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Lieber mal die Bürger fragen

Waldschlößchenbrücke oder Hochhausbau: Die Dresdner wollen mitreden. Dafür gibt es nun eine Idee.

Von Jana Mundus
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Das Welterbe lag den Dresdnern am Herzen. Wie hier bei einer Demo im März 2007. Am Ende hat es nichts genützt: Die Waldschlößchenbrücke wurde gebaut, der Welterbe-Titel war futsch.
Das Welterbe lag den Dresdnern am Herzen. Wie hier bei einer Demo im März 2007. Am Ende hat es nichts genützt: Die Waldschlößchenbrücke wurde gebaut, der Welterbe-Titel war futsch. © AP

Placebo-Partizipation nennt es Jörg Rainer Noennig. „Die nicht wehtun sollte.“ Das Einbeziehen der Bürger in Bauprojekte, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Noennig ist Professor und arbeitet an der Fakultät Architektur der TU Dresden. Bisherige Beteiligungsverfahren, sagt er, starteten häufig erst dann, wenn Planungen für Bauvorhaben durch die Verantwortlichen bereits weit fortgeschritten waren. Teilweise lagen bereits die ersten Entwürfe vor.

Es geht auch anders, ist der Wissenschaftler überzeugt. Bürger außen vor zu lassen, das führte in der Vergangenheit oft zu Protesten. Prominentestes Beispiel: Stuttgart 21. Doch auch in Dresden sind Stadt und Bürger nicht immer einer Meinung, wie beim Bau der Waldschlößchenbrücke oder aktuell beim geplanten Errichten eines Hochhauses in der Johannstadt. Genau das wollen Noennig und seine Kollegen durch ihr Projekt „U_Code“ verändern. Damit begeisterten sie jetzt auch die EU-Kommission.

Mehr Mitsprache = mehr Akzeptanz

Würden Bürger von Beginn an in Projekte einbezogen, ließen sich laut Noennig Proteste vermeiden. Die würden oft erst entstehen, wenn alle formalen Schritte schon durchlaufen und viele Gelder geflossen seien. Ein stärkeres Einbeziehen der Bürger führe zu einer höheren Akzeptanz von Bauvorhaben, weil sie mehr den Wünschen und Bedürfnissen der Stadtbewohner entsprechen. Doch wie lässt sich die Beteiligung an solchen Planungsprozessen offener und damit erfolgreicher gestalten? Mit neuester Computertechnik, erklären die Dresdner Wissenschaftler. Es erinnert an den 3-D-Küchenplaner im Möbelhaus – nur das hier ganze Städte geplant werden könnten.

Seit 2016 arbeitet das Team am Labor Wissenschaftsarchitektur der TU Dresden am virtuellen Stadtplanungsbüro für alle. Schon während der Ideenfindung für Bauvorhaben sollen Bürger so später die Möglichkeit haben, aktiv einzugreifen und kreativ zu werden. Auf einer digitalen Plattform im Internet können sie sich mit einfachen Planungswerkzeugen am Computer selbst überlegen, wie die Gestaltung eines Geländes aussehen soll. Diese Entwürfe können sie mit anderen online diskutieren. Aus dieser Nutzergruppe bilden besonders engagierte Bürger dann eine sogenannte Fokus-Gruppe. Sie arbeitet später eng mit Architekten und den Verantwortlichen der Stadt zusammen.

Stadtverwaltung Dresden will Plattform nutzen

Diese Beteiligung der Bevölkerung sieht Noennig nicht als Machtverlust. „Seit der Professionalisierung des Berufsstandes von Architekten und Stadtplanern in der Renaissance hat die Bevölkerung nur verlernt, mit zu planen und mit zu bauen.“ Stattdessen bieten die digitalen Daten durch Analyse und Filterung die Möglichkeit, zu sehen, „wie die Menge tickt“, und verraten, welche Designs, Bauweisen oder Gebäudeideen den Bürgern gefallen. Dieser Wissenszuwachs gebe ganz neue Impulse für Ideen und die planerische Arbeit von Architekten. Ihre Zwischenergebnisse präsentierten die Dresdner jetzt vor der EU-Kommission. Es kam an. Das Projekt wird mit 3,6 Millionen Euro durch die EU gefördert. Bis zum Ende des Projektes im Juli 2019 soll der Planungsprozess mit Bürgern an einem realen Stadtplanungsprojekt getestet werden. Das Stadtplanungsamt Dresden, einer der zahlreichen Projektpartner, hat bereits großes Interesse bekundet, die neu entwickelte Plattform für mehrere Projekte einsetzen zu wollen.