Görlitz
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Letzter Auftritt vor dem Heimflug

Ein Student aus Niger ist seit einem Jahr zu Gast in Görlitz. Am Wochenende musiziert er beim Fest der Kulturen in Stadtpark und Frauenkirche.

Von Ines Eifler
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Der 26-jährige Nigrer Mamane Assoumane Miko hat ein Freiwilliges Soziales Jahr beim CVJM in Görlitz absolviert. In Niamey studiert er Englisch.
Der 26-jährige Nigrer Mamane Assoumane Miko hat ein Freiwilliges Soziales Jahr beim CVJM in Görlitz absolviert. In Niamey studiert er Englisch. © nikolaischmidt.de

Görlitz. Mamane Assoumane Miko hat einen Traum: in Deutschland Musik zu studieren. „Aber ich kann keine Noten“, sagt der 26-jährige Nigrer, „deshalb wird das sicher nichts.“ Das Klavierspielen hat er allein durchs Hören und Nachempfinden gelernt, in der Kirche seiner Heimatgemeinde in Niamey, der Hauptstadt der Republik Niger in Westafrika. Auch im A-capella-Kirchenchor hat er dort gesungen und mit seinem besten Freund eine Band gegründet.

Beim Fest der Kulturen wird er am Sonnabend im Stadtpark Keybord spielen und singen, genauso beim Abschlussgottesdienst des Fests am Sonntag in der Frauenkirche. Mamane Assoumane Miko ist schon seit fast einem Jahr in Görlitz. Er absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) und bei der Evangelischen Stadtjugendarbeit (esta e.V.) in der Wartburg auf der Johannes-Wüsten-Straße. „Eigentlich wollte ich schon ein Jahr früher hier sein“, erzählt er in recht gutem Deutsch, „aber es war nicht ganz einfach, ein Visum zu bekommen.“

Der CVJM Schlesische Oberlausitz und der YMCA (englisch für CVJM) in Niger pflegen seit 2011 partnerschaftliche Beziehungen. Im Jahr 2013 gab es ein gemeinsames Volleyballcamp in Niger. Dort erfuhr Sarah Simmank, die Geschäftsführerin des CVJM in der Lausitz, von der Möglichkeit, über das Programm „weltwärts“ Freiwilligendienstler zwischen Nord und Süd auszutauschen. „Die meisten schicken erst einmal jemanden von hier nach Afrika“, erzählt sie. „Aber wir haben es andersherum gemacht und zuerst zum Besuch eingeladen.“ Mamane Assoumane Miko wurde vom YMCA in Niger dafür ausgewählt, unterbrach sein Englisch-Studium für ein Jahr und kam nach Görlitz, um in der evangelischen Jugendarbeit mitzuwirken.

Als er im August 2016 ankam, konnte er noch kein einziges Wort Deutsch. „In Niger gibt es keine Möglichkeit, diese Sprache zu lernen“, erzählt er. In Görlitz besuchte er zwei Deutschkurse und zog in die WG in der Wartburg ein. Er betreute die Schüler, die nachmittags ins „Jugendcafé WB 21“ des esta e. V. kommen, fuhr im Sommer als Betreuer mit ins Familiencamp an der Ostsee und unterstützte die internationale Partnerschaftsarbeit des CVJM.

„Görlitz gefällt mir gut“, sagt Mamane Assoumane Miko, „aber was ich gelernt habe: Görlitz ist eine alte Stadt.“ Damit meint er nicht nur die Architektur, sondern vor allem die Menschen. Im Gegensatz dazu ist die Republik Niger das Land mit dem stärksten Bevölkerungswachstum weltweit. Jedes Jahr steigt die Zahl der Einwohner um 3,9 Prozent. Die Hälfte der Menschen ist jünger als 15 Jahre. Zugleich ist Niger eines der ärmsten Länder. Auf die Frage, ob das Leben dort schwer sei, sagt Mamane Assoumane Miko, 2013 und 2014 sei es schwer gewesen, weil die Terrororganisation Boko Haram Kirchen anzündete und Christen verfolgte. Inzwischen habe sich die Lage aber beruhigt, auch wenn es häufig noch anders dargestellt werde.

Seine Familie gehört in Niger zur christlichen Minderheit gegenüber 94 Prozent Moslems und einigen Anhängern von Naturreligionen. Seine Mutter, seine Geschwister und er seien von Terror und Gewalt aber nicht betroffen gewesen. Auch hätten seine drei Brüder und seine fünf Schwestern keinerlei Ambitionen, etwa als Flüchtlinge nach Europa zu kommen. Unter seinen Geschwistern seien drei Lehrer, ein Augenarzt, ein Pfarrer und eine Hebamme. Alle seien zwölf Jahre zur Schule gegangen. „Die meisten sind verheiratet und möchten da leben, wo sie sind.“

Auch Mamane Assoumane Miko selbst richtet seinen Lebensplan nicht auf eine Zukunft in Deutschland aus. Seinen Traum vom Musikstudium sieht er realistisch: eben als Traum. Soziale Arbeit würde er hingegen gern in Deutschland, vielleicht sogar in Görlitz, studieren, weil ihm die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Spaß macht und er mit seinem Wissen den YMCA in Niger und dessen Partnerschaften weiter aufbauen und pflegen könnte.

Beim Fest der Kulturen feiert er vorerst seinen Abschied aus Görlitz. Am 20. August fliegt er zurück nach Niamey, um sein Englisch-Studium abzuschließen. Zuvor aber wird er allen, die am Wochenende im Stadtpark feiern, an etwas Musik aus Nigeria teilhaben lassen. Zu dem Fest, das die kulturelle und internationale Vielfalt von Görlitz abbildet, werden auch südafrikanische FSJler aus Berlin und weitere Jugendliche aus Niger anreisen.