Merken

Lieber Thomas Gottschalk!

Ein offener Brief von SZ-Redakteur Marcus Thielking an den Fernsehstar, dessen Villa in Kalifornien abgebrannt ist

 3 Min.
Teilen
Folgen
© Tobias Hase/dpa

Lieber Thomas Gottschalk,

Wenigstens haben Sie nicht Ihren Humor verloren. Ihre Villa in Malibu ist vor ein paar Tagen von den Waldbränden in Kalifornien zerstört worden, das ganze Grundstück ist nur noch Schutt und Asche. Zur Bambi-Verleihung am vorigen Sonntag kamen Sie trotzdem nach Berlin. „Es gibt Dates, die sagt man nicht ab – auch wenn die Hütte brennt.“ Das war einer dieser typischen Gottschalk-Sprüche, mit denen Sie früher bei „Wetten, dass..?“ ein Millionenpublikum zum Lachen gebracht haben. „Letzte Woche war ich herbstblond“, sagten Sie, „jetzt bin ich aschblond.“ Dann ist das Schreckliche auch noch genau an Ihrem Hochzeitstag passiert. Dazu erklärten Sie, zwar brenne Ihr Herz für Ihre Frau Thea. „Aber dass zum Hochzeitstag auch noch unser Haus brennt, muss nicht sein.“ Es geht halt nichts über zündende Pointen.

Dabei sind die Nachrichten aus Kalifornien eigentlich überhaupt nicht witzig. Immerhin gab es insgesamt 80 Tote bei den Waldbränden. Da kann einem schon mal das Lachen vergehen. Sie haben’s überlebt, und um Ihre Existenz müssen wir uns keine Sorgen machen. Als Multimillionär bauen Sie sich halt eine neue Hütte. Trotzdem hat es mich beeindruckt, wie gelassen Sie bleiben. Wenn einem die Wohnung abbrennt, das ist schon ein Schock. All die privaten Erinnerungen, das kann kein Geld der Welt ersetzen. Sie hatten sogar eine Original-Handschrift des berühmten Gedichts „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke bei sich zu Hause an der Wand hängen. „Das ist ebenso in Flammen aufgegangen wie das Treppenhaus, durch das meine Kinder immer getobt sind“, erzählten Sie der Bild-Zeitung. Hinter tausend Stäben keine Welt.

Vor den Naturgewalten sind alle gleich, da werden keine Villengrundstücke mit Pool geschont. Auch andere Stars haben bei den Bränden ihre Häuser verloren, unter ihnen die Popsängerin Miley Cyrus und der Rockmusiker Neil Young. Natürlich kann man es unmoralisch finden, dass wir über die Schicksale der Promis reden, aber die 80 Toten bleiben nur eine anonyme Zahl, über die kaum einer weiter nachdenkt. Ich glaube aber, das ist einfach menschlich. Wenn wir über jeden einzelnen Toten nachdenken würden, der in der Zeitung steht, dann kämen wir aus dem Verzweifeln gar nicht mehr heraus. Und im Mittelmeer baden die Touristen. Dazu fällt wohl selbst Ihnen kein Witz mehr ein.

Menschlich ist auch, dass wir über das reden, was in unserer Nähe liegt. 80 Tote bei Waldbränden in Kalifornien sind bei uns eine Nachricht im Vermischten. Aber 80 Tote bei Waldbränden in der Lausitz – da brennt der Baum! Obwohl auch diese 80 schon in Dresden wohl kaum einer persönlich kennt. Ich habe mich übrigens auch dabei ertappt, dass ich mich über die Waldbrände in Kalifornien erst richtig informiert habe, als ich die Nachricht von Ihrer zerstörten Villa las. Und dann? Sie haben mich zum Nachdenken gebracht. Und auch zum Schmunzeln. Das finde ich beides nicht verwerflich.

Ihr Marcus Thielking

Der offene Brief ist eine Rubrik aus dem Wochenendmagazin der Sächsischen Zeitung.