neuen Wohnraum suchen. Das bedeutet nicht, dass dies die durchschnittliche Aufenthaltsdauer aller Frauen ist“ sagte die Sozialarbeiterin. Manche Frauen bleiben nur eine Nacht, andere eine Woche. Etwa die Hälfte der Frauen kehre zu ihrem Partner zurück.

„Es ist kein leichter Schritt, ins Frauenhaus zu gehen. Davor liegt ein langer Prozess“, erklärt Annett Schrenk. Hilfe bei gewalttätigen Übergriffen von Partnern biete das Gewaltschutzgesetz. „Das besagt, wer schlägt, der geht“, so die Mitarbeiterin des Landratsamtes. Um das durchzusetzen, müsse bei einem Konflikt mit Gewalt die Polizei gerufen werden. Die könne dann den Täter 14 Tage aus der Wohnung verbannen. In dieser Zeit ist es dem Opfer möglich, Anträge bei Gericht zu stellen. Doch das in die Praxis umzusetzen beziehungsweise die Einhaltung der Anordnung zu kontrollieren, sei eher schwierig, so Schrenk. Auch Manuela Muck bestätigt, dass das Gesetz nicht für alle Frauen eine Option ist. Sie rät Betroffenen, sich mit der Interventions- und Koordinierungsstelle (Ikos) zur Bekämpfung häuslicher Gewalt in Chemnitz in Verbindung zu setzen. Diese berät zu weiteren Verfahrensweisen. Auch die Diakonie und das DRK haben Sozialberatungsstellen, an die sich Betroffene wenden können.

Es gibt aber auch Gewalt gegen Männer, die dann eine solche Schutzeinrichtung benötigen. Eine solche gibt es in Mittelsachsen laut Schrenk nicht. Die Verantwortlichen können lediglich auf das Männerschutzhaus des Vereins Lemann, Netzwerk für Jungen und Männerarbeit in Leipzig, verweisen. „Die Nachfrage ist da und das Haus wird auch angenommen“, so Annett Schrenk. Es gewinne sogar in Bezug auf gleichgeschlechtliche Wohnformen Bedeutung. Hinzu kommen die Nachfragen nach Schutzwohnungen aus dem Flüchtlingsbereich. „Hier haben wir ein Problem mit den Sprachbarrieren. Das Land Sachsen hat in Leipzig ein Frauenhaus eingerichtet, das bevorzugt Flüchtlingsfrauen und deren Kinder aufnimmt“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte, die auch als Ausländerbeauftragte tätig ist. Wie viele Frauen und Männer von häuslicher Gewalt im vergangenen Jahr betroffen waren, kann die Gleichstellungsbeauftragte noch nicht sagen. Die Zahlen werde erst mit der Kriminalitätsstatistik im April veröffentlicht. Im Durchschnitt seien es jährlich 280 bis 300 Fälle im Kreis. Die würden meist dann registriert, wenn es um Körperverletzung gehe, so Schrenk. Doch es gebe auch andere Gewaltformen, die sehr vielgestaltig sind, so Schrenk. Sie nennt als Beispiele die psychische und die ökonomische Gewalt. Es gebe auch Angriffe auf Personen, die dem Mobbing sehr ähnlich sind.